Gewährsmängel
(Gewährschaftsmängel, Gewährsfehler, Hauptmängel, Hauptfehler, gesetzliche Fehler, Wandlungsfehler, Vitia redhibitoria), diejenigen in den Landesgesetzen genannten Gebrechen der Tiere, welche den Käufer eines Haustiers zur Aufhebung des Handels und zur Zurückforderung des Kaufgeldes berechtigen, wenn sie binnen einer bestimmten Zeit nach dem Kauf entdeckt und erwiesen werden. Der Verkäufer ist also dem Käufer zur Gewährleistung für diese Fehler gesetzlich verpflichtet, wenngleich beim Abschluß des Kaufkontrakts hierüber nichts verabredet ist.
Die Zeit, während welcher diese Verpflichtung des Verkäufers besteht, heißt die Gewährs- oder Handlungszeit. Nach dem gemeinen Recht, welches zur Zeit noch uneingeschränkte Anwendung im Regierungsbezirk Stralsund, [* 2] in Mecklenburg, [* 3] Oldenburg, [* 4] Sachsen-Weimar, Schleswig-Holstein [* 5] und Hannover [* 6] findet, leistet der Verkäufer (Geber) beim Kauf und Tausch der Tiere eine Gewähr für alle Fehler, welche 1) den ordentlichen Gebrauch oder den Wert der Tiere erheblich verringern, 2) nicht augenfällig, d. h. bei Anwendung der üblichen Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht erkennbar, sind und 3) zur Zeit des Vertragsabschlusses vorhanden oder doch in der Entwickelung begriffen waren. Dieselben Vorschriften haben auch im preußischen allgemeinen Landrecht, im österreichischen Gesetzbuch und im rheinischen Recht (Code civil) Ausdruck gefunden. Für den Geltungsbereich des preußischen allgemeinen Landrechts, des österreichischen Gesetzes, für Waldeck [* 7] und ¶
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Hessen-Homburg besteht neben der gemeinrechtlichen Haftpflicht die Anordnung, daß, wenn einzelne erhebliche Fehler (Hauptmängel) sich innerhalb der gesetzlich festgestellten Fristen hervorthun, bis zum Beweis des Gegenteils angenommen werden soll, daß diese Fehler schon vor der Übergabe bestanden haben. Die in den letzten 30 Jahren erlassenen Währschaftsgesetze für das Großherzogtum Hessen, [* 9] für Kurhessen, Nassau, Frankfurt [* 10] a. M., Königreich Sachsen, [* 11] Bayern, [* 12] Württemberg [* 13] und Baden [* 14] sowie das in Elsaß-Lothringen [* 15] geltende französische Gesetz von 1838 beschränken die kraft des Gesetzes zu leistende Gewähr auf die Hauptmängel, für die besondere, aber in den einzelnen Gesetzen verschieden bemessene Gewährszeiten festgestellt sind.
Die österreichischen, preußischen, königlich sächsischen, großherzoglich hessischen und waldeckischen Gesetzbestimmungen vermuten für alle Krankheiten und Fehler der Tiere, die innerhalb 24 Stunden nach der Übergabe hervortreten und zum Tod führen, daß sie schon vorher bestanden haben. Die Verjährungszeit beträgt nach dem gemeinen Recht sechs Monate nach dem Kauf, nach preußischem Landrecht drei, resp. sechs Monate, nach rheinischem Recht 42 Tage nach der Übergabe.
In den süddeutschen Gesetzen richtet sich die Verjährung nach der Gewährszeit der Hauptmängel. Die letztgedachten Gesetze gestatten, mit Ausnahme der an Schlachttieren gefundenen Mängel, nur die Klage auf Aufhebung des Vertrags, während in den norddeutschen Staaten und Österreich [* 16] der Käufer zwischen der Wandlungs- und Minderwertsklage die Wahl hat. Streitigkeiten über Viehmängel gehören nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz (§ 23) stets vor die Amtsgerichte. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht der wichtigsten Bestimmungen hinsichtlich der Gewährs- oder Handlungszeit (in Tagen) bei den verschiedenen Tieren und Krankheiten:
Staaten | Pferde +) | Rindvieh | Schafe | Schweine | ||||||||||||||||
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Schwarzer Star | Rotz | Wurm | Dämpfigkeit | Dummkoller | Fallende Sucht | Periodische Augenentzündung | Räude | Koppen | Stätigkeit | Perlsucht | Gebärmutter- und Scheidenvorfall n | Lungenschwindsucht bzw. Lungensucht | Fallende Sucht | Lungenseuche | Räude | Räude | Fäule (Anbruch) | Pocken | Finnen | |
