Titel
Geschütz
(hierzu Tafeln »Geschütze [* 2] I u. II«),
Feuerwaffe von solcher
Schwere, daß
sie den Handgebrauch ausschließt,
besteht im allgemeinen aus dem Geschützrohr
und der
Lafette (s. d.). Man unterscheidet
Feld-, Gebirgs-, Belagerungs-,
Festungs-,
Küsten- und
Schiffsgeschütze. Zum kampffähigen Geschütz
gehören die Bedienung, das
Geschützzubehör und die
Munition,
zum
Feldgeschütz noch die
Protze und Bespannung, zum Belagerungs-,
Festungs-,
Küsten- und
Schiffsgeschütz, wenn dieselben nicht
auf einer
Bettung oder dem
Geschützstand
(Deck bei
Schiffen) zurücklaufen, noch der
Rahmen mit Unterlagen, daher Rahmengeschütze.
Kasematten-,
Turm-,
Bug-,
Heck-, Breitseit-,
Batterie-, Oberdecksgeschütze
sind solche, die in
Kasematten, in
Panzertürmen der
Landbefestigungen und
Schiffe,
[* 3] im
Bug,
Heck, auf den Breitseiten, in der
Batterie oder auf dem Oberdeck von
Schiffen ihre
Aufstellung finden. Gebirgsgeschütze werden zerlegt auf Tragtieren fortgeschafft und kommen im
Gebirgskrieg (s. d.)
zur Verwendung. Panzergeschütze sind
Geschütze schweren
Kalibers, in der
Regel erst von 21 (in
Deutschland
[* 4] schon von 15)
cm
beginnend, welche vermöge der bedeutenden Durchschlagskraft ihrer
Geschosse
[* 5] geeignet sind, Eisenpanzerungen
zu durchdringen, die daher sowohl zur
Küsten- als zur Schiffsartillerie gehören.
Ausfallgeschütze sind Feldgeschütze, die, zu Batterien, ähnlich den Feldbatterien, formiert, bei den Ausfällen aus einer belagerten Festung [* 6] ihre Verwendung finden. Flankengeschütze sind Geschütze kleinen Kalibers, die zur Flankierung der Gräben in Festungen und auf den Flügeln der Angriffsarbeiten bei Belagerungen aufgestellt und vorzugsweise mit Kartätschen gegen stürmende Truppen ausgerüstet sind; auch werden Revolverkanonen als solche verwendet.
Die während der Belagerung von Paris [* 7] 1870/71 bekannt gewordenen Kruppschen Ballongeschütze waren kleine gezogene Kanonen von 4 cm Seelendurchmesser, welche die aus Paris kommenden Luftballons beschießen sollten. Landungskanonen sind leichte 8 cm Geschütze, die bei Landungen der Schiffsbesatzungen von diesen bewegt und verwendet werden. Je nach ihrer Konstruktion unterscheidet man glatte und gezogene Geschütze, Kanonen, Mörser, Haubitzen (s. d.).
Die Geschütze werden aus Gußeisen, Bronze, [* 8] Gußstahl oder Schmiedeeisen, auch aus zweien dieser Metalle zugleich gefertigt, z. B. aus Gußeisen mit schmiedeeisernen oder stählernen Ringen (französische Marinegeschütze) oder aus einem Stahlkern, mit schmiedeeisernen Ringen umgeben (England). Die Bohrung des Geschützes heißt Seele, ihr Durchmesser das Kaliber. Die Geschützrohre werden nach ihrem Kaliber benannt, und man drückt dies entweder nach dem Gewicht einer eisernen Vollkugel von gleichem Durchmesser in Pfunden, 4-, 6-, 12-, 24-Pfünder etc., oder nach dem Durchmesser in Zentimetern aus, 8, 9, 12, 15 cm etc. Letztere Art ist jetzt die gebräuchlichste. In England werden die Geschütze unter 7 Zoll Kaliber nach dem Geschoßgewicht, darüber nach dem Kaliber in Zollen und über 5 Tonnen schwer nach dem Rohrgewicht in Tonnen (à 1015,65 kg) benannt. Je nachdem die Geschütze von vorn oder hinten geladen werden, nennt man sie Vorder- oder Hinterlader; erstere können sowohl glatt als gezogen sein, letztere sind stets gezogen, d. h. in die Seelenwand sind flache Vertiefungen, Züge, spiralförmig, also Schraubengänge bildend, eingeschnitten, die den Zweck haben, dem Geschoß eine Drehung um seine Längenachse zu geben (s. Flugbahn).
