Girondisten
(spr. schirongd-, Girondins), Name der gemäßigt republikanischen Partei in der ersten französischen Revolution, welcher daher rührt, daß ihre Hauptwortführer aus dem Departement der Gironde waren. Zu der Gesetzgebenden Versammlung, welche im Oktober 1791 zusammentrat, hatte dasselbe die Advokaten Vergniaud, Guadet, Gensonné, Grangeneuve und den Kaufmann Ducos gewählt, welche durch ihre Beredsamkeit und ihre offen verkündigten republikanischen Grundsätze bald bedeutenden Einfluß gewannen.
Außer
Brissot und
Roland und deren Anhängern schlossen sich ihnen mehrere hervorragende Mitglieder des
Zentrums an, namentlich
Condorcet, Fauchet, Lasource,
Isnard, Kersaint und
Henri Larivière; einen sehr gewichtigen Einfluß übte
Madame
Roland aus. Die Girondisten
nötigten den König zur
Wahl eines
Ministeriums aus ihrer Mitte, in welchem
Roland,
Dumouriez,
Clavière und
Servan sich befanden, und zur
Kriegserklärung gegen
Österreich
[* 2] und
Preußen
[* 3] (April 1792); sie vornehmlich waren es, welche
die
Verbannung aller eidweigernden
Priester sowie die
Bildung eines
Lagers von 20,000 Mann
Milizen aus allen
Departements in der
Nähe von
Paris
[* 4] beantragten.
Daß der König die Bestätigung dieser Beschlüsse verweigerte und das girondistische
Kabinett entließ, hatte den
Aufstand
vom zur
Folge. Obwohl die Girondisten
denselben stillschweigend gebilligt hatten, sahen ihre
Führer doch endlich ein, daß
durch fortgesetzte Aufreizung der untern
Schichten des
Volkes nicht nur alle gesetzliche
Ordnung, sondern
auch ihr eigner Einfluß gefährdet sei.
Schon waren sie mit dem
Hof
[* 5] in Unterhandlungen getreten und hatten dem König unter
der
Bedingung, daß er fernerhin nach ihrem Belieben regieren würde, ihre Unterstützung in Aussicht gestellt, als der blutige
Aufstand vom 10. Aug. und die Septembermorde der königlichen
Gewalt und damit auch diesen Unterhandlungen
ein Ende machten.
Damit hatten die Girondisten
ihren direkten Einfluß auf die Volksstimmung an die von den
Jakobinern geleitete
Pariser
Gemeinde verloren.
Im
Konvent, der eröffnet ward, waren die Girondisten
zwar in verstärkter Anzahl
vertreten und bildeten das
Zentrum (Plaine oder
Marais); aber die ihnen gegenüberstehende
Partei des
Bergs zählte die kühnsten
und fanatischten
Revolutionäre zu ihren Mitgliedern und beherrschte den
Pariser
Gemeinderat. Die ganze
Haltung der Girondisten
im
Nationalkonvent
war eine schwankende, widerspruchsvolle und daher erfolglose.
Gegen
Robespierre und
Marat eröffneten sie die Feindseligkeiten, indem sie auf Bestrafung der
Urheber der
Septembermorde drangen, aber jedesmal im entscheidenden
Augenblick den
Mut zur That verloren.
Robespierre beschuldigte die Girondisten
föderalistischer
Tendenzen und errang an der
Spitze der festgeschlossenen
Bergpartei stets den
Sieg über die gespaltene
Majorität. Obwohl nun
die Girondisten
durch Beantragung der
Todesstrafe für alle
Emigranten und
Royalisten ihre republikanische
Gesinnung
zu beweisen suchten, trat ihre schwankende
Haltung doch bei
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dem Prozeß des Königs klar hervor. Sie stimmten zwar größtenteils für den Tod des Königs, suchten ihn aber mittels eines Appells an das Volk zu retten, welcher von Vergniaud in hinreißender Rede unterstützt, aber verworfen wurde. Aber während sie ihre ganze Beredsamkeit bei der Beratung der neuen republikanischen Verfassung Condorcets entfalteten, ließen sie die Macht des Pariser Pöbels heranwachsen und versäumten es nicht nur, sich mit Danton gegen Robespierre zu verbinden, sondern trieben denselben sogar zum engen Bund mit der Bergpartei. Um die Macht der Pariser Ochlokratie zu brechen, dachten sie an die Gründung einer Föderativrepublik.
Aber schon der Argwohn davon reizte den Pöbel gegen die Girondisten
auf, so daß die Kommune die Ausschließung
von 22 Girondisten
beantragte, während der auf Antrag der Girondisten
angeklagte Marat 24. April vom Revolutionstribunal freigesprochen wurde. Die
Girondisten
bewirkten nun 18. Mai die Einsetzung einer Zwölferkommission zur Überwachung des Pariser Stadtrats,
die ihre Thätigkeit mit der Verhaftung Héberts begann. Doch mußte derselbe infolge der drohenden Haltung des bewaffneten
Pöbels 27. Mai wieder freigegeben werden. Am 31. Mai machten die dem Stadtrat ergebenen Nationalgarden unter Henriot einen Aufstand,
umzingelten die Tuilerien, in denen der Konvent tagte, und verlangten die Verhaftung von 32 Girondisten.
Unter dem
Eindruck der Beredsamkeit der Girondisten
widerstand der Konvent bis zum 2. Juni, dann aber, im Saal selbst vom Pöbel bedrängt, gab er nach
und belegte die Girondisten
mit Hausarrest.
Die Mehrzahl derselben hatte sich aber inzwischen von Paris entfernt und mit solchem Erfolg agitiert, daß nicht nur in einzelnen Departements, besonders in der Bretagne sowie in Eure und Calvados, eine Schilderhebung zu ihren gunsten stattfand, sondern sich auch unter dem Oberbefehl des an der Küste von Cherbourg [* 7] kommandierenden Generals Wimpffen eine föderalistische Armee zur Rettung der Republik aus den Händen des Pariser Pöbels sammelte. Aber die energische Haltung des Konvents, welcher 9. Juli die aufgestandenen Departements für außer dem Gesetz stehend erklärte, hinderte die weitern Fortschritte der Insurrektion.
Absichtlich schob der Konvent den Prozeß gegen die verhafteten Girondisten
hinaus, um die Schuld der innern Zerwürfnisse auf sie wälzen
zu können. Erst 3. Okt. erhob Amar im Namen des Wohlfahrtsausschusses gegen dieselben die Anklage wegen Hochverrats
und beantragte Ächtung der Entflohenen und Anklage der 23 Verhafteten vor dem Revolutionstribunal, was der Konvent genehmigte.
Die Girondisten
führten ihre Verteidigung mit der ganzen Macht ihrer Beredsamkeit und hielten ihren Gegnern einen Spiegel
[* 8] ihrer eignen
Gemeinheit und Schmach vor.
In der Nacht vom 30. zum 31. Okt. wurden darauf Gensonné, Brissot, Vergniaud, Fonfrède, Ducos, Lacaze, Lasource, Valazé, Fauchet, Sillery, Carra, Duperret, Duchâtel, Lehardy, Gardien, Boileau, Beauvais, Vigée, Duprat, Mainville und Antiboul zum Tod verurteilt und außer Valazé, der sich bei Anhörung des Urteils den Dolch [* 9] in die Brust stieß, 31. Okt. der Guillotine überliefert. Auf dem Weg nach dem Grèveplatz sangen sie die Marseillaise und starben als Helden. Später wurden in Paris noch guillotiniert Coustard, Manuel, Cussy, Noël, Kersaint, Rabaut Saint-Etienne, Bernard und Mazuyer, in Bordeaux [* 10] Grangeneuve, Guadet, Barbaroux und Salles, zu Brives Lidon und Chambon, zu Périgueux Valady, zu La Rochelle Dechézeau.
Rebecqui ertränkte sich zu Marseille,
[* 11] Pétion und Buzot erdolchten
sich, Condorcet nahm Gift, Roland erstach sich 15. Nov. in Rouen,
[* 12] nachdem seine hochherzige Frau 8. Nov. auf dem Schafott gestorben war. Etwa zwei Jahre später (März 1795) wurden die Überlebenden
unter den in den Konvent zurückgerufen, darunter Girondisten
Lanjuinais, Defermon, Pontécoulant, Louvet, Isnard
und Larivière, wo sie einer, wenn auch gemäßigten, royalistischen Reaktion huldigten.
Vgl. Lamartine, Geschichte der Girondisten
(deutsch,
Leipz. 1847, 8 Bde.), eine trotz vielfacher
Ausschmückung doch im ganzen wahrheitsgetreue Schilderung; Granier de Cassagnac, Histoire des Girondins (2. Aufl., Par. 1862, 2 Bde.);
Guadet, Les Girondins (das. 1861, 2 Bde.), wozu Alary, Les Girondins par Guadet (Bordeaux 1863), zu vergleichen ist; Vatel, Charlotte Corday et les Girondins (das. 1864-72, 3 Bde.);
Derselbe, Recherches historiques sur les Girondins (das. 1873, 2 Bde.).