Titel
Giftpflanzen
,
[* 2] solche
Pflanzen, die entweder in allen ihren
Teilen oder in irgend einem derselben
einen der Gesundheit des
Menschen schädlichen
Stoff enthalten. Die Wirkung der Giftpflanzen
ist je nach den in ihnen vorhandenen giftigen
Stoffen eine sehr verschiedenartige. Während von den einen schon ganz geringe Mengen, etwa eine
Frucht oder ein Samenkorn,
den
Tod herbeiführen können, wird von andern, selbst wenn sie in größern
Massen genossen werden, nur
ein vorübergehendes Unwohlsein herbeigeführt.
Die giftigen
Stoffe, auch das giftige Princip genannt, sind bei einer großen Reihe von Giftpflanzen
noch sehr ungenau bekannt;
so weiß man z. B. über die in vielen
Pilzen enthaltenen
Stoffe nur sehr wenig, und auch von vielen andern
Giftpflanzen
kann man nur angeben, daß das giftige Princip ein
Alkaloid oder dergleichen ist, dessen chem. Zusammensetzung aber noch
nicht genügend untersucht wurde. Auch die Menge des in einer Giftpflanze
[* 3] vorhandenen Giftstoffs ist natürlich sehr verschieden,
und demgemäß auch die Wirkung.
Während das chemisch rein dargestellte
Nicotin ein äußerst starkes
Gift ist, kann doch der
Tabak,
[* 4] der
dasselbe in geringen Mengen enthält, im allgemeinen als ein unschädliches Genußmittel betrachtet werden; dasselbe gilt
von vielen andern Gewächsen, die als Gewürzpflanzen,
[* 5] als Gemüse oder in anderer
Weise den
Menschen zur Nahrung dienen; so
enthält sowohl
Kaffee wie
Thee einen sehr giftigen
Stoff, auch in den Kartoffeln finden sich sehr geringe
Mengen des äußerst schädlich wirkenden
Solanins. Noch mehr gilt dies von manchen offizinellen
Pflanzen, zu denen u. a. mehrere
der giftigsten Gewächse, wie der
Rote Fingerhut, Digitalis purpurea
L. (s.
Tafel: Giftpflanzen
I,
[* 1]
Fig. 3), die
Tollkirsche,
Atropa (s. d.) belladonna
L. (s. Taf. II,
[* 1]
Fig.
I), das
Bilsenkraut,
Hyoscyamus (s. d.) niger
L. (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 3), der
Stechapfel,
Datura (s. d.) stramonium
L. (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 2), gehören.
Je nach der Wirkung der Giftstoffe kann man die Giftpflanzen
einteilen in solche, die narkotische, und in solche,
die ätzende oder scharfe Eigenschaften
¶
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mehr
haben, denen auch wohl noch eine dritte Gruppe anzufügen wäre, die stark purgierend wirkt. Zu den erstern würden z. B. die bereits genannten, ferner die Stammpflanze des Opiums Papaver somniferum L., s. Papaver und Tafel: Rhöadinen, [* 7] Fig. 3), die Schierlingsarten u. s. w. gehören. Ätzend scharf wirken mehrere Ranunkulusarten, die Sumacharten (s. Rhus), purgierend mehrere Euphorbiaceen, [* 8] wie Ricinus, Croton u. s. w.
Die einzelnen Familien des Pflanzenreichs sind sehr verschieden in betreff der Anzahl von Giftpflanzen
, die sie umfassen. Es giebt Familien,
die keine einzige Giftpflanze enthalten, wie die Familie der Kruciferen;
[* 9] ferner solche, die bei ihrer bedeutenden Artenzahl
nur wenige Giftpflanzen
aufzuweisen haben, wie die Kompositen,
[* 10] Leguminosen
[* 11] u. a. In andern Familien dagegen, wie
z. B. bei den Solanazeen, Euphorbiaceen, finden sich im Verhältnis zur Gesamtzahl der Arten zahlreiche Giftpflanzen
, und zwar gerade
solche, deren Giftstoffe äußerst schädlich wirken.
Von den einheimischen Giftpflanzen
und solchen, die in Deutschland
[* 12] als Gartenpflanzen gezogen werden, sind hauptsächlich
zu erwähnen: aus der Familie der Ranunkulaceen Arten der Gattungen Clematis (s. d.), z. B.