Die Mittellinie der Seele, Seelenachse, soll bei richtig gearbeiteten Rohren mit der Rohrachse zusammenfallen. Zur Verbindung des Rohrs mit der Lafette dienen die Schildzapfen, walzenförmige Angüsse zu beiden Seiten des Rohrs, deren Achse, Schildzapfenachse, senkrecht zur Rohrachse stehen muß. Der Schnittpunkt beider heißt der Lagerpunkt; liegt derselbe unter der Rohrachse, so heißt er versenkt, wie bei den ältern preußischen Festungs- und den österreichischen Feldgeschützen.
Die Lage der Schildzapfen gibt dem Rohr entweder Hintergewicht, damit es auf der Richtsohle aufliege und ihren Bewegungen folge, oder hält das Rohr im Gleichgewicht, [* 9] um den schädlichen Einfluß des Buckens (Abprallens des Rohrs von der Richtsohle beim Schießen) [* 10] auf die Richtmaschine abzuschwächen. Die Mündung des Rohrs ist häufig verstärkt durch den Geschützkopf, der bei ältern Rohren eine bedeutende Höhe erreicht, bei den neuern entweder nur klein ist, oder auch ganz fehlt, weil er das Bucken vermehrt.
Der Teil des Geschützrohrs vom
Kopf bis zu dem Teil, an dem die
Schildzapfen sitzen,
Mittel- oder Zapfenstück:
wird das Langefeld
genannt; an das Mittelstück
schließt sich nach hinten das Bodenstück an, welches bei Vorderladern in der
Traube endigt,
die zur leichtern Handhabung des
Rohrs dient. Einen gleichen
Zweck haben die Henkel
(Delphine), welche über
dem
Schwerpunkt
[* 11] älterer bronzener
Rohre stehen. Bei ältern
Rohren sind die genannten Rohrteile durch
Karniese,
Bänder oder
Rundstäbchen abgegrenzt; die neuern
Rohre bestehen in der
Regel nur aus einem konischen vordern und cylindrischen hintern
Teil.
Bei den Hinterladungsgeschützen ist in das Bodenstück
das
Keil- oder Quercylinderloch eingeschnitten,
bestimmt, die gleichnamigen Verschlußteile aufzunehmen, um die
Seele hinten abzuschließen, den Seelenboden herzustellen.
In der
Nähe des Seelenbodens befindet sich entweder senkrecht zur Rohrachse oder schräg von hinten nach vorn gehend das
Zündloch, Oberzündung; in neuerer Zeit wird es in der Rohrachse durch den
Keil geführt, Zentralzündung.
Weil
Bronze und
Gußstahl leicht ausbrennen, haben
Rohre aus diesem
Metall einen Zündlochstollen aus
Kupfer.
[* 12] Um dem Geschützrohr
die
Richtung geben zu können, ist entweder vorn auf dem
Kopf, auf den
Schildzapfen, oder seitlich derselben auf dem
Rohr ein
Korn angebracht. Der zweite Teil der Richteinrichtung am Geschützrohr ist der
Aufsatz (s. d.).
Kanonen, ob glatt oder gezogen, sind Geschütze von ca. 18-35 Kalibern Rohrlänge, die im Verhältnis zum Gewicht des Geschosses mit möglichst großer Pulverladung feuern, daher bei relativ großer Stoßkraft des Geschosses eine flache (rasante) Flugbahn haben. Haubitzen hatten etwa 6-8, die Mörser nur 3-3½ Kaliber Rohrlänge. Gezogene Kanonen von kürzerer Rohrlänge (der Charakter der Haubitzen, auf gezogene Geschütze modifizierend angewendet) heißen kurze Kanonen, z. B. kurze 15 und kurze 21 cm Kanonen. In allen Feldartillerien finden wir nur noch gezogene Geschütze. In der Festungsartillerie werden ¶
Deutsches Feldgeschütz. Konstruktion vom Jahr 1873.
Minimal-Scharten-Lafette für 15 Zentim.-Ringkanonen, zur Aufstellung hinter Eisenpanzern.
Nach der Konstruktion von Gruson.
Gezogener 21 Zentim.-Mörser der deutschen Belagerungs- und Festungsartillerie in fahrbarer Lafette.
15 Zentim.-Belagerungs-Lafette. Konstruktion 1864/69.
Typus aller Kanonen-Lafetten der deutschen Belagerungs- und Festungsartillerie seit 1864.
Lange 15 Zentim.-Ringkanone (3,84 Meter Rohrlänge) in Oberdeckslafette mit Mittelpivot.
Typus der Mittelpivot-Lafetten der deutschen Marine.
