Gewandung
(Draperie,
Faltenwurf), in der bildenden
Kunst die
Anordnung der Gewänder, mit welchen menschliche
Figuren bekleidet
sind. Ein wohl angelegtes, durchdachtes und schönes Gewand, welches eine
[* 1]
Figur oder
Gruppe nach
Charakter, Form und
Kolorit
harmonisch vorteilhaft drapiert, ist eine der schwierigsten Aufgaben der bildenden
Kunst. Es kommt dabei
auf möglichst edle und einfache Behandlungs- und Auffassungsweise und vor allem darauf an, daß die Gewandung
Form
und
Bewegung des
Körpers auf ungezwungene
Weise erkennen lasse, weshalb
Winckelmann das Gewand treffend das
»Echo des
Körpers«
nannte.
Die Modelldraperie darf nicht über einen sogen. Gliedermann, sondern muß über ein lebendes Modell geworfen und dann in der Weise zum Studium benutzt werden, daß man das Modell, z. B. bei einer Toga [* 3] od. dgl., vorher erst mehrere andre als die gerade gewünschte Bewegung machen und hierauf erst plötzlich die eben nötige Stellung annehmen läßt, wodurch es allein möglich wird, Leben und Bewegung in dieselbe zu bringen. Man läßt dieses Manöver so oft wiederholen, bis man wirklich schöne Motive findet.
Die griechisch-römische Kunst (z. B. Menelaos [* 4] für die schöne Gruppe in Villa Ludovisi) verwendete auch nasse, über lebende Modelle geworfene Leinwand zum Muster (sogen. Wassergewänder), damit die Falten in der einmal gewählten Anordnung verblieben. Sehr schwierig ist es, in der Plastik die einzelnen Stoffe, Tuch, Samt, Leder, Seide, [* 5] Leinwand, entsprechend wiederzugeben. Doch hat die moderne italienische Plastik auch diese Schwierigkeiten überwunden, wobei sie freilich ins Kleinliche und Naturalistische verfallen ist.
Schwere, starre Stoffe, wie Goldbrokat etc., lassen zu wenig die Motive des Körpers erkennen und sind daher für die Plastik schwierig zu behandeln. Die ältesten griechischen Skulpturen zeigen zahlreiche enge, einander parallel laufende Falten, die in zickzackförmig gefältelte Säume auslaufen, so die Athene [* 6] des Äginetengiebels in der Münchener Glyptothek, welche aus der Zeit um 475 v. Chr. herrührt. Zur höchsten Schönheit ausgebildet erscheint die an den Skulpturen aus der Blütezeit der griechischen Kunst, namentlich an den Giebelfiguren des Parthenon.
In der folgenden Zeit wird das Durchscheinen des
Körpers durch die Gewandung
immer geflissentlicher betont. Doch erzeugt
noch eine jüngere
Periode Meisterwerke, wie die
Statue des
Sophokles im lateranischen
Museum zu
Rom,
[* 7] und selbst an den Porträtfiguren
der römischen Zeit erkennt man noch die
Traditionen der großen Vergangenheit. Auch die
Byzantiner knüpften an die antiken
Prinzipien an, wurden aber in steigendem
Maß durch die langen, durchlaufenden Falten und die Schneckenwindungen starr und
schematisch. Im
Abendland fanden die
Byzantiner nur teilweise
Nachahmung; zumeist war hier in den frühern
Jahrhunderten eine ganz barbarische Faltenbildung
Regel.
Giotto namentlich wandte sich von Byzanz ab, und er zuerst verlieh
seinen
Figuren eine großartig-einfache Gewandbildung, die das Erbteil der italienischen
Kunst blieb und von
Meistern wie
Michelangelo,
Leonardo und
Raffael zu idealer Vollkommenheit ausgebildet wurde.
Correggio behauptete nicht die gleiche Höhe, und die Italiener des 17. und 18. Jahrh., die vorwiegend auf seinen Schultern standen, vermochten noch weniger die Reinheit jener Meister zu bewahren. In Deutschland [* 8] anderseits wurde mit dem gotischen Stil ein eigentümlicher Faltenwurf vorherrschend, wobei die in weichen Linien herabfällt, bis unter dem Einfluß der Bildhauerei, nach der sich die ältesten Niederländer, die van Eyck und ihre Schüler, richteten, hauptsächlich die eckigen Falten beliebt wurden, die Schongauer u. a. noch mehr übertrieben, was zu der eigentümlich zerknitterten Dürerschen Draperie den Anstoß gab.
Letztere drang in alle
Zweige der
Kunst, der
Malerei, des Kupferstichs, der
Plastik etc., ein.
Rubens' breit und
kühn geworfene Gewänder schließen sich wieder an die klassischen
Italiener an, während die holländische
Kunst zumeist
ohne jede Idealisierung die
Natur zum Vorbild nahm. Die neuere Zeit hat noch keineswegs die
Meister des 16. Jahrh. erreicht;
der
Faltenwurf bei
Overbeck,
Cornelius,
Schwanthaler u. a. ist teils zu streng, teils auch zu oberflächlich.
Vortreffliches leisteten
Rauch,
Rietschel,
Hähnel,
Schilling und
Schaper. Wie alle Ausdrucksmittel und Erscheinungsformen der
bildenden
Künste, ist auch die Gewandung
dem
Geschmack und der Stilrichtung der verschiedenen Kunstepochen unterworfen u. daher je
nach der
Stellung des Künstlers idealistisch oder naturalistisch.