Clematis recta L., Anemone (s. d.), Pulsatilla (s. d.),
besonders Pulsatilla vulgaris (s. Tafel: Giftpflanzen
I,
[* 7]
Fig. 5) und pratensis Mill., sämtliche Arten von Adonis (s. d.), Ranunculus
(s. d.), hauptsächlich Ranunculus sceleratus L., Helleborus (s. d.),
Aconitum (s. d.);
ferner die Akeleipflanze, Aquilegia vulgaris L. (s. Aquilegia), die Dotterblume, Caltha palustris L. (s. Caltha), Trollius europaeus L. (s. Trollius), das Christophskraut, Actaea spicata L. (s. Actaea);
von den Amygdaleen der Bittermandelbaum, Amygdalus communis L. var. amara (s. Mandelbaum), der Kirschlorbeer (s. d. und Tafel: Rosifloren I, [* 7] Fig. 2) und die Traubenkirsche, Prunus padus L. (s. Prunus);
von den Papilionaceen mehrere Arten der Gattungen Coronilla (s. d.), hauptsächlich Coronilla varia und emerus L., Cytisus (s. d.), besonders der Goldregen, Cytisus laburnum;
von den Papaveraceen das Schöllkraut, Chelidonium majus L. (s. Chelidonium), die schon erwähnte Stammpflanze des Opiums, Papaver somniferum L.;
von den Rhamnaceen der Faulbaum, Rhamnus frangula L. (s. Rhamnus und Textfigur 3 zu Artikel Frangulinen), [* 13] und der Kreuzdorn, Rhamnus cathartica L.;
von den Araliaceen der Epheu (s. d. und Tafel: Umbellifloren II, [* 7] Fig. 4);
von den Umbelliferen
[* 14] der Wasserschierling,
Cicuta virosa L. (s. Cicuta und Tafel: Giftpflanzen
I,
[* 7]
Fig. 1), der gefleckte Schierling, Conium maculatum L. (s. Conium
und Taf. I,
[* 7]
Fig. 2), die Hundsgleiße oder Hundspetersilie, Aethusa cynapium L. (s. Aethusa und Taf. II,
[* 7]
Fig. 5), der Taumelkörbel,
Chaerophyllum temulum L. (s. Chaerophyllum), die Arten der Gattung Oenanthe (s. d.), besonders Oenanthe crocata L., Sium latifolium
L. (s. Sium), Berula angustifolia L. (s. Berula), die Sterndolde, Astrantia major L. (s. Astrantia);
von den Cucurbitaceen [* 15] die beiden Gichtrübenarten Bryonia alba L. und dioica Jacq. (s. Bryonia), die Springgurke, Ecballium officinale N. ab Es. (s. Ecballium und Tafel: Campanulinen, [* 7] Fig. 6), die Koloquinte (s. d. und Tafel: Campanulinen, [* 7] Fig. 5);
von den Kaprifoliaccen der Zwergholunder, Sambucus ebulus L. (s. Sambucus), und das gemeine Geißblatt, Lonicera xylosteum L. (s. Lonicera), auch einige Schneeballarten (s. Viburnum);
von den Kompositen die beiden Latticharten, Lactuca virosa und scariola L. (s. Lactuca);
von den Scrophulariaceen der schon erwähnte Rote Fingerhut sowie die übrigen Arten der Gattung Digitalis, das Gottesgnadenkraut, Gratiola officinalis L. (s. Gratiola), die Arten des Läusekrauts (s. Pedicularis);
von den Solanaceen die Tollkirsche (s. oben), das Bilsenkraut (s. oben), der Stechapfel (s. oben), die Arten der Gattung Solanum (s. d.), besonders der Schwarze Nachtschatten und das Bittersüß: ferner sämtliche Tabakarten (s. Tabak);
von den Convolvulaceen sind zwei Arten verdächtig, nämlich Convolvulus sepium und arvensis L. (s. Convolvulus);
von den Apocynaceen ist der gewöhnliche Oleander (s. d. und Tafel: Contorten, [* 7] Fig. 2) als giftig anzuführen;
von den Asklepiadeen der Hundswürger (s. Cyanchum) und die in Gärten als Schlingpflanze vielfach gezogene Periploca graeca L. aus dem Orient;
von den Lobeliaceen mehrere Arten der Gattung Lobelia (s. d.);
von den Thymeläaceen die Arten des Seidelbast (s. Daphne), besonders
Daphne mezereum L. (s. Tafel: Giftpflanzen
II,
[* 7]
Fig. 4);
von den Aristolochiaceen die Haselwurz, Asarum europaeum L. (s. Asarum und Tafel: Hysterophyten I, [* 7] Fig. 5), und die Osterluzei, Aristolocia clematitis L. (s. Aristolochia und Tafel: Hysterophyten I, [* 7] Fig. 6);
von den Ericaceen Andromeda polifolia L. (s. Andromeda) und Ledum palustre L. (s. Ledum);
von den Primulaceen das Alpenveilchen, Cyclamen europaeum L. (s. Cyclamen und Tafel: Alpenpflanzen, [* 7] Fig. 11);
von den Euphorbiaceen alle Arten der Gattungen
Euphorbia
[* 16] (s. d.), besonders Euphorbia helioscopia L. (s. Tafel: Giftpflanzen
I,
[* 7]
Fig. 4) und Mercurialis (s. d.),
sowie der Wunderbaum, Ricinus communis L. (s. Rhicinus und Tafel: Tricoccen,
[* 7]
Fig. 3);
von den Urticaceen [* 17] der Hanf (s. d.) und der Hopfen [* 18] (s. d.).
