Titel
Gibraltar.
[* 3]
1) Vorgebirge an der Südspitze der Pyrenäischen Halbinsel, 22 km im NO. vom Kap Tarifa, wird gebildet durch die tief eingreifende Bucht von Algeciras (s. d.) und besteht aus Jurakalk, der auf silurischen Schiefern ruht und durch eine niedrige, mit Lagunen erfüllte und aus alluvialem Flugsande bestehende Landzunge von 2,8 km Länge und kaum 1,8 km Breite [* 4] mit dem Festlande der span. Provinz Cadiz [* 5] verbunden ist. Der Felsen erstreckt sich fast genau südwärts, ist 4,62 km lang, bis 1245 m breit und erreicht die Höbe von 425 m. Er enthält mehrere Höhlen, wie die Michaelshöhle (Cueva de San Miguel) mit schönen Tropfsteinbildungen.
Der Kamm, ein fast überall schmaler Grat, spaltet sich in drei Kuppen, auf deren mittlerer die Signalwarte (Signal house) steht. Gegen S. wird der Fels niedriger und endet mit der schroffen Punta de Europa [* 6] (36°6'23" nördl. Br., 5°21' westl. L. von Greenwich), die einen Leuchtturm trägt. Der Westabhang ist an den meisten Stellen zugänglich, der östl. und der nördl. Abhang stürzen fast senkrecht ab, ersterer zum offenen Meere, letzterer zu jener flachen Landzunge, dem sandigen Isthmus (La linea), die, von dem span. Gebiete früher durch eine zur Beschränkung des Schmuggelhandels aufgeführte Mauer mit Bastionen und Forts an den Ecken abgesperrt, jetzt nur einen Erdwall und einige Wachthäuser trägt.
Dahinter liegt auf hohem Fels die span. Stadt
San Roque. Durch Natur und Kunst bildet der Gibraltarfels
(4,9 qkm groß) eine uneinnehmbare Festung,
[* 7] in den
Händen der Engländer den
Schlüssel des Mittelmeers.
[* 8] Überall sind den
Steilwänden Werke der terrassenartig angelegten Linien abgerungen. Mit Ausnahme der gänzlich unzugänglichen Ostseite trifft
man überall auf
Batterien,
Forts, krenelierte
Mauern,
Kaponnieren, Redouten und Wälle mit 800
Kanonen. Die
Festungswerke sind zum
Teil in den Fels gehauen.
Besonders merkwürdig sind die breiten Felsgalerien, die, während der letzten span.
Belagerung (1779–81) in 180 und 244 m
Höhe auf der Nordseite durch den Fels gesprengt, zwei bedeckte
Gänge bilden, die mit 100 der schwersten
Geschütze
[* 9] bewaffnet
sind. Die Felsgewölbe bieten sichern Raum für die Garnison.
Acht bombenfeste, 40000 t fassende
Cisternen und ein reicher
Süßwasserbrunnen schützen vor Wassermangel. Die durch die abkühlende Luftströmung des
Meers gemilderte Hitze läßt alle
Kulturgewächse Südeuropas hier gedeihen. Rindvieh, Schafe
[* 10] und Ziegen finden an den Felsenspalten eine immergrüne
Vegetation,
und überdies ist jedes Fleckchen Erdreich mit teils wilden, teils veredelten Fruchtbäumen besetzt.
Gibraltar
ist auch der einzige Punkt in Europa, wo sich
Affen
[* 11] aufhalten (der nordafrik. Inuus ecaudatus), die noch in geringer Zahl
auf der Ostseite hausen.
2)
Meerenge oder
Straße von Gibraltar
(span. Estrecho de Gibraltar
, das Fretum Herculeum der
Alten, die
Verbindung zwischen Mittelmeer und dem Atlantischen Ocean. Der oceanische Eingang (die Pontes Gadirides), 13 km
breit, ist zwischen
Kap
Trafalgar und
Kap Espartel, der mediterrane, 20,35 km breit, zwischen der
Punta de Europa und dem nordöstlichsten
Vorsprunge des Felsens von
Ceuta.
[* 12] Die schmalste
Stelle mißt nur 12,95 km. Das afrik. Gestade ist ungegliedert,
das europäische ist wertvoll, namentlich durch den Golf von
Algeciras, ein beinahe halbkreisförmiges
Becken und einer der
geräumigsten, sichersten Häfen der Welt. Die
Meerenge hat im Durchschnitt 275, an der schmalsten
Stelle 300, weiter östlich 950 m
Tiefe, ist, obwohl ohne Klippen
[* 13] und
Untiefen, dennoch Schiffen gefährlich wegen der starken, im
Mittel
4,5 km, aber bis 8,1 km stündlich fortschreitenden Strömung leichtern, salzärmern Wassers, die aus dem Ocean hereindringt;
unterhalb dieser geht eine schwerere in entgegengesetzter
Richtung nach außen. (S. die Nebenkarte znr Karte: Mittelländisches
Meer.)
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forlaufend
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3) Stadt und Festung Gibraltar
liegt auf der Westseite des Felsens an einer gegen alle Winde
[* 15] gut geschütz-
ten Neede der Bucht terrassenförmig ansteigend und durch eine große Promenade (Alameda) in zwei Teile geteilt. lS. beistehenden
Situations- plan.) hat das wärmste Klima
[* 16] in Europa (Januar 16,4, Juli 22,4° 0.), geHort aber Zu den gesündesten
Orten der Erde; schädlich ist nur der scharfe Ost- wind (Levanter). O bgleich nach der Belagerung von 1.782 völlig neu aufgeführt,
ist die Stadt sebr unregelmäßig ge- baut, ihre Gassen sind eng, die Däuser meist im span.
Stile aufgeführt und meist dunkel gestrichen, sodaß sie in der grauen Farbe des Felsens ver- schwinden.
Nur hier und da wer- den die Häuser von Gärten und grünen Plätzen eingefaßt. Dem Bergabhang entlang führt eine Chaussee
zwischendenFe- stnngswerken, Kasernen, Ma- gazinen, Villen und Gärten bis zur Punta dc Europa. Öffent- liche Gebäude von
Bedentnng sind nicht vor- banden. Gibraltar
be- sitzt eine prot. Kathedrale nnd 3 katb. Kirchen, eine Synagoge,
engl. Privat- schulcn, 14 Ele- mentarschulen, 2 Gcrichtsböfe, Bibliothek, schö- nes Eivilhospi- tal, Gasthöfe, Eafe's, schöne
Läden und ein kleines Theater.
[* 17]
Auf einer Er- höhung an der Nordseite befin- den fich die Ar- tillorickasernen und das Mili- tärgefängnis
in dem sogenann- ten maur. Ka- stell aus dem «. Jahrh. Gibraltar
bildet eine engl.
Kronkolonie unter einem militär. l^ouverneurund zählt mit der Garnison ^tann) 25 809 E., die in ihrer Masse von ital. Ansiedlern
berstammen. Die Bedeutung des Platzes ist vor- wiegend eine strategische. Die Ausgaben für Be- Vrockhaus'
Konversations-Lexilon. 14. Aufl.. VII. festigung und das Militär betragen jährlich gegen 250000 Pfd.
St. Wichtig ist Gibraltar
auch als Kohlen- station und als Entrepot für den brit. .Handel mit Nordafrika. 1892 liefen 4947 Ecbisfe
mit insgesamt 4,39 Mill. t Ladung in ein. Mit England besteht täglich Postverbindnng. Mit Spanien
[* 18] wird
viel ^ ännugglerverkehr getrieben. Im Altertum bieß der Fels, der zu llispHiiia. Zaetica gehörte, Calpe, und in Gemeinschaft
mit Avila (bei dem jetzigen Ceuta) auf der afrik. Küfte bildete er die sog. Säulen
[* 19] des Hercules. Als 711 die Araber bei ihrem
Einfall in Spanien an dieser Stelle 28. April landeten, gründete Tarik, der Feld- herr des Chalifen Welid, zur
Deckung des Über- gangs bier ein Kastell und nannte dies und den Berg Dschebel al-Tarik (Berg des Tarik). Zwar Gibraltar (Situationsplan)
gelang es Ferdinand IV. von Castilien, den Mauren die Festung 1302 zu entreißen, doch schon 1333 er- oberten
sie dieselbe aufs neue, bis sie ihnen unter Heinrich IV. durch Guzman, Herzog von Medina- Sidonia, 1462 auf immer entrissen
wurde. Hierauf 64
¶
mehr
kam Gibraltar
an Castilien und Leon und wurde 1502 mit der Krone von Spanien vereinigt. Karl Ⅴ. ließ die altmaur. Festungswerke durch
den berühmten Ingenieur Speckel aus Straßburg
[* 21] nach den Grundsätzen der europ. Befestigungskunst umbauen. Im Spanischen Erbfolgekriege
landete eine engl. Flotte unter Admiral Sir George Rooke, die in den Gewässern von Gibraltar
erschien,
ein Korps von ungefähr 1800 engl. und holländ. Kriegern, das 4. Aug. unter
Anführung des kaiserl. Feldmarschalllieutenants Prinzen Georg von Hessen-Darmstadt die Festung durch einen Handstreich nahm.
König Philipp Ⅴ. ließ um es wieder zu erobern, vom an mit 10000 Mann von der Landseite angreifen, während der Admiral Poyez dasselbe zugleich mit 24 Schiffen an der Seeseite einschloß; allein das Unternehmen wurde teils durch die Batterien des Platzes, teils durch die Hilfeleistung der engl.-holländ. Flotte vereitelt. Auch die Wiederholung des Versuchs 1705 hatte nur die Folge, daß der Admiral Pontis im Hafen selbst eine Niederlage erlitt. Im Utrechter Frieden wurde hierauf durch Separatvertrag vom der Besitz G.s als Freihafen den Engländern bestätigt.
Seitdem that England alles, um Gibraltar
unüberwindlich zu machen. Mit der steigenden Bedeutung des Platzes stieg
jedoch wieder das Verlangen Spaniens, ihn in seinen Besitz zu bringen; daher begann eine neue
Belagerung, welche durch die Ankunft des engl. Admirals Wager mit 11 Kriegsschiffen ebenfalls einen unglücklichen Ausgang nahm.
Spanien mußte im Vertrage von Sevilla
[* 22] 1729 allen Ansprüchen entsagen, begann jedoch 1779 aufs neue, Gibraltar
zu Wasser und zu Lande
einzuschließen.
Der engl. Admiral Rodney führte aber der bedrohten Festung Verstärkung [* 23] und Munition zu, und die Besatzung machte unter Anführung des Generals Elliot und des Generals Roß einen siegreichen Ausfall nach der Landseite. Der Plan der Spanier (s. Arçon), durch schwimmende Batterien von der Seeseite aus die Festung zu erobern, scheiterte an Lord Elliots geschickten Gegenmaßregeln (Sept. 1782). Der Friede von Versailles [* 24] 1783 sicherte endlich den Engländern die Festung abermals. Seitdem wurde in allen engl.-span. und franz.-span.-engl. Kriegen nur von der Landseite eingeschlossen. –
Vgl. Gilbard, Gibraltar
(Gibr. 1882).