[* ] Wurfkörper, Projektil, auch Kugel (frz. projectile), ein meist regelmäßig gestalteter, mit der Hand oder
einer besondern Vorrichtung fortzuschleudernder Körper, der einen in größerm Abstand befindlichen Gegenstand treffen und
denselben gefährden oder vernichten soll. Geschoß, welche mit der Hand entsendet werden, kommen jetzt noch bei Naturvölkern vor;
bei Kulturvölkern werden sie nur in Verbindung mit Feuerwaffen als Kriegsmittel, zu Jagdzwecken, zur Selbstverteidigung u. s. w.
gebraucht.
Ein zufällig vorhandener oder mit Vorbedacht ausgewählter Stein ist als das erste Geschoß zu denken. Ein zugespitzter Stab, in
seiner Längenrichtung fortgeschleudert, kann bereits als ein Fortschritt gelten; er führte auf die Wurflanze,
den Wurfspieß/Speer oder Ger, die auch als Stoßwaffen dienten. Hierher gehörte ferner das Wurfbeil und die Wurfkeule der
Kelten, sowie die noch heute im Gebrauch befindliche Wurfsichel der polynesischen Stämme, der sog. Bumerang (s.d.). Näheres
über Speere, Wurfspeere und Wurflanzen s. Speer.
Um den geworfenen Körper aus größerer Ferne oder mit erhöhter Wirkung und Genauigkeit auf
forlaufend
903
den Gegner oder das zu erlegende Tier zu richten, als es mit der bloßen Hand oder in Verbindung mit der Schleuder möglich
war, benutzte man die Elasticität des Holzes, Horns, Stahls oder der Tiersehnen als bewegende Kraft. Die älteste Waffe der
Art ist der Bogen (s. d.), sein Geschoß der Pfeil (s. d.).
Im Mittelalter tritt zum Bogen die Armbrust (s. d.), mittels welcher der Bolzen (s. d.) geschossen wird, und der Valester (s. d.)
oder die Steinschleuder, welche Kugeln aus gebranntem Thon, Marmor oder Blei entsendet.
Zum Schlendern schwererer Geschoß dienten im Alter- tum und Mittclalter die Kriegsmaschinen (s. d.). So schössen die
Euthytonen der Griechen Pfeile von 0,75 bis 2 m Länge und einem Gewicht von 0,25 bis 2 kF, die Palintonen
warfen Steine von 4,5 bis 80 KZ Schwere. Bei den Römern findet sich zuerst der Feuerpfeil. (S. Falarika.) Die Byzantiner be- dienten
sich der Kriegsmaschinen, um Töpfe mit Griechischem Feuer (s. d.) auf den Feind zu schleu- dern. Im Mittelalter
warf man Steinkugeln und Steinmassen bis zu 30 Ctr.
Gewicht, auch Mengen kleiner Steine, die ähnlich wie der spätere Haael gleichzeitig entsendet werden, ferner mit Nägeln
be- schlagene Balken, Feuerpfeile, mit Brennstoffen ge- füllte Fässer, glühende Eisenstücke und selbst Leich- name von
Menschen und Vieb. Bei den Feuerwaffen scheint man anfänglich die Geschoß der mittelalterlichen Kriegsmaschinen bei- behalten und
namentlich große Pfeile und Stein- blöcke benutzt zu haben. Seit der Mitte des 14. Jahrh, trifft man hauptsächlich steinerne
Ku- geln, die je nach dem verfügbaren Material aus Marmor, Vafalt oder Ziegel bestanden, bisweilen auch
mit Blei überzogen waren.
Die Bearbeitung solcher Kugeln war häusig unvollkommen. Für kleinere Geschoß wird späterhin für leichtere Handfeuer- waffen
fast ausschließlich Blei benutzt, doch kommen im 15. und 16. Jahrh, auch bronzene Kugeln vor. Eiserne Vollkugeln, infolge der
noch seltenen An- wendung des Eisengusses anfänglich wenig ver- breitet, wurden unter Ludwig Xl. in Fra'.'.kvcich
zu- erst allgemein eingeführt. In Deutschland ist die EisenkMl erst gegen 1500 in größerer Menge an- gewandt worden.
Infolge des höhern specifischen Gewichts des Eisens gegenüber dem Stcin konnten die Kaliber herabgesetzt werden. Größere
Hand feuerwaffen wenden gleichfalls eiferne Kugeln an. Glühende Eifcnstücke und -Kugeln hatte man fchon
aus den Gewerffen geschleudert, die Anwendung glühender Kugeln bei Geschützen beginnt mit etwa 1400. Andere Brandgeschossc
ls. d.) wurden noch lange Zeit aus Schleudermaschinen geworfen und konnten bei Geschützen erst dann Verwendung finden, nachdem
man dem Brandsatz eine ^toßplatte oder ein Gerippe von Eisen zum Schutz gegen die zertrüm- mernde Wirkuug
der Pulverladung gegeben hatte. So entstand die Brandkugel oder Karkasse ls. d.). Um 1450 kommen ähnlich eingerichtete Leuchtkugeln
vor.
