Giftschlangen
(Venenosa), eine Ordnung von Schlangen mit Giftdrüsen und -zähnen, die durch ihren Biß fast ausnahmslos lebensgefährliche Vergiftungen bewirken. Sie haben sonst keinerlei gemeinsame Merkmale, sodaß in dem Besitze des Giftapparats das einzig sichere Kriterium der Giftigkeit einer Schlange zu suchen ist. Der Oberkiefer der Giftschlangen (s. die nachstehende Abbildung) ist verhältnismäßig klein und trägt nur einen oder zwei ausgebildete Zähne, die sich aber schon durch ihre auffallende Größe auszeichnen und durch eine Rinne an der vordern, gewölbten Seite als Giftzähne a charakterisieren.
Diese Rinne leitet das Gift in die Wunde über und ist bei vielen Arten so vertieft, daß ihre Ränder sich vorn wieder berühren und der ganze Zahn dann von einem feinen Kanal durchzogen ist. Die Kanalöffnung an der Zahnwurzel steht mit dem Ausführungsgange der Giftdrüse in Verbindung; auf diese wird beim Zubeißen ein Druck ausgeübt und dadurch Gift in den Zahn hineingepreßt. Die untere Öffnung des Giftkanals vorn oberhalb der sehr scharfen Spitze des Zahns ist lang schlitzförmig; aus ihr fließt das Gift in die Wunde.
Die Giftzähne liegen, von einer Falte der Mundhöhlenschleimhaut umgeben, wie in einer Tasche, bei geschlossenem Maule nach hinten zurückgelegt; ein eigentümlicher Mechanismus der Kieferknochen bewirkt es, daß sie beim Öffnen des Rachens mitsamt dem Oberkiefer, auf dem sie sitzen, nach vorn gedrückt und so von selbst aufgerichtet werden. Brechen die Zähne, was oft genug geschieht, ab, so treten binnen kurzem Ersatzzähne an ihre Stelle. Diese liegen meist in größerer Zahl hinter den ausgebildeten Giftzähnen in der Hauttasche verborgen und werden nach hinten zu immer kleiner. Die Giftdrüsen d liegen an den Seiten des Kopfes und tragen durch ihre mächtige Entwicklung wesentlich zu dessen Verbreiterung bei; bei manchen Arten werden sie so groß, daß sie weit in den Körper hineinragen (Elapiden). Die meisten Giftschlangen sind lebendiggebärend. Über die Wirkung des Giftes der Schlangen s. Schlangengift.
Textfigur:
Man kennt über 200 Arten von Giftschlangen, von denen nur wenige in Europa, 3 in Deutschland (Kreuzotter, Italienische Viper und Sandviper, s. die betreffenden Artikel), angetroffen werden; die meisten Giftschlangen weist Indien und nächstdem Mittelamerika auf. Die Giftschlangen zerfallen in mehrere Familien, von denen die bekanntesten die Grubenottern (s. d. und Tafel: Giftschlangen, [* 1] Fig. 7, die Schararaka, Bothrops brasiliensis Wied., und [* 1] Fig. 2, die Klapperschlange, Crotalus durissus L.) und die Vipern (s. d. mit der Kreuzotter, Pelias berus L., [* 1] Fig. 3, die auch in einer schwarzen Varietät, var. prester L., [* 1] Fig. 4, vorkommt) sind; weiter gehören zu ihnen die Prunkottern (s. d., zu denen die schöne Korallenschlange, Elaps corallinus L., [* 1] Fig. 6, und die berüchtigte Brillenschlange, Naja tripudians Merrem., [* 1] Fig. 5, gehören), die Meerschlangen (s. d., mit der Plattschwanzschlange, Pelamis bicolor Daudin, [* 1] Fig. 1) u. a. m.