Gewölbe
,
[* 2] die nach irgend einer Bogenlinie aus keilförmigen
Steinen geformten konkaven
Decken über
den von
Mauern ganz oder teilweise geschlossenen Räumen. Durch ein Gewölbe
wird also ein Raum überdeckt, durch einen
Bogen
[* 3] (s. d.) dagegen eine Öffnung im
Mauerwerk. Betreffs der bei den Gewölbe
vorkommenden Grundbenennungen s. den
Artikel
Bogen.
Gewöhnlich benennt man die Gewölbe
nach ihrer allgemeinen Form und Bestimmung, obwohl man sie
im technischen
Sinne richtiger nach der geometr. Art ihrer
Flächen einteilt, z. B. in solche mit cylindrischen,
Kegel-,
Kugel-
u. a. Gewölbe
flächen. Im allgemeinen werden Gewölbe im Hochbau nur sehr selten aus
natürlichen
Steinen
(Bruchstein, Quadersandstein) ihrer
Schwere wegen ausgeführt.
Die letztern kommen nur bei Gurtbögen, Graten und Rippen der Kreuz- und
Sterngewölbe zur Anwendung,
während zur eigentlichen Wölbung nur leichtes Material, wie Ziegelsteine, durchlochte
Steine, poröse
Steine, rhein. Schwemmsteine,
leichte
Tuffsteine (Kölner
[* 4]
Dom), selbst auch Korksteine und topfartige und sonstige Hohlkörper aus gebranntem
Thon dienen.
Alle Gewölbe
können aber auch als Gußgewölbe
hergestellt werden, wie sie die alten
Römer
[* 5] schon ausgeführt
haben, während sie in neuerer Zeit häufig durch Holzverkleidung in ihrer Form nachgeahmt, oder als feuersichere
Decken mittels
Eisengerippe und Cementumhüllung nach dem
Moniersystem
[* 6] (s. d.) oder auch nach dem
Rabitz-Patent (s. d.) ausgeführt werden.
Sind die Gewölbe
aus Werkstein hergestellt,
so muß jeder einzelne
Stein die passende Form nach seiner
Lage
im G. besitzen, was man das Austragen der Wölbsteine nennt. Die Bestimmung ihrer Form und
Größe lehrt der
Steinschnitt.
In
Bezug auf die Gewölbeform
unterscheidet man folgende Hauptformen. Das
Tonnengewölbe (s. nachstehende
[* 1]
Fig. 1), historisch
das ältest bekannte, schon von den Ägyptern, Persern und
Römern in den kolossalsten Dimensionen, wie
bei den röm. Kloaken, ausgeführt, findet bei uns im Hochbau nur selten Anwendung der großen
Höhe wegen, die es erfordert; hauptsächlich nur bei Kellergewölben
in bruchsteinreichen Gegenden und in
Verbindung mit
Kreuzgewölben
oder
Kuppeln bei Durchfahrten,
Vestibülen,
Kirchen u.s.w. tritt es auf. Es besteht meist
aus einem halben Kreiscylinder mit wagerecht liegender oder bei gewölbten Treppenanlagen gerade ansteigender
Achse und Scheitellinie.
Als Profil tritt jedoch auch die Ellipse [* 7] oder der Korbbogen auf, während bei Wendeltreppen schraubenförmig steigende, auch ringförmige Tonnengewölbe vorkommen. Schiefe [* 8] Tonnengewölbe findet man meist nur bei sog. schiefen Brücken. [* 9] Da die Tonnengewölbe zu viel Höhe für Hochbauzwecke bedürfen, treten an ihre Stelle sehr häufig Gewölbe mit einem Segmentbogenprofil. Solche Gewölbe bezeichnet man als Kappengewölbe oder Preußische Kappen [* 1] (Fig. 2). Sie können zwischen Gurtbögen oder I-Träger gespannt werden und dienen hauptsächlich zur Überdeckung von Kellerräumen, Korridoren in einfachen Gebäuden, Registraturen und Kassenräumen (Tresor).