Kurze 21 Zentim.-Marine-Ringkanone (4 Meter Rohrlänge) in Breitseiten-Lafette der deutschen Panzerfregatten »Kronprinz« und »Friedrich Karl«.
Typus der Breitseiten- und Rahmen-Oberdecks-Lafetten mit Vorderpivot.
Lange 24 Zentim.-Ringkanone (5,23 Meter Rohrlänge) in Küsten-Lafette.
Typus der deutschen Küstengeschütze.
Moncrieffs Gleichgewichts-Lafette für 7 Tons-Geschütze (17,7 Zentim. Seelendurchmesser).
(England.)
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die glatten nur noch als Kartätschgeschütze zur Grabenverteidigung verwendet.
Geschütze der europäischen Armeen.
Die gezogenen Geschütze der deutschen Artillerie sind Hinterlader mit gepreßter Geschoßführung, d. h. die Geschosse, mit Ausnahme der Kartätschen, haben auf dem cylindrischen Teil ihrer Oberfläche eine Ummantelung von Blei, [* 16] Hartblei oder Kupferringe. Durch das Einpressen der ringförmigen Bleiwülste in die Züge des Rohrs wird der Spielraum zwischen Geschoß und Seelenwand aufgehoben. Die Geschosse sind Granaten, [* 17] Schrapnells und Kartätschen. In Deutschland sind 8, 9, 12, 15, 17, 21, 24, 26, 28 und 30,5 cm Kaliber im Gebrauch, unter denen 9, 15 und 21 cm Mörser, 8, 9, 12 und 15 cm Kanonen aus Bronze, seit 1878 Hartbronze (in Österreich [* 18] Stahlbronze genannt) gefertigt werden.
Die Züge sind bei allen von gleicher Einrichtung, 1,3-2,6 mm tief, hinten 16-18 mm breit, vorn 3-5 mm schmäler. Man nennt sie ihrer ungleichen Breite [* 19] wegen Keilzüge; deren Zweck ist, den Widerstand der Geschoßführung auf die ganze Rohrlänge zu verteilen. Parallelzüge sind vorn und hinten gleich breit. Die zwischen den Zügen stehen gebliebenen Teile heißen Felder. Die Anzahl der Züge steigt mit dem Kaliber von 12 bei der 8 cm bis zu 36 bei der 28 cm Kanone. Krupps [* 20] 40 cm Kanone hat 96 Züge.
Die Ansteigung der Züge (Drallwinkel) liegt zwischen 2½- 4½ Grad. Die Dralllänge ist das Maß für die einmalige Umdrehung der Züge, man pflegt sie in Anzahl Kalibern auszudrücken; sie muß abnehmen mit dem Wachsen der Ladung und der Länge des Geschosses und zwar um so mehr, je kleiner das Kaliber ist; sie beträgt bei Krupps Kanonen etwa 28-45 Kaliber, erstere bei 9 cm, letztere bei 40 cm Kanonen. Der hintere Teil der Seele, der Ladungsraum, ist glatt, bei neuern Geschützen gezogen (Züge von etwa der halben Tiefe der gezogenen Seele), dient zur Aufnahme des Geschosses und der Pulverladung und hat deshalb einen größern Durchmesser als die Seele in den Zügen; er muß sich in Rücksicht auf Pulververwertung zur Länge des Ladungsraums wie 1:3-4,5 verhalten, wächst also, wenn man die Ladung desselben Kalibers steigert.
Dieses Verhalten des erweiterten Ladungsraums ist wissenschaftlich noch nicht erklärt. Vom Ladungsraum zum gezogenen Teil führt der Übergangskonus. Die Seele wird hinten durch den Verschluß geschlossen, der seiner Konstruktion nach entweder Kolben- oder Keilverschluß ist. Ersterer ist älterer Art (9 cm) und besteht aus dem Verschlußkolben a [* 15] (Fig. 1), in der Seelenachse liegend, der seine Führung in der Verschlußthür b erhält. Senkrecht zur Seelenachse wird durch das Rohr und den Verschlußkolben der Quercylinder c gesteckt, der dem Stoß der Pulverladung Widerstand bieten muß.
