Gesinde
(Miet- oder Dienstgesinde
,
Dienstboten,
Domestiken, Dienerschaft, im mittelalterlichen
Latein gasindi,
wovon unser Gesinde
herzuleiten, oder valeti), diejenigen
Personen, welche sich zur Verrichtung der niedern, in der
Haus- und
Feldwirtschaft
vorkommenden
Geschäfte und
Arbeiten gegen Verabreichung von
Lohn und
Kost vertragsmäßig anheischig gemacht haben. Je nachdem
das Gesinde
zu häuslichen oder zu landwirtschaftlichen Dienstleistungen verwendet wird, unterscheidet man zwischen
Haus- und Hofgesinde
, welch letzterer
Ausdruck früherhin auch die Dienerschaft eines fürstlichen
Hauses
bezeichnete.
Durch die Art und
Weise der Dienstleistungen unterscheidet das Gesinde
sich von sonstigen Hausgenossen (Privatsekretären,
Hofmeistern,
Verwaltern,
Gouvernanten etc.). Bei den Griechen und
Römern war der
Stand der
Dienstboten als freier
Menschen ganz unbekannt,
da Sklaven deren
Stelle vertraten. Auch bei den
Germanen
war in den frühsten
Zeiten von Gesinde
im heutigen
Sinne
nicht die
Rede. Erst später bildete sich das Leibeigenschaftsverhältnis aus, das jedoch anfangs nicht bloß zu haus- und
landwirtschaftlichen Verrichtungen, sondern auch zu manchen
Arten der eigentlich handwerksmäßigen Thätigkeit verpflichtete
und erst durch das Emporkommen der städtischen
Industrie auf den eigentlichen
Zwangsdienst (s.
Fronen)
beschränkt wurde.
Das Gesinde
verhältnis wird heutzutage durch einen besondern
Vertrag (Gesinde
vertrag) begründet.
Kinder, die noch unter elterlicher
Gewalt stehen, können sich nur mit Zustimmung des
Vaters, bezüglich der
Mutter, minderjährige Waisen und überhaupt unter
Vormundschaft stehende
Personen nur mit
Genehmigung des Vormundes und Ehefrauen nur unter Bewilligung ihrer
Ehemänner vermieten. In der
Regel wird der Gesinde
vertrag mündlich abgeschlossen und an manchen
Orten dem
Dienstboten ein
Dienstgeld
(Ding-,
Miet-,
Haftgeld) eingehändigt.
Durch den Dienstvertrag übernimmt der Dienstbote die Verpflichtung, alle häuslichen und, falls er für die Feldwirtschaft gemietet ist, auch alle hierzu gehörigen erlaubten Geschäfte nach Anordnung der Dienstherrschaft mit Fleiß und Aufmerksamkeit zu verrichten und dieser Gehorsam und Achtung zu beweisen. Die Dienstherrschaft dagegen ist verpflichtet, dem Dienstboten Lohn und Kost nach Maßgabe der Verabredung und in Ermangelung dieser letztern nach den Ortsgewohnheiten zu verabreichen, demselben nur gesetzlich erlaubte und die Gesundheit nicht gefährdende Verrichtungen anzusinnen und ihn auf keine Weise zu mißhandeln sowie auch ihm den im Dienst ohne seine Schuld erlittenen Schaden zu vergüten, auch, wenn er sich aus Veranlassung des Dienstes eine Krankheit zugezogen, den Dienstboten warten und heilen zu lassen.
Das Dienstverhältnis wird außer durch
Kündigung und Zeitablauf namentlich aufgelöst durch den
Tod des
Gesindes
, in besondern
Fällen auch durch den des Dienstherrn, durch leibes- und lebensgefährliche
Mißhandlungen seitens
des letztern, durch andauernde
Krankheit des Gesindes
, durch fortgesetzte grobe Nachlässigkeit desselben, durch Vermögensverfall
der Herrschaft, durch außereheliche
Schwangerschaft weiblicher
Dienstboten, durch
Ungehorsam und Widerspenstigkeit des
Gesindes
,
dadurch, daß dasselbe auf längere Zeit in eine strafrechtliche Untersuchung und
Haft gezogen wird, und
wegen Unredlichkeit des Gesindes
der Herrschaft gegenüber.
Der Gesindelohn
(Lidlohn) gehört zu den im
Konkurs bevorzugten
Forderungen und zwar nach der deutschen Konkursordnung (§
54) auf das letzte Jahr
vor der Konkurseröffnung.
In den meisten deutschen
Staaten bestehen entweder allgemeine,
das Gesinde
wesen im Bereich des ganzen
Landes regelnde, oder besondere,
nur für einzelne
Bezirke oder
Städte gültige
Anordnungen,
Gesindeordnungen genannt; auch sind vielfach Gesinde
zeugnisbücher eingeführt, die bei der
Ortspolizei hinterlegt werden,
und in welche die Dienstherrschaft abgehenden
Dienstboten ihr
Zeugnis einträgt.
Streitigkeiten zwischen Gesinde und Dienstherrschaft während bestehenden Dienstverhältnisses werden regelmäßig durch die zuständige Polizeibehörde geschlichtet. Die vielfachen Klagen über die Verschlechterung des Gesindes haben in mehreren Städten Dienstbotenverbesserungsvereine, Frauenvereine, Asyle u. dgl. ins Leben gerufen, welche sich die materielle und geistige Hebung [* 2] und Besserung des Gesindes zum Zweck setzen und als Mittel zu dessen Erreichung Prämienverteilung, öffentliche Belobung und eine angemessene Aufsicht über die sittliche Aufführung der Dienstboten anwenden.
Gesindevermieter, d. h. Personen, welche das Geschäft des Gesindevermietens gewerbsmäßig betreiben, haben die Eröffnung des Gewerbebetriebs der zuständigen Behörde anzuzeigen. Nach der deutschen Gewerbeordnung (§ 35) kann ihnen die Ausübung dieses Gewerbebetriebs untersagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbtreibenden darthun.
Vgl. v. d. Goltz, Die soziale Bedeutung des Gesindewesens (Danz. 1873);
Dennstedt, Herrschaft und Gesinde (9. Aufl., Berl. 1876);
Eggert, Die Gesindeordnungen preußischer Gesetzgebung (4. Aufl., Bresl. 1877).