Sie werden meist in Ziegelstein ausgeführt, höchst selten in Bruchstein oder Werkstein. Hierher gehören auch die sog. Stichkappen, welche zur Lichtgebung bei Kellerfenstern angeordnet worden müssen, wenn sich ein Tonnen- oder Kappengewölbe gegen die Fensterwand spannt. Man unterscheidet cylindrische Stichkappen mit wagerechter [* 1] (Fig. 1a), steigender [* 1] (Fig. 1b) bez. fallender Scheitellinie sowie kegel- und kugelförmige. Denkt man sich ein Tonnengewölbe durch zwei diagonal geführte senkrechte Schnitte in vier Teile zerlegt und vier solche Teile zusammengesetzt, welche die Tonnenwölbung enthalten, so entsteht das Klostergewölbe [* 1] (Fig. 3), bei welchem die Schnitte der einzelnen Tonnengewölbeteile als Kehllinien bezeichnet werden.
[* 1] Figur 3: Das Profil dieser Tonnengewölbe kann
flach, rundbogig, elliptisch, spitzbogig u. s. w. sein. Während die beiden ersten Gewölbearten nur über rechteckigen Räumen angeordnet werden können, lassen sich Klostergewölbe über jede beliebige Grundrißform spannen. Vereinigt man ein Tonnengewölbe mit einem Klostergewölbe, so entstehen das Muldengewölbe, das scheitrechte und das Spiegelgewölbe. Dieselben werden stets über rechteckig länglichen oder auch trapezförmigen Grundrissen angeordnet. Das erstere ¶
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wird angewendet bei Kasemattenbauten unter Erdschüttungen und setzt sich aus einem Tonnengewölbe und einem Klostergewölbe zusammen, derart, daß die beiden Schmalseiten des Raums durch zwei Klosterkappen geschlossen werden [* 10] (Fig. 4).
Das scheitrechte Gewölbe, gewöhnlich ein ganz flaches Klostergewölbe mit 1/36 der Spannweite als Pfeilhöhe, kommt in der Ausführung nie allein vor, sondern stets in Verbindung mit einem Klostergewölbe, wodurch das Spiegelgewölbe [* 10] (Fig. 5) entsteht, dessen mittlerer oberer Teil, der Spiegel, [* 11] durch ein scheitrechtes Gewölbe geschlossen wird, während der untere Teil mit einem rings umlaufenden halben Klostergewölbe, der sog. Hohlkehle oder Voute besteht, welche häufig von Stichkappen durchdrungen wird.
Der Spiegel ist oft durch eine Oberlichkonstruktion ersetzt. Die Spiegelgewölbe werden meist in Vestibülen, Treppenhäusern öffentlicher Gebäude und bei Saalbauten angewendet. Während allen diesen Gewölbearten ein Halbcylinder zu Grunde gelegt wurde, sind die folgenden Gewölbe von der Kugel abzuleiten. Das Kuppelgewölbe mit seinen Abarten, dem Kugelgewölbe (Hängekuppel) und der Flachkuppel, ist im Artikel «Kuppel» beschrieben. Geht der größte Kugelkreis über die Ecken des zu überdeckenden Raums hinaus, so erhält man das Böhmische Gewölbe oder die Böhmischc Kappe [* 10] (Fig. 6), deren Stirnbögen nicht mehr wie beim Kuppelgewölbe Halbkreise sind, sondern Segmentbögen.
Auch sie können über jeder beliebigen Grundrißform angeordnet werden. Böhmische Gewölbe heißen aber auch diejenigen, denen ein beliebiger Rotationskörper wie ein Ellipsoid, [* 12] Paraboloid und eirunde Form bei Treppenanlagen zu Grunde gelegt wird. Flache Böhmische in Österreich [* 13] auch Platzel genannt, entstehen durch die Bewegung einer flachen Ellipse um ihre vertikale Achse, oder eines Segmentbogens über einen solchen, dessen Achse senkreckt zu der des ersten steht. Durch die Durchdringung zweier Tonnengewölbe entstebt das Kreuzgewölbe [* 10] (Fig. 7), bei welchem die Widerlager in den Ecken des Raums liegen und die deshalb häufig durch Strebepfeiler und Strebebögen verstärkt werden müssen.
Sie bestehen aus vier Kappenstücken, welchen als Profil der Halbkreis, Ellipse, Korbbogen, Spitzbogen und Segmentbogen zu Grunde gelegt werden kann. Auch das Kreuzgewölbe kann über jeder beliebigen Grundrißform angeordnet werden. Die durch die Durchdringung der Gewölbe entstehenden und in der Gewölbeleibung vortretenden Kurven heißen Grate. Nimmt man als Profil der sich durchdringenden Kappen den Segmentbogen, so entsteht das flache Kreuzgewölbe oder das Kreuzkappengewölbe. Bildet man die Grate durch besondere Gratbogen, welche entweder ohne Verband [* 14] mit dem Gewölbe unter demselben sitzen [* 10] (Fig. 8) oder gegen welche sich als Widerlager die einzelnen Kappen spannen [* 10] (Fig. 9), so erhält man das Rippengewölbe, bei welchem an den Stirnseiten des Gewölbe häufig eine Wiederholung der Kreuzrippen stattfindet, um dem ein reicheres Aussehen zu geben.
