Geschoßwirkung
,
die Leistung eines
Geschosses, welche es infolge seines Verschießens hervorbringt.
Dieselbe kann eine zufällige oder beabsichtigte sein. Unter ersterer würde die
Wirkung zu verstehen sein, die das
Geschoß,
[* 2] obgleich es das
Ziel fehlte, dennoch hervorbrachte. Die beabsichtigte Geschoßwirkung
kann in einem Eindringen in das
Ziel, in einem
Durchschlagen,
Entzünden, Erleuchten oder Zerstören desselben durch
Sprengen
[* 3] bestehen. Häufig werden zwei dieser
Zwecke
zugleich beabsichtigt, z. B. das
Geschoß soll in das
Ziel eindringen und dann seine Sprengwirkung äußern.
Die Geschosse der Handfeuerwaffen [* 4] sollen nur Menschen und Pferde [* 5] außer Gefecht setzen, wozu ihre Perkussionskraft bis ca. 2000 m noch hinreicht. Spreng- und Brandwirkung dieser Geschosse ist durch die Petersburger Konvention vom Jahr 1868 ausgeschlossen. Die Granaten [* 6] der gezogenen Geschütze [* 7] sollen in der Regel das Ziel treffen und dann noch durch die Perkussionskraft der Sprengstücke wirken oder auch bei Bombardements durch die Flamme [* 8] der Sprengladung eine Entzündung herbeiführen. Im Festungskrieg sollen sie häufig in Erde oder Mauerwerk eindringen und durch die Sprengladung minenartig die Erde oder das Mauerwerk aufwerfen.
Die gegen
Panzerungen verwendeten
Granaten sollen diese durchschlagen und dann durch die
Sprengstücke gegen die
Besatzung der
Schiffe
[* 9] oder
Türme wirken. Je größer in allen diesen
Fällen die
Stoß- oder
lebendige Kraft des
Geschosses und die Sprengladung
sind, desto größer kann die
Wirkung sein. Die größte Geschoßwirkung
erzielt man, wenn die dem
Geschoß innewohnende
Kraft
[* 10] durch den
Widerstand des
Ziels bis zu einem geringen Überschuß ausgenutzt wird (die Arbeitsleistung).
Die Eindringungstiefe der Geschosse ist abhängig von ihrer lebendigen Kraft, ihrem Durchmesser, der Form ihres Kopfes, dem Winkel, [* 11] unter dem sie das Ziel treffen (Auftreffwinkel), der Festigkeit [* 12] des Ziels und Geschosses. Bei gleicher lebendiger Kraft verhalten sich die Eindringungstiefen umgekehrt wie die Geschoßdurchmesser. Die günstigste Form der Spitze ist die ogivale oder konoidische. Je schräger die Geschosse auftreffen, je geringer ist die Eindringungstiefe; bei einer gewissen Grenze prallen die Geschosse an festen Zielen ab, ohne einzudringen.
Die ältern preußischen Panzergeschütze durchschlugen auf
ca. 500
m eine
Panzerung von der
Stärke
[* 13] des Geschoßdurchmessers.
Krupp hat mit einer 24
cm
Kanone, deren
Granate 160, die
Ladung 75 kg wog, ein Panzerziel von 51
cm
Eisen
[* 14] in zwei
Platten glatt durchschossen,
die
Granate flog noch bis 2200 m hinter das
Ziel. Wie neuere
Versuche erwiesen haben, kann die Geschoßwirkung
dadurch
wesentlich erhöht werden, daß mehrere auf nahe bei einander liegende Zielpunkte gerichtete
Geschütze durch eine elektrische
Leitung gleichzeitig abgefeuert werden.
Der gleichzeitige Anprall der Geschosse zerstört Panzerungen, gegen welche jedes einzeln machtlos sein würde. Die 15 cm Granate ist bei 2 kg Geschützladung auf 100 m 1,12 m in harte Ziegelsteinmauer und auf 600 m Entfernung 4,71 m in frischen Lehmboden eingedrungen. Gegen Eisenpanzer zerschellen Granaten aus gewöhnlichem Eisenguß, ohne einzudringen; dagegen haben sie für Mauerwerk genügende Festigkeit. Panzergeschosse sind deshalb aus Eisenhartguß (s. Granate; Schalenguß Gruson bei Magdeburg, [* 15] Palliser-Granaten in England) oder Gußstahl (Krupp) gefertigt.
Gegen Holzschiffe kommen Granaten aus gewöhnlichem Gußeisen zur Verwendung. Gegen horizontale Ziele (Gewölbe, [* 16] Hofräume von Werken, Schiffe) muß die Fallkraft der Geschosse wirken, wozu Mörser und kurze Kanonen verwendet werden, deren Geschosse eine bedeutende Sprengladung und sehr gekrümmte Flugbahn haben, um die Fallkraft zu steigern und über die vor dem Ziele liegenden Deckungen fortzukommen. Krupp hat 6 Kaliber lange Granaten aus dem 21 cm Mörser mit 40 kg Sprengladung verwendet, gegen deren Wirkung unsre neuern Gewölbebauten nicht standhalten.
Diese Wirkung würde noch viel größer sein, wenn, wie es heißt, statt Schießpulver [* 17] brisante Sprengstoffe zu ihrer Füllung verwendbar sind. Solche Geschosse wurden von Krupp Torpedogranaten genannt. Schrapnells (s. d.) sollen in der Luft vor dem Ziel zerplatzen, so daß die Sprengstücke und die Kugelfüllung in der Richtung der Flugbahn des Geschosses weitergehen, indem sie sich vom Sprengpunkt an kegelförmig ausbreiten (Streuungskegel). Die Anwendung des Schrapnells ist beschränkt durch die Brennzeit des Zünders (s. d.) und auf lebende Ziele von größerer Ausdehnung [* 18] (Tirailleure, Artillerie). Der Kartätschschuß, in seiner Wirkung durch den Schrapnell immer mehr verdrängt, wird nur auf kleinen Entfernungen bis 600 m gegen anstürmende Truppen verwendet, wobei die vielen einzelnen Kugeln (s. Kartätsche) viele Treffer ergeben können. - In manchen Artillerien (Österreich) [* 19] führt man ¶
mehr
Brandgeschosse zum Entzünden brennbarer Körper. Die Wirkung derselben entspricht meist nicht den Erwartungen und wird genügend durch die gewöhnliche Granate ersetzt. Die deutsche Artillerie hat keine Brandgeschosse mehr. Über die an den Körpern der Menschen und Pferde vgl. Schußwunden.