Unter den Monokotyledonen sind zu erwähnen aus der Familie der Amaryllidaceen die Narcissen (s. Narcissus);
von den Iridaceen mehrere Arten der Gattung Iris (s. d.), wie Iris pseudacorus L.;
von den Colchicaceen die Herbstzeitlose,
Colchicium autumnale L. s. Colchicium und Tafel: Giftpflanzen
I,
[* 7]
Fig.
6) und die Arten der Gattung Veratrum (s. d.), Veratrum album und nigrum L.;
von den Liliaceen die Kaiserkrone, Fritillaria imperialis L. (s. Fritillaria), die Meerzwiebel, Scilla maritima L. (s. Scilla), auch die verschiedenen Tulpenarten (s. Tulipa) sind verdächtig;
von den Smilaceen die Einbeere (s. Paris
[* 19] und Tafel: Giftpflanzen
II,
[* 7]
Fig. 6);
von den Araceen der Aronsstab, Arum maculatum L. (s. Arum) und das gemeine Schlangenkraut (s. Calla und Tafel: Araceen, [* 7] Fig. 7);
von den Alismaceen die Froschlöffel (s. Alisma);
von den Gramineen [* 20] der Taumellolch (s. Lolium [* 21] und Tafel: Gramineen I, [* 7] Fig. 4).
Unter den Gymnospermen sind die Eibe (s. d. und Tafel: Gymnospermen I, [* 7] Fig. 3) und der Sadebaum (s. d.) anzusühren. Auyer den genannten Giftpflanzen gehören hierher noch eine Anzahl giftiger Pilze [* 22] (s. d. und Tafel: Pilze II-. Giftige Pilze), wie Fliegenpilz, Satanspilz, Schwefelkopf u. a.
Von den exotischen Giftpflanzen sind hauptsächlich anzuführen die Pfeilgift liefernden, wie Erythrophloeum guineense Don. in Senegambien (s. Erythrophloeum), die südamerik. Coriaria myrtifolia L., ¶
mehr
die ebenda wachsenden Arten der Gattung Paullinia (s. d.), mehrere in Ostindien [* 24] wachsende Aconitumarten, sämtliche Brechnußbäume (s. Strychnos) sowie der Upasbaum, Antiaris (s. d.) toxicaria Leschen. in Java. Außer diesen Pflanzen sind noch zu erwähnen die Sumacharten (s. Rhus), zahlreiche Euphorbiaceen, die giftigen Milchsaft enthalten, so u. a. der Manzanillabaum (s. Hippomane), Croton tiglium L. (s. Croton) und der Blindbaum (s. Excoecaria), der Manihot (s. d.) und Hura crepitans L. (s. Hura);
aus der Familie der Clusiaceen die Gummigutt liefernden Bäume, wie Garcinia cochinchinensis Chois., cambogia Desv. (s. Garcinia) u. a.;
aus der Familie der Leguminosen die Calabarbohne (s. Physostigma);
aus der Familie der Phytolaccaceen die Kermesbeere (s. Phytolacca);
aus der Familie der Apocynaceen der Ahovaibaum (s. d.) und verwandte Arten;
aus der Familie der Scrophulariaceen die Pituripflanze (s. Duboisia);
aus der Familie der Rubiaceen die Brechwurzel oder Ipecacuanha (s. d. und Cephaëlis).
Vgl. H. Hein, Deutschlands [* 25] Giftpflanzen (Hamb. 1880);
Greßler, Deutschlands Giftpflanzen (15. Aufl., mit Illustr., Langensalza [* 26] 1891).