Gewere
(Gewehre,
Gewäre, Gewähre
,
Were, Warandia, v. althochd. Werjan, »bekleiden«),
in der ältern deutschen Rechtssprache der
Schutz, welchen der
Richter jemand in Beziehung auf
Sachen gewährte,
oder das von dem
Richter geschützte Besitzverhältnis einer
Person zu einer
Sache. In Bezug auf den
Richter, welcher den
Schutz
gewährte, unterschied man besonders zwei
Arten der Gewere
, die Gewere nach
Volksrecht, d. h. diejenige, welche in den Volksgerichten,
und die Gewere
nach
Hof- oder
Lehnrecht, d. h. diejenige, welche in den
Hof- oder Lehnsgerichten geschützt
wurde.
Letztere nannte man auch die unvollkommene Gewere
, weil sie in den Volksgerichten nicht geschützt wurde. In einem
weitern
Sinn bezeichnete Gewere
jedes dingliche
Recht an einer
Sache sowie auch oft nur die Unmittelbarkeit des richterlichen
Schutzes
für das
Verhältnis einer
Person zu einer
Sache. Es wird diese Verschiedenheit der Bedeutung in den ältern
Rechtsquellen häufig durch bestimmte
Beiwörter hervorgehoben. So wird unterschieden die ledigliche, hebende, gemeine Gewere
, worunter
man den bloßen
Besitz versteht, von der echten, eigentlichen, vollkommenen oder Eigensgewere
, rechten Gewere, unter welcher das
Eigentum oder das vollkommenste dingliche
Recht begriffen wird.
Unter der raublichen Gewere
,
deren
Gegensatz die unbescholtene Gewere
bildete, verstand man diejenige, welche sich auf kein
Recht stützte
und daher auch von dem
Richter nicht geschützt wurde. Die außer dem
Eigentum vorkommenden Gewerrechte wurden z. B. durch
folgende
Formeln unterschieden: Nutz und Gewere
, Gewere des
Erben, Gewere
zu
Leibgedinge, Gewere
zu rechter
Vormundschaft,
unter welch letzterer insbesondere das persönliche
Recht des Ehemanns an dem
Vermögen seiner Ehefrau verstanden wurde.
Die rechte Gewere
bezog sich auf die gerichtliche
Auflassung und wurde nach erfolgter
Investitur durch einen Jahr und
Tag fortgesetzten
Besitz erworben. Sie hatte die besondere
Wirkung, daß sie denjenigen, welcher gehörig investiert worden
war, gegen die Ansprüche dritter
Personen auf die
Sache sicherstellte und also ein Erlöschen der
Klagen derselben herbeiführte.
Mit dem Eindringen des römischen
Rechts in
Deutschland
[* 2] ist das deutschrechtliche
Institut der Gewere
verschwunden.
Vgl.
Albrecht,
Die Gewere
als Grundlage des ältern deutschen
Sachenrechts (Königsb. 1828);
Heusler, Die Gewere
(Weim. 1837).