Gewissen
,
subjektiv die Fähigkeit, sittliche
Urteile über sich selbst, sein eignes
Wollen und folglich seinen eignen
sittlichen Wert zu fällen; objektiv der Inbegriff derselben (der sittliche
Geschmack). Das sittliche
Urteil ist eine Art des
ästhetischen, von dem es sich nur dadurch unterscheidet, daß sein
Objekt menschliches
Wollen, nicht, wie bei diesem,
Maße,
Formen,
Farben,
Töne oder poetische
Gedanken sind. Demselben kommt ebenso wie diesem Evidenz und Allgemeingültigkeit
unter der
Annahme zu, daß es »interesselos«, d. h.
nach
Kant »mit Vermeidung aller Privatgefühle«, gefällt sei. Da nun im
G. der
Mensch Gegenstand seiner eignen Beurteilung, folglich die stärkste Veranlassung zu »Privatgefühlen«
gegeben ist, so folgt, daß, wenn er trotzdem einen tadelnden
Ausspruch fällt, er durch sein Gewissen
eine
unwiderstehliche
Nötigung erfahren haben muß.
Darin liegt der
Grund, weshalb die
Aussprüche des Gewissens
als untrüglich angesehen werden. Zu bemerken ist aber, daß dieselben
nichts andres als eine Wertbeurteilung des
Wollens enthalten, folglich niemals dazu verwendet werden können,
das
Sein irgend eines übersinnlichen (oder sinnlichen)
Objekts zu beweisen, wie nicht selten daraus versucht worden ist. Die
Bildung des Gewissens
geht auf dieselbe
Weise wie jene des
Geschmacks vor sich, indem man vor allem durch Vermeidung subjektiver
Erregungen und Enthaltung von Privatgefühlen interesselose moralische
Urteile zu gewinnen sucht.
Die
Einteilung des Gewissens
geht bald von dem
Inhalt, bald von der
Erregbarkeit und
Stärke
[* 2] seiner
Urteile
aus; in ersterer Hinsicht wird das gute (lobende) vom bösen (tadelnden) in dieser das zarte, leicht erregbare vom schlafenden
oder verhärteten, das lebhafte vom spröden unterschieden.
Vgl.
Gaß, Die
Lehre
[* 3] vom Gewissen
(Berl. 1868);
Kähler,
Das Gewissen
, ethische Untersuchungen
(Halle
[* 4] 1877, Bd. 1);
Rée, Die Entstehung des Gewissens
(Berl. 1885).