Geusen
,
Name einer Verbindung niederländischer Edelleute und andrer mit der spanischen Herrschaft Mißvergnügten unter Philipp II. Als auf Befehl des letztern die Inquisition auch in den Niederlanden eingeführt werden sollte, wurde bei einer Zusammenkunft einer Anzahl damit unzufriedener Edelleute im Kuylenburgschen Haus zu Brüssel [* 2] im November 1565 von Philipp von Marnix, Herrn v. Sainte-Aldegonde, die unter dem Namen Kompromiß bekannte Bundesschrift verfaßt, worin man gegen die beabsichtigte Einführung der Inquisition Protest erhob; dieselbe wurde von vielen angesehenen Männern aus dem Adel und dem Bürgerstand unterschrieben und in diesem Sinn eine Bittschrift der Statthalterin, Margarete von Parma, [* 3] von über 400 Edelleuten, unter Anführung der Grafen Heinrich von Brederode und Ludwig von Nassau, in ihrem Palast zu Brüssel feierlich übergeben.
Der
Bescheid der Staathalterin ^[richtig: Statthalterin] war nicht ablehnend, und als die Edelleute 8. April ihren
Sieg mit einem
Gelage feierten, hinterbrachte einer der
Gäste, als die Statthalterin beim Anblick der mächtigen verbündeten
Schar in
Bestürzung geraten, habe ihr der
Präsident des Finanzrats,
Graf Barlaimont, um sie zu ermutigen, zugeflüstert:
»Ce
n'est qu'un tas de gueux!« (»Das ist nur ein
Haufe Bettler«). Da schlug der
Graf
Brederode dieser Äußerung zum Trotz
gerade diesen Spottnamen als Bezeichnung für den neuen
Bund vor; sein
Vorschlag wurde mit
Begeisterung angenommen, und so entstand
der
Name der Geusen
(Gueusen, Geuzen), d. h. Bettler.
Als
Abzeichen trugen die zum
Bund gehörigen Edelleute an ihren
Hüten oder
Gürteln silberne oder goldene Gerätschaften der
Bettler, oder sie kleideten sich in die graue
Farbe der Bettelmönchsgewänder. Auch schlug man damals
die sogen. Geusen
pfennige, eine ovale
Denkmünze in
Silber oder
Gold,
[* 4] die auf der Hauptseite das Brustbild
Philipps II. mit der
Umschrift: »En tout fidèles au roy« (»In
allem getreu dem König«) und auf der Kehrseite einen Bettelsack mit zwei verschlungenen
Händen und den
Worten: »Jusqu'à porter la besace« (»Bis
zum Bettelsack«) zeigte. Im März hatte der
Bund nur 2000 Mitglieder gezählt;
im Mai konnte
Brederode schon sagen, daß die
Geusen
zahllos seien wie
Sand am
Meer: so hatte
¶
mehr
das Volkstümliche, was der neuen Bezeichnung anhaftete, gewirkt. Während Albas blutiger Gewaltherrschaft in den Niederlanden
rüsteten viele aus Holland Geflüchtete Kaperschiffe aus, mit welchen sie auf spanische Schiffe
[* 6] Jagd machten; dies waren die
sogen. Meergeusen oder Wassergeusen
, welche sich den Spaniern bald furchtbar machten. Edelleute und Kaufleute gaben Summen
zur Ausrüstung der Schiffe her und teilten den Gewinn. Die englischen, französischen und selbst die deutschen
Nordseehäfen dienten ihnen als Zufluchtstätten. Da sie jedoch ohne Bestallung waren, so wurden sie als Seeräuber behandelt,
bis auf den Rat Colignys Prinz Wilhelm von Oranien sich mit ihnen verbündete, ihnen Kaperbriefe gab und den
Grafen von der Marck zum Admiral derselben ernannte. Am nahmen die Meergeusen Briel an der Mündung der Maas, und damit
beginnt der Krieg, den die Niederlande
[* 7] bis 1648 für ihre Unabhängigkeit führten. In neuerer Zeit ist der Name von einem politischen
Verein in Antwerpen
[* 8] wieder aufgenommen worden und wird als Bezeichnung der Liberalen in den vlämischen
Provinzen vielfach gebraucht.
Vgl. Moke, Les Gueux de mer (Brüss. 1885).