Gewerbeschulen
,
Unterrichtsanstalten, in denen die Vorkenntnisse und die Grundlagen der Fachkenntnisse
für das höhere
Handwerk und die technische
Industrie gelehrt werden. Demgemäß wechselt die Bezeichnung mit andern ähnlichen,
wie
Industrieschulen, technische
Fachschulen etc., und da die Vorbildung für die mittlere und höhere Gewerbthätigkeit
auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist die
Organisation derartiger Anstalten eine sehr mannigfaltige. In
Preußen
[* 2] beginnt die Geschichte der Gewerbeschulen
mit P.
Ch. W.
Beuth (s. d.), der, damals vortragender
Rat für
Gewerbe im
Finanzministerium, 1820 zur
Gründung des königlichen technischen
Instituts zu
Berlin,
[* 3] eröffnet seit 1827
Gewerbeinstitut, seit 1866 Gewerbeakademie,
seit 1879 mit der
Bauakademie zur technischen
Hochschule vereinigt, anregte.
Die Unterklasse des
Instituts, die anfangs nur gute Volksschulbildung voraussetzte, wurde auch als Gewerbeschule
bezeichnet und ihr entsprechend eine Anzahl (bis 1852 deren 21) Provinzialgewerbeschulen
eingerichtet. Seit der Umgestaltung
des
Gewerbeinstituts zu einer polytechnischen
Hochschule (1850) hatten die Provinzialgewerbeschulen
zugleich für den Besuch
einer halbakademischen Anstalt und für den mittlern Gewerbestand vorzubilden. Dabei schreckte diesen
das Übergewicht des theoretischen
Unterrichts zurück, und an jener konnten doch die Zöglinge der Gewerbeschulen
nur schwer gegen die
der Gymnasien und
Realschulen aufkommen.
Dem abzuhelfen, erhielten die Gewerbeschulen
1870 drei aufsteigende Jahresklassen. In die unterste wurden junge Leute
mit der
Reife für
Sekunda der Gymnasien oder
Realschulen erster
Ordnung aufgenommen. Den beiden untern
Klassen
war mehr der allgemeine
Unterricht
(Mathematik,
Deutsch,
Französisch,
Englisch, Geschichte,
Geographie) zugewiesen, der Oberklasse
der eigentlich technische. Diese gliederte sich in die parallelen Abteilungen A (Vorbereitung für die Gewerbeakademie),
B
(Baugewerbe), C (Maschinenwesen), D
(Chemie). Die Gewerbeschulen
, welche diesen
Aufbau annahmen, erhielten den
Charakter
»königlicher Gewerbesch
ulen«. Um dem Übelstand der sehr ungleichen
Vorbildung der
Schüler abzuhelfen, gründeten die
Städte, welche die eigentlichen Gewerbeschulen
mit dem
Staat zu gleichen Teilen unterhielten,
meistens sogen. Vorschulen, d. h. realistische, die
Stufen von
Sexta bis
Tertia einschließlich umfassende
¶
mehr
Schulen. Von dieser Gestaltung der Gewerbeschulen
war nur noch ein Schritt zu dem völligen Übergang der in den Kreis
[* 5] der allgemeinen
höhern Bildungsanstalten realistischer Richtung. Er geschah unter gleichzeitigem Übergang des gesamten gewerblichen Schulwesens
vom Handelsministerium auf das Kultusministerium am (Erlaß des Handelsministeriums vom
Die Gewerbeschulen
mit den Vorschulen, und abgesehen von den Fachklassen B, C, D, wurden Realschulen erster Ordnung ohne Latein, als welche
sie 1882 die Bezeichnung Oberrealschulen (s. d.) annahmen.
Von dem ursprünglichen Kern der Gewerbeschulen
blieben nur an einigen dieser Anstalten sogen. technische
Fachklassen übrig, die sich mit zwei Jahresstufen an die durchlaufene Untersekunda der Oberrealschulen
(Berechtigung zum einjährigen Dienst) anschließen. Sie bilden nicht mehr Bautechniker vor, wofür die Baugewerkschulen (s. d.)
eintraten, sondern je nach örtlichem Bedürfnis Maschinentechniker, Chemiker, Hüttenleute. Doch hat sich nur an wenigen
Anstalten ein regerer Besuch dieser Klassen eingestellt. Im außerpreußischen Deutschland
[* 6] versteht man unter Gewerbeschulen
meist
gewerbliche Fortbildungsschulen (s. d.). Doch hat das Königreich Sachsen
[* 7] eine höhere Gewerbeschule in Chemnitz,
[* 8] die zum Eintritt
Reife für Obersekunda eines Realgymnasiums oder einer Oberrealschule (s. oben) voraussetzt und parallel nebeneinander in drei
aufsteigenden Klassen (1, 1 und 1½ Jahre) Maschinentechniker und Chemotechniker ausbildet. Sonst gibt es in Sachsen wie
in Württemberg,
[* 9] Baden,
[* 10] Hessen
[* 11] nur Real- und höhere Bürgerschulen einer-, Werkmeister- oder Fachschulen anderseits. In Bayern
[* 12] entsprechen den frühern preußischen Gewerbeschulen
mit ihrer doppelten Aufgabe, höhere Techniker für die Hochschule und mittlere unmittelbar
fürs praktische Leben vorzubilden, die vier Industrieschulen zu München,
[* 13] Augsburg,
[* 14] Kaiserslautern,
[* 15] Nürnberg.
[* 16] - In Österreich
[* 17] zerfallen die höhern Gewerbeschulen
nach dem Lehrplan vom in drei einjährige Klassenkurse der Länge und
in drei Abteilungen (maschinentechnische, bautechnische, chemische) der Breite
[* 18] nach.
Mit vier Gewerbeschulen
sind seit 1878 Vorklassen verbunden, in welche die Schüler nach durchlaufener Volksschule eintreten.
Vgl. »Das technische Unterrichtswesen in Preußen« (amtlich, Berl. 1879);
Gallenkamp, Art. in Schmids »Encyklopädie des Unterrichtswesens«; die Denkschriften des preußischen Unterrichtsministeriums von 1881 und 1883; Grothe, Technische Fachschulen (Berl. 1882);
»Zeitschrift für gewerblichen Unterricht in Preußen« (das. 1886 ff.);
»Zentralblatt für das gewerbliche Unterrichtswesen in Österreich« (offiziell, Wien). [* 19]