Die Handhabung geschieht mittels der Kurbel [* 21] d. Der Keilverschluß ist entweder Doppel- [* 22] oder Einheitskeil. Ersterer ist die ältere Konstruktion; sein Konstruktionsprinzip ist folgendes [* 15] (Fig. 2): Zwei rechtwinkelige Keile a und e liegen mit den schrägen Flächen aneinander, so daß Vorder- und Hinterfläche parallel laufen. Je nachdem man nun die schrägen Flächen von- oder übereinander schiebt, vermindert oder vermehrt sich der Abstand der parallelen Vorder- und Hinterfläche und gestattet das Herausziehen und Hineinschieben des Verschlusses oder das Öffnen und Schließen des Rohrs. Die Knebelschraube i begrenzt das Herausziehen, so daß die Ladeöffnungen k in die Seele treten. Bei den Panzergeschützen mußte der Doppelkeilverschluß seiner ungenügenden Widerstandsfähigkeit wegen durch den Kruppschen Einheitskeil, nach Form der hintern Keilfläche Rundkeil, bei einigen aptierten Geschützen Flachkeil genannt, ersetzt werden. Er [* 15] (Fig. 3) ist ein ungeteilter prismatischer Körper a aus Stahl, dessen vordere Fläche i senkrecht, dessen hintere k aber schräg zur Rohrachse steht.
Eine gleiche Form hat das Keilloch. Der Keil erhält seine Führung durch Führungsleisten und Nuten auf der obern und untern Keil- und Keillochfläche, die parallel der hintern schrägen Keilfläche laufen, wodurch es möglich ist, nach geringer Lockerung den Verschluß aus dem Rohr zu ziehen. Das Bewegen und Feststellen des Keils geschieht durch eine Kurbel b, die eine Schraubenvorrichtung von eigentümlicher Konstruktion, aus der Verschlußschraube f und der Spindel c bestehend, in Drehung setzt. Bei den Panzergeschützen wird der Verschluß seiner Schwere wegen (der 28 cm Verschluß wiegt 675 kg) im Rohr durch eine Transportschraube bewegt.
Um die Seele vollständig gasdicht abzuschließen, bedarf man eines besondern Liderungsmittels. Beim Kolbenverschluß dient hierzu der Preßspanboden, ein flaschenbodenähnlicher Napf aus mehrfachen Lagen sehr fester Preßspanpappe. Beim Keilverschluß ist in die Stahlplatte eine Kupferliderung [* 15] (Fig. 2: m
[* 15] ^[Abb.: Fig. 1. Kolbenverschluß.]
[* 15] ^[Abb.: Fig. 2 Doppelkeilverschluß.]
[* 15] ^[Abb.: Fig. 3. Einheitskeil.] ¶
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in der Stahlplatte h), deren Querschnitt ein rechtwinkeliges Dreieck [* 24] bildet, so eingesetzt, daß eine Kathete die Liderungsfläche bildet und in Funktion tritt, sobald die Pulvergase unter die Hypotenuse treten und die Kupferliderung heben. Die Kupferliderung setzt eine immer gleiche Lage des Vorderkeils im Rohr voraus, die bei Verschmutzungen nicht immer erreichbar ist; wegen der Weichheit ihres Metalls wird sie auch leicht unbrauchbar. Diese Nachteile sind durch den Broadwell-Ring beseitigt. Seine Konstruktion ist aus dem Durchschnitt [* 23] (Fig. 4) ersichtlich. Er sitzt im Rohr an der Mündungskante des Ladungsraums und wird durch die bei a eintretenden Pulvergase gegen die Stahlplatte des Keils gedrückt.
Alle neuen Geschütze (auch Feldgeschütze) erhalten eine durch Beseitigung der sehr empfindlichen scharfen Kante b modifizierte Form [* 23] (Fig. 5), Liderungsring [* 25] C/1873. Weil derselbe im Rohr sitzt, ist die gleiche Lage des Keils im Rohr bei jedem Schuß nicht geboten. Aber auch dieser Liderungsring erfordert eine so außerordentlich aufmerksame und sachverständige Behandlung zur Erfüllung seines Zwecks, daß die gegen seine Kriegsbrauchbarkeit laut werdenden Bedenken sich mehren.
Major Wille hält deshalb die Annahme von metallenen Kartuschhülsen, nach Art der Gewehrpatronenhülsen, für Geschütze, die sowohl die Pulverladung aufnehmen, als die Liderung bewirken, nur noch für eine Frage der Zeit. Der Verschluß wie die Bedienung der Geschütze würde dadurch vereinfacht und die Gebrauchsfähigkeit des erstern nicht durch Ausbrennungen beschränkt werden. Solche von Lorenz in Karlsruhe [* 26] gepreßte Kartuschhülsen für Feldgeschütze befinden sich im Versuch.