Diese Rippen heißen alsdann Schildbogenrippen, welche an den Pfeilern heruntergeführt die sog. Bündelpfeiler (s. d.) ergeben. Auch endigen sie in den Ecken auf Kragsteinen, Kämpfersteinen oder Konsolen [* 10] (Fig. 10).
Figur 10:
Sind die Kappen eines Kreuzgewölbes zwischen den Diagonal- und Stirnbogenrippen noch durch andere Rippen geteilt, die mit jenen sternförmige [* 10] Figuren bilden, so bezeichnet man solche Gewölbe als Sterngewölbe, Netzgewölbe, Gotische Gewölbe, bei welchen die Rippen als selbständige Traggerüste auftreten, zwischen welche sich die Kappen spannen, während beim Netzgewölbe die Rippen sich von den Pfeilern oder Stützpunkten der Wände aus über die ganze Wölbfläche verzweigen, wodurch der Charakter des Kreuzgewölbes ganz verloren geht, indem die Einteilung der einzelnen Joche aufhört. Die Rippen, die reich profiliert sein können, haben verschiedene Bezeichnungen. Man unterscheidet Gurtrippen, Kreuzrippen, Schildbogenrippen, Scheitelrippen, Nebenrippen oder Liernen. Bei komplizierten Netzgewölben fallen diese Bezeichnungen weg, und es gilt für alle Rippen der Name Reihungen (s. nachstehende [* 10] Fig. 11).
Figur 11:
Die Werksteine, in welchen sich solche Rippen kreuzen oder endigen, heißen Knaufe oder Schlußsteine; dieselben werden (bei Kirchen) häufig cylindrisch hohl konstruiert mit einem so großen Durchmesser der lichten Öffnung, daß die Glocken durch letztere hindurch aufgezogen werden können. Eine besondere Art der Sterngewölbe bildet das hängende Gewölbe, welches, der Spätgotik angehörend, häufig in England, selten in Deutschland [* 15] (Stephanskirche in Mainz) [* 16] und ¶
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Frankreich auftritt. Bei demselben bildet den Schlußstein eine steinerne Hängesäule, welche von Gurtbögen getragen wird, die ihrerseits sich über dem Gewölbe befinden. Die Hängesäule endigt in einem schwebenden Knauf [* 18] (Fig. 12, Kathedrale von Albi).
Als eine besondere Gewölbeform, welcher auch ein Umdrehungskörper zu Grunde gelegt ist, tritt das Fächer-, Trichter-, Normännische oder Angelsächsische Gewölbe auf, welches man sich entstanden denken kann durch die Drehung eines Kreises (Spitzbogens, Ellipse, Korbbogens, Tudorbogens) um seine vertikale Achse. Auch diese Gewölbe können hängend konstruiert werden.
Litteratur. Breymann, Allgemeine Baukonstruktionslehre, Bd. 1: Konstruktionen in Stein (5. Aufl., Lpz. 1880);
Gottgetreu, Lehrbuch der Hochbaukonstruktionen, Bd. 1: Maurer- und Steinmetzarbeiten (Berl. 1880);
Baukunde des Architekten, Bd. 1: Der Aufbau (2. Aufl., ebd. 1890–91);
Schmölcke, Die Konstruktionen des Hochbaus, Teil 1: Das Gewölbe (Holzminden 1879);
Ungewitter, Lehrbuch der got. Konstruktionen (3. Aufl., Lpz. 1890–92);
Menzel und Franke, Der Bau der Gewölbe (2. Aufl., ebd. 1875);
Ortmann, Die Statik der Gewölbe (Halle [* 19] 1876);
Ringleb, Lehrbuch des Steinschnitts u. s. w. (2. Aufl., Stuttg. 1883);
Schreiber, Tabellen zum Auftragen der Gewölbestützlinien nach Ordinaten (Straßb. 1884);
Wehrle, Steinschnitt (Zür. 1880).