Gesell
,
der ausgelernte
Gehilfe in einem Handwerk. Zur Zeit des Zunftzwanges wurde der Lehrling
nach abgelaufener Lehrzeit einer Gesell
enprüfung unterworfen, und wenn er sie bestanden hatte, zum Gesell gesprochen;
er konnte dann seine gewerbliche
Arbeit nur im Dienste
[* 2] eines Handwerksmeisters leisten, mußte eine gewisse Zeit wandern,
d. h. auswärts arbeiten, und wurde selbständiger Handwerker
(Meister) nur nach bestandener
Meisterprüfung. Zur Zeit der
mittelalterlichen
Blüte
[* 3] des Zunftzwanges bei den meisten
Innungen eingegliedert in den Haushalt ihres
Meisters, genossen sie eine sorgsame gewerbliche Erziehung, thatkräftigen Schutz und Fürsorge in
Zeiten der
Not und
Krankheit.
Dieses patriarchalische Verhältnis lockerte sich jedoch und an seine
Stelle trat eine strenge sociale Scheidung zu der Zeit,
als die
Meister der
Zünfte, reich und übermütig gemacht durch monopolartige Handwerksausnutzung und
die am Stadtregiment erlangte Beteiligung, ihre angemaßten
Rechte und
Vorteile vermehrten, ihrer Pflichten gegen die Gesell
aber
vergaßen, und diese aus einer Übergangsklasse zur Selbständigkeit des Meistertums zu einer abgeschlossenen
Klasse dauernd
unselbständiger Hilfsarbeiter herabsanken. Zu derselben Zeit (im 14. Jahrh.) begannen
auch als eine Rückwirkung der streng in sich abgeschlossenen
Verbände der
Meister, der
Zünfte (s. d.), die
Bewegungen der
Gesell;
ihre äußere Form war die genossenschaftliche
Vereinigung.
Zunächst entstanden kirchliche Gesell
enbrüderschaften zur Förderung und Befriedigung der religiösen Gefühle und zur
Bethätigung derselben in der
Armen- und
Krankenpflege der Genossen mit absolutem Beitritts- und Beitragszwang
für alle Gesell
(S.
Brüderschaft.)
Bald jedoch schon trat an die
Stelle solcher rein kirchlicher
Vereinigung die weltliche Interessengenossenschaft,
die Gesell
enschaft, als ein straff disciplinierter Schutz-, Wohlfahrts- und Aufsichtsverein für die Gesell und als
ein offenkundiger
Verband
[* 4] zu Kampf und
Notwehr gegen die
Meister und ihre
Zünfte.
Die
Organisation dieser Gesell
enschaften, denen sämtliche Gesell desselben Handwerks angehörten, war eine sehr entwickelte;
die Formeln, Vorschriften, Gebräuche und Ceremonien mancherlei Art, auf
Handel und Wandel der Gesell
bezüglich, waren eigentümlich
und reizvoll in
Sprache
[* 5] und Erscheinung, durchsetzt mit
Erinnerungen an die ursprüngliche, rein kirchliche Entstehung. Eine
eigene Gerichtsbarkeit beaufsichtigte und beschützte das Leben und die Thätigkeit der Genossen.
Durch Erheben von Beiträgen und Strafgeldern wurden eigene Vermögen geschaffen und aus diesen wandernde Gesell
, kranke
und arme Genossen unterstützt. Mittelpunkt des Vereinslebens, zugleich Arbeitsvermittelungsstelle, war die Herberge. Regelung
des Arbeitsangebotes, der Arbeitsbedingungen, des
Arbeitslohnes und der Arbeitszeit waren socialpolit. Bestrebungen
von weittragender Bedeutung: Streitigkeiten mit den
Meistern führten jetzt schon zu planmäßigen
Arbeitseinstellungen. Dem
Beispiele der
Zünfte folgend, schlossen sich auch die Gesell
enschaften im weitern Verlauf ihrer
Entwicklung zu größern
Verbänden,
zu Haupt- und Nebenladen, zusammen und bildeten vielfach weitausgedehnte, mächtige
Vereinigungen.
Hand
[* 6] in
Hand mit dem Sinken der
Zünfte begann dann aber auch der Zerfall der Gesell
enschaften. Die strenge
Zucht lockerte sich mehr und mehr; wüstes Herbergsleben, Roheit, Arbeitsscheu,
Blauer Montag, unbegründete
Arbeitseinstellungen,
große Gesell
enaufstände, Verrufserklärungen gegen die
Meister traten an ihre
Stelle. Der unaufhaltsam sich vollziehende
Untergang war teilweise ein natürlicher (der vielbrauchende Kriegsdienst fand bereitwilligen Ersatz in
den arbeitsscheuen, an unruhiges Wanderleben bereits gewöhnten Gesell
), teilweise ein gewaltsamer durch gesetzliche
Eingriffe des
Reichs und der Einzelstaaten; vollständig ausgerottet und unmöglich gemacht wurden die Gesell
enschaften aber
erst, nachdem mit dem Beginn eines neuen Wirtschaftslebens der eigentümlichen
Bewegung jeglicher Nährboden entzogen worden
war.
Über die der deutschen ähnliche
Entwicklung französischer Gesell
enschaften s. Compagnonnage.
Seit dem Gesetz des Norddeutschen
Bundes vom ist das den
Zünften zustehende
Recht, wo dasselbe noch bestand, andere
vom Betriebe eines
Gewerbes auszuschließen, aufgehoben. Für den Betrieb eines
Gewerbes (mit gewissen Ausnahmen) ist ein
Befähigungsnachweis
(s. d.) nicht mehr erforderlich. Doch können die neugebildeten
Innungen Gesellen-
und
Meisterprüfungen veranstalten (Gewerbeordnung von 1883; §. 97a). Nach jenem Gesetze darf hinfort jeder
Gewerbtreibende (nicht bloß der Handwerksmeister) in beliebiger Zahl halten; die Gesell
sind in der
Wahl ihrer
Meister oder
Arbeitgeber
unbeschränkt. Nach der Gewerbeordnung unterliegt das Vertragsverhältnis zwischen
Arbeitgeber und Gesell
zwar im übrigen
der freien Vereinbarung, doch hat das Gesetz gewisse
Beschränkungen aufgestellt. (S. Dienstmiete, Bd. 5, S. 281
u. 282.)
Nach der Gewerbeordn. §. 100a nehmen die von den Innungsmitgliedern beschäftigten Gesell
an den Innungsversammlungen
und an der
Verwaltung der
Innung insoweit teil, als dies in dem Innungsstatut vorgesehen ist. Eine
Teilnahme
muß ihnen eingeräumt werden an der
Abnahme von Gesellenprüfungen sowie an der
Begründung und
Verwaltung von Einrichtungen,
für welche sie Beiträge errichten, eine besondere Mühewaltung übernehmen
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Quellen, Literatur
Band - Seite | Artikel | Autor | Titel | Ausgabe |
---|---|---|---|---|
15.53 | Sóvár | Gesell | Geologische Verhältnisse des Steinsalzbergbaugebiets von S. | (Pest 1886) |
9.194 | Jensen | "Der Geselldes Meisters Matthias" | (Flensb. 1870) |
2 Quellen wurden gefunden.