Springende Kugeln sollen um 1430 von einem bürsten Malatesta von Nimini erfunden worden 1in; man nimmt an, daß sie aus zwei
zusammen- geschmiedeten Halbkugeln bestanden haben. Die im ganzen gegossenen eisernen Hohlkugeln sckeint
man zuerst als Handgranaten oder Handdombcn aus freier Hand oder aus kleinen Mörsern geworfen
m haben (1500). Bomben aus größern
Geschützen kommen um die Mitte des 16. Iabrh. vor. Die Anwendung cmcr größern Anzahl Geschoß zu cincm 6-nj.
l. ssig. 2. Schusse, der sog. Hagel- oder Igelschuß, scheint schon um 1450 bekannt gewesen zu sein. Aus
dem Hagel entwickeln sich die Kartätschen (s. d.); um 1590 wird die Veutelkartätsche erwähnt, ein mit
Handbüchsenkugeln gefüllter Sack, der mit Weiden- ruten korbartig umflochten ist. Eine andere Art, die Geschoßwirkung zu
verviel- fältigen, zeigen die Kettenkugeln
[* ]
(Fig. 1) und die Stangenkugeln
[* ]
(Fig. 2), bereits zu Anfang
des 16. Iabrh. .^^-^ erfunden.
Mit der weitern Ausbildung dcr Hohlkugeln ver- schwinden die Eteinkugeln, welche sich am längsten bei Mörsern erhalten
hatten. Steinhagel ans Mörsern behauptet sich bis in die neuere Zeit. Im 1.1609 (nach andern schon 1573) kommen
mit Bleikugeln gefüllte Hohlgeschosse ls. Hagel) vor, die indes erst 200 Jahre später als Shrapnels Bedeutung gewinnen.
Die zum Sprengen der Hohlkugeln bestimmte Pulverladung wird mit- tels eines Zünders, d. i. einer mit verdichtetem Pulversatz
gefüllten Holzröhre entzündet.
Dieser Brennzünder (oder Vrandröhre) sitzt in einer Öff- nung des Geschoß, dem Mundloch, und
wird anfänglich durch ein bcfonderes Zündloch im Geschützrohr beim Abfeilern des Gefchützcs entzündet. Man sprach infolgedessen
von Bomben mit zwei Feuern (ü. äeux t'6ux). Später überließ man es den Gasen der Ge- schützladung, welche durch den Spielraum
zum Zünder gelangen können, den letztern in Brand zu setzen. Schon Kasimir Simienowicz in seiner «^1-3
MÄZUK6 Artillerie» (1649) thut dessen Erwähnung; angenommen wird das Verfahren aber zuerst 1747 durch Valliöre in Frankreich.
Ein Regeln der Vrennzeit des Zünders nach der Flugzeit und Schußweite des Geschoß war schon um 1680 bekannt, indessen
kam es erst viel später zum allgemeinen Gebrauch. Schon um 1590 gab es Fallnindcr oder Perkussionszünder,
die sich beim Aufschlag des Geschoß entzünden', sie blieben indes bei der Mangelhaftigkeit ihrer Konstruktion noch lange ohne
Bedeutung. Kartätschen kamen namentlich durch Gustav Adolf (1620) beim Feldgeschütz zur Geltung und damit verschwanden Kettcnkugcln
u. s. w. bald.
Außer den Veutc-lkartätschcn wendete man Trauben- und Büchsenkartätschen an, bci jenen waren die Kugeln
aneinander gekittet und durch Netze verschnürt, bei diesen in cylindrischen Blech- büchsen enthalten. An Stelle der Bleikugeln
traten eiserne. Bei Mörsern kam der Wachtelwurf oder Granathagel (f. Granate) zur Anwendung, der sich ähnlich, wie die Kartätschen
aus Vollkugeln, aus kleinen Hohlkugeln zusammensetzt. Gegen Ende des^18. Jahrh, fanden sich als Geschoß der
Geschütze eiserne Vollkugeln, Hohlkugeln, bci Haubitzen Granaten, bei Mörsern Bomben'genannt, Kartätschen (namentlich in
Büchsen), Vrandkugcln, Brandgranaten
[* ]
(Fig. 3) und Brandbomben ls. Brandgescbosse), Leuchtkugeln, bei schweren Mörsern auch
Steinhagel und ^ /^^ Wachtelwurf. DieV 0llkugeln (Fig. !) werden bei leichten Gefchützen in halb- kugelförmig
ausgehöhlten Spiegeln von Holz gelagert. Glühend gemacht dienen sie als Brand- geschosse. Die Hohlkugeln
[* ]
(Fig. 5) sind konzcn-
trisch gcgosj'cn. Dic Einrichtung der V ü
forlaufend
chsenkar-904
tatschen zeigt
[* ]
Fig. 6 (8 Spiegel, ^ Treibscheibe, I) Tecke), der Leuchtkugeln (s. Leuchtgeschosse)
[* ]
Fig. 7 (österr. Konstruktion,
d Brandloch, in kleine Hohlkugel, 0 Mordschlag; in und o dienen dazu, den Gegner gleichzeitig zu gefährden); von ähnlicher
Ein- richtung wie letztere sind die Brandkugeln. Bei den Handfeuerwaffen gebraucht man bleierne Kugeln; auch
kommt hier die Verwendung mehrerer kleinerer, zu einem Schuß vereinigter Kugeln, der Schrote und Rehposten, vor.
In: 1.1803 und zwar zunächst in England kommt das durch den engl. Obersten Shrapnel erfundene
schaft, daß der Schwerpunkt mit dem Mittelpunk! der Kugel zusammenfiel, und nahmen infolgedessen beim Schießen Drehungen
an, welche nicht vorher zu berechnen waren und einen ungünstigen Einfluß auf die Regelmäßigkeit der Flugbahn übten.
Durch eine absichtliche Verschiebung der innern Höhlung erreichte man bei den nunmehr excentrisch genann- ten Hohlkugeln,
deren Lage im Rohr entspre- chend geregelt wurde, eine regelmäßige Achsendre- dung, die auf die Tresffähigkeit günstig
wirkte und dem bisher wegen seiner Unregelmäßigkeiten in ge- ringem Ansehen stehenden Hohlgeschoßfeuer eine er-
[* ]
Fig. 4. Geschoß gleichen
Namens auf, auch Grancttkartätsche ge- nannt.
Das Shrapnel ls. d. und ^. W7) ist ein mit kleinen Bleikugeln gefülltes Hohlgeschosi, mit Sprengladung und'Zünder (s. d.).
Letzterer mich der Schußweite entsprechend geregelt werden, sodaß das Shrapnel kurz vor dem Ziel zur
Zerteilung gelangt und seine Kugeln in einer Garbe auf den Feind schleudert. Nach 1815 fand das Chrapnel auch in andern Artillerien
Aufnahme und wnrde allmählich vervollkommnet. Die Shrapnelhülle wurde in den Wänden möglichst schwach gestaltet und im
Innern des Geschoß eine Kammer für die Sprengladung ange- bracht.
Durch die Erfindungen von Bormann (s. d.) ^ig. 6.
[* ]
Fig. 7.
[* ]
Fig. 5. und
Breithaupt (s. d.) erlangte der Zünder eine be- liebige Tempierbarkeit.
Eine der vollkommensten Konstruktionen von Shrapnels glatter Geschoß zcigt das österr. Rundshrapnel
[* ]
(Fig.
8, a Zünder, 6 Sprengladung, d Wandung, 8 Verstärkung, x Füll- lochschraube). Seit 1820
wurden auch
die gewöhnlichen Hohl- kugeln wesentlich verbessert durch Annahme der excentrischen Höhlung
[* ]
(Fig. 9). Die bisher üblichen
konzentrischen Hohlkugeln hatten vermöge der Ungenauigleiten beim Gusse und der ungleich- mäßigen Dichtigkeit des Eisens
nur selten dic Eigcn- höhtc Bedeutung verlieh.
Infolge der Excentricität ward auch eine größere Schußweite der Granaten im flachen Bogen ermöglicht.
Die excentrischen Gra- naten und Bomben fanden besonders in Preußen eine hohe Ausbildung, wo es fpäter durch An- nahme der
Mpsen- statt der kugelförmigen Höhlung gelang, die Stetigkeit der Rotation noch zu steigern. Eine vervollkommnete Gestalt
der Leuchtkugel zeigt die engl. Fallschirmbombe. Die 1830 beginnende Vervollkommnung
der ge- zogenen Gewehre führte unter allmählicher Ver- drangnng der Kugel zu Geschoß von länglicher Gestalt.
Mittelpunkt und Schwerpunkt fielen nämlich bei der Kugel nie zusammen. Demzufolge ' nahm die letztere außer der fortschrei-
tenden auch eine drehende Bewegung an, deren Art und Richtung indessen nicht vorherznsehen und bei jedem
Schuß eine besondere war. Die Treff- genauigkeit der Kugel blieb stets eine äußerst geringe. Zur Abstellung dieses Übelstandes
führte man die Züge lf. d.) ein, welche die Kugel zu einer bestimm- ten, für alle Schüsse gleichbleibenden Drehung zwingen
sollten, dies aber we- gen der geringen Angriffsfläche, welche die Kugel den Zügen bot, nicht erreichen
konnten.
Die Einführung der Lang- gefchosfc war also eine wesentliche Ver- besserung, weil diese Geschoß die ihnen durch
die Züge gegebene Drehung um die Längcnachse im weitern Verlauf ihrer Flugