Gichtel
,
Johann Georg, Schwärmer und Mystiker, geb. zu Regensburg, [* 2] ward daselbst 1664 Advokat. Er beschäftigte sich jedoch fortwährend mit religiösen, später besonders mit Jakob Böhmes Schriften, die er zuerst vollständig herausgab (1682). Auch trat er in persönlichen Verkehr mit andern Schwärmern, namentlich mit dem Holländer Breckling. 1668 kam er infolge seiner Befehdung der Orthodoxie ins Gefängnis und an den Pranger. Er suchte nun eine Zufluchtsstätte in Amsterdam. [* 3]
Seine
Lehre,
[* 4] daß man einzig auf den »Gott in uns« hören, dagegen um die
Bedürfnisse des
Lebens sich nicht bekümmern solle, rief Arbeitsscheu und Zerwürfnisse in den
Familien
hervor. Er starb in
Amsterdam. Seine »Theosophia practica« ward von seinem
Schüler Gottfr.
Arnold (1701-1708, 3 Bde.)
und von Überfeld (1722, 6 Bde.) mit seiner
Biographie herausgegeben. Die
Glieder
[* 5] der von ihm gestifteten kleinen
Gemeinde in
Holland hießen nach ihm Gichtel
ianer; sie selbst nannten sich
Engelsbrüder, weil sie bis zur Reinheit der
Engel sich zu erheben
hofften, indem die vollkommenen
Glieder (Melchisedeksche
Priester) sich des ehelichen
Umganges enthielten und nur von freiwilligen
Gaben lebten. An ihre
Spitze stellte sich ein
Kaufmann J. W.
^[Johann
Wilhelm] Überfeld aus
Frankfurt
[* 6] a. M.
Sie haben sich in Norddeutschland bis ins 19. Jahrh. herein erhalten.
Vgl.
Reinbeck, Gichtels
Lebenslauf und
Lehren
[* 7] (Berl.
1732);
Harleß in der »Evangelischen Kirchenzeitung« 1831; Lipsius in Ersch und Grubers »Encyklopädie«, Bd. 66.