1) Baden | 8 | 14 | 14 | 14 | 21 | 28 | 40 | - | 8 i | - | 28 | 8 | 14 | 28 | - | - | 14 | 14 | - | 28 |
2) Bayern | 8 | 14 | 14 | 14 h | 21 | 40 | 40 | - | 8 | - | 28 | 14 | 14 | 40 | 40 | - | 14 | 14 | - | 8 |
3) Elsaß-Lothringen | - | 9 | 9 | 9 | 9 | 30 | 30 | - | 9 m | - | - | 9 | 9 | 9 | - | - | - | - | 9 | - |
4) Hessen | 8 | 14 | 14 | 14 b | 28 | 28 | 28 | - | 8 d | 14 | 28 | 8 | 14 e | 28 | - | - | - | 28 k | 8 | 8 |
5) Preußen: Gebiet des Landrechts | 28 | 14 | - | 28 | 28 | - | 28 | 14 | - | 4 | 8 | - | - | - | - | - | - | - | 8 | 8 |
6) " Prov. Hannover, Lüneburg | - | 90 | - | 90 | 90 | - | 90 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
7) " " " Hildesheim | - | 84 | - | 84 | 84 | - | 84 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
8) " ehem. Kurfürstent. Hessen | 8 | 14 a | 14 | 14 b | 21 c | 28 | 42 | - | 8 d | 5 | 28 | 8 | 14 e | 28 | 42 | - | 14 | 42 | 8 | 28 |
9) " " Herzogtum Nassau | - | 29 | - | 29 | 29 g | 29 | - | - | - | - | - | - | - | 29 | - | - | 29 o | - | - | - |
10) Königreich Sachsen | 15 | 15 a | 15 | 15 b | 15 | - | 50 | 15 | - | 5 | 50 | - | 30 f | - | 30 | 15 | 15 | 30 l | 10 | 30 |
11) Württemberg | 8 | 14 | 14 | 14 | 21 | 28 | 40 | - | 8 i | - | 28 | 8 | 14 | 28 | - | - | 14 | 14 | - | 28 |
12) Österreich | 30 | 15 a | 30 | 15 | 30 | - | 30 | - | - | 30 | 30 | - | - | - | - | - | 8 | 60 | 8 | 8 |
Anmerkungen. Zu 2) Außerdem bösartige Klauenseuche der Schafe [* 17] 14 Tage. - 3) Auch ist Gewähr zu leisten auf 9 Tage bei Pferden für veraltete Brustleiden, veralteten Pfeiferdampf, intermittierenden Leistenbruch, für periodisches Hinken, von veralteten Krankheiten herrührend; beim Rindvieh für die Folgen nicht abgegangener Nachgeburt. Milzbrand bedingt nur Rückgabe, wenn der Verlust innerhalb der Gewährszeit erwiesen ist, den 15. Teil der gekauften Tiere beträgt und die Herde das Zeichen des Verkäufers an sich trägt. Dies Zeichen ist auch für die Gewähr bei Pocken erforderlich, wenn infolge der Erkrankung eines Tiers die ganze Herde zurückgegeben werden soll. - 9) Ferner bei Rindvieh: a) Darmfäule, Durchfall, Dünnmeister, b) Spritzer, Säbler, c) Umgänger, 29 Tage. Bei Schafen: Umgänger, Wasserkopf, Seitenfaller, 14 Tage. - 10) Außerdem bei Schweinen: Lungentuberkeln und Lungenkrankheit, 30 Tage. - +) In Bayern, Elsaß-Lothringen, Sachsen auch bei Eseln und Maultieren, in Österreich bei Pferden und Lasttieren.
a Auch verdächtige Druse;
b auch pfeifender Dampf; [* 18]
c stiller und rasender Koller;
d Koppen irgend welcher Art;
e tuberkulöse Lungenschwindsucht;
f Lungen- und Lebertuberkeln oder Lungen- und Leberfäule;
g Koller jeder Art;
h gleichviel, ob die Dämpfigkeit in oder außer der Brusthöhle oder im Herzen ihren Sitz hat;
i ohne Abnutzung der Zähne; [* 19]
k Egelwürmerseuche;
l Lungen- und Egelwürmerkrankheit;
m Luftkoppen;
n sofern der Vorfall nicht unmittelbar nach einem Gebären vorkommt, bez. nach dem letzten beim Verkäufer erfolgten Gebären;
o an Orten, wo Rindvieh gehalten wird.
Redhibitionsklagen werden nach gemeinem Recht entschieden, d. h. Kläger muß beweisen, daß der angeklagte Fehler schon zur Zeit des Kaufs vorhanden gewesen ist: in Mecklenburg, Oldenburg, Schleswig-Holstein, Regierungsbezirk Stralsund, den rechtsrheinischen Kreisen der Rheinprovinz [* 20] und denjenigen Teilen von Hannover und Hessen-Nassau, [* 21] für welche keine besondern gesetzlichen Bestimmungen erlassen sind. In der preußischen Rheinprovinz werden Redhibitionsklagen entschieden nach dem Code Napoléon und nach den Zusatzbestimmungen vom
Garantie für alle Krankheiten, welche sich in den ersten 24 Stunden nach der Übergabe zeigen, hat der Verkäufer zu leisten im Gebiet des preußischen Landrechts, Hessen, Sachsen, Österreich. - Die Gewährsfristen beginnen mit dem Tag nach der Übergabe in der preußischen Rheinprovinz, in Baden, Bayern, Elsaß-Lothringen, Hessen und im ehemaligen Kurfürstentum Hessen.