Die deutschen Feldgeschütze C/1873 sind aus dem Bestreben hervorgegangen, den Geschossen eine möglichst große Anfangsgeschwindigkeit zu geben (s. Flugbahn), weshalb sie nach den Prinzipien der »künstlichen« Metallkonstruktion (S. 219) als Ring- [* 27] (Mantel-) Rohre gefertigt wurden. Einige der wichtigsten Geschütze der deutschen Artillerie nebst den Lafetten sind auf beifolgenden Tafeln »Geschütze I u. II« abgebildet.
Die russische Feldartillerie hat ihre bronzenen 4 und 9pfündigen Kanonen, deren Leistungen im russisch-türkischen Krieg nicht befriedigten, zufolge Verordnung vom durch Kruppsche Stahlkanonen, die nur unerheblich von den deutschen Feldkanonen abweichen, ersetzt. Die nähern Angaben sind aus der Tabelle S. 219 ersichtlich. Die Kanonen von 10,67 cm Kaliber heißen Batteriekanonen, die 8,7 cm der Fußartillerie leichte, die der reitenden Artillerie Kavalleriekanonen.
Die Belagerungs-, Festungs-, Küsten- und Schiffsgeschütze sind, mit Ausnahme einer Anzahl 12 und 15 cm nach englischem System beschaffter Rohre, alle mit den preußischen gleicher Konstruktion und zum großen Teil von Krupp bezogen oder zum Teil auch in russischen Fabriken, in dem Obuchowschen Gußstahlwerk am Ladogasee, gefertigt. Man hat 6-, 8-, 9-, 12zöllige Gußstahlringkanonen, zum Teil mit französischem Schraubenverschluß oder Rundkeil mit Broadwell-Ring, sowie leichte und schwere Hinterladungsmörser aus Bronze und Stahl mit Rundkeil und Parallelzügen. Ebenso ist gegenwärtig in der belgischen Artillerie durchweg das preußische System vertreten.
In die französische Feldartillerie wurden, nachdem sie im Krieg 1870/71 fast ihr gesamtes Material verloren hatte, neue Feldgeschütze nach der Konstruktion des Generals Reffye eingeführt, gezogene Hinterlader aus Bronze von 7,5 und 8,5 cm Kaliber mit gepreßter Geschoßführung, benannt nach dem Gewicht ihrer Granaten canon de 5 und de 7. Sie hatten den in Frankreich gebräuchlichen Schraubenverschluß und am Boden der Kartusche eine kurze kupferne Hülse, [* 28] welche die Liderung bewirken sollte, sich aber nicht bewährte, weil sie sich festschoß und schwer ausziehen ließ.
Die Geschütze waren nur ein Übergangsmodell bis zur Herstellung von Gußstahlringgeschützen nach der Konstruktion von Lahitolle. Es wurde ein solches von 95 mm Kaliber als Einheitsgeschütz eingestellt; als sich dasselbe zu schwer erwies, traten 2 Kaliber von 80 und 90 mm für die eigentlichen Feldbatterien an seine Stelle, während die 95 mm Kanonen für Feldpositionsbatterien bestimmt wurden. Nähere Angaben s. Tabelle S. 219. Die bis 1870 bestehenden Feld- und Gebirgskanonen aus Bronze waren gezogene Vorderlader nach dem System La Hitte.
Um den Geschossen eine Drehung um ihre Längenachse zu geben, sind in die Seelenwand Züge mit ca. 7° Drallwinkel
eingeschnitten. In das Geschoß (s. Granaten) sind Zinkwarzen (ailettes) zur Führung, daher Ailettenführung, eingesetzt. Die
ältern französischen Festungs- und Belagerungsgeschütze sind nach demselben System gefertigt. Auch die ältern Marinegeschütze
sind eiserne Hinterlader mit Ailettenführung, aus Gußeisen, am Bodenstück
mit Stahlreifen umringt, die
sich mit der Rohroberfläche vergleichen.
Die Zahl und Art der Züge ist 3, 5 oder 6, Rechts- oder Linksdrall. Die Valérie, welche 1871 als Beute vom Mont Valérien heimgebracht wurde und jetzt neben dem Zeughaus zu Berlin [* 29] ausgestellt ist, hat 21 cm Kaliber und 5 Linkszüge mit Progressivdrall, weshalb die hintern Ailetten halbmondförmig sind. Diese Geschütze haben den Schraubenverschluß [* 23] (Fig. 6). Die Verschlußschraube a hat ein Schraubengewinde, das in drei Sextanten bis auf die Spindel fortgenommen ist (b). In der Seele befindet sich die entsprechende Muttereinrichtung, so daß die Verschlußschraube,
[* 23] ^[Abb.: Fig. 4. Broadwell-Ring.]