Gherardesca
,
berühmte toscan. Adelsfamilie
, besaß die
Grafschaften Gherardesca
, Donoratico und Montescudaio in den
Maremmen zwischen
Pisa
[* 2] und
Piombino und spielte eine bedeutende
Rolle in der Geschichte der italienischen
Freistaaten des
Mittelalters.
Im Anfang des 13. Jahrh. schlossen sich die
Grafen von an die
Republik
Pisa an, wo sie die
Sache des
Volkes
vertraten. Da sie im
Kampf der
Guelfen und
Ghibellinen auf seiten der letztern standen, wie denn zwei
Glieder
[* 3] der
Familie, die
Grafen Gherardo und
Galvano Donoratico Gherardesca
,
Konradin auf seinem Zug
nach
Neapel
[* 4] folgten und mit ihm auf dem
Blutgerüst
starben, so gerieten sie mit den
Visconti, den Häuptern der
Guelfen, in Streit, worüber ganz
Pisa in zwei
Parteien sich spaltete.
Um seiner Gegner
Herr zu werden, faßte
Ugolino Gherardesca
den
Plan, sich der unumschränkten
Gewalt über seine Vaterstadt
Pisa zu bemächtigen;
er ward jedoch, als der
Plan entdeckt wurde, ins Gefängnis gesetzt und sodann verbannt. Er vereinigte
sich nun mit den
Florentinern und Lucchesen, erfocht mehrere
Siege über die Pisaner und nötigte dadurch 1276 seine Landsleute,
ihn zurückzurufen.
Nun nahm er seine ehrgeizigen
Pläne wieder auf: in dem 1282 zwischen
Pisa und
Genua
[* 5] ausgebrochenen
Krieg
veranlaßte er absichtlich in der
Schlacht bei der
Insel Molara die Vernichtung der pisanischen
Flotte, damit das
bedrängte
Pisa, gegen welches sich nun auch viele feindliche
Städte erhoben, sich genötigt sehe, ihn an seine
Spitze zu stellen.
Längst mit den
Guelfen im Einverständnis, übernahm Gherardesca
nun die
Verhandlungen mit den Feinden, ließ sich
zum
Generalkapitän der
Republik ernennen und brachte wirklich den
Frieden zu stande.
Nur mit
Genua setzte
er den
Krieg fort, um die dort in Gefangenschaft befindlichen Pisaner nicht heimkehren zu lassen; zudem
wurden alle persönlichen Feinde Gherardescas
und alle
Häupter der
Ghibellinen aus der Stadt verbannt
und die
Häuser der erstern dem Erdboden gleich gemacht. Indessen riefen Gherardescas
Gewaltthaten endlich einen
Aufstand hervor,
an dessen
Spitze der
Erzbischof Ruggiero Ubaldini stand. Gherardesca
ward im Juli 1288 im Stadthaus belagert und nach hartnäckiger
Gegenwehr mit zweien seiner
Söhne, Gadda und Uguccione, und zweien seiner Enkel,
Nino, genannt le Brigata,
und Aurelio Nuncio, gefangen genommen. Ubaldini ließ sie sämtlich in dem
Turm
[* 6] von
Gualandi, seitdem
Torre di fame (Hungerturm)
genannt, den Hungertod erleiden. Dieses Ende Gherardescas
und der Seinigen schilderte zuerst
Dante in seiner
»Divina Commedia«
auf ergreifende
Weise; nach ihm haben
Gerstenberg in seinem dramatischen Gedicht
»Ugolino« und andre
¶
mehr
Dichter und darstellende Künstler dasselbe zum Gegenstand genommen. Den übriggebliebenen Söhnen und Enkeln Ugolinos gelang
es, bald wieder zu Glanz und Ansehen zu kommen, wie denn schon 1316 Gaddo und 1329 Rieri Donoratico Gherardesca
wieder an der Spitze der
Verwaltung in Pisa standen. Bonifazio Gherardesca
war Capitano von Pisa, als die Republik das Joch des berühmten Castruccio Castracani
und des Kaisers Ludwig des Bayern
[* 8] abwarf (1329), erwarb sich durch seine weise Verwaltung das Vertrauen seiner Mitbürger und
schloß einen ehrenvollen Frieden mit der guelfischen Ligue. Eine Verschwörung des Adels gegen die Freiheit der Bürger unterdrückte
er (1335). Er starb - Sein Sohn Rainerio, den die Pisaner zum Capitano ernannten, starb schon
1348, worauf die Familie ihre politische Bedeutung verlor. Mitglieder derselben leben noch in Florenz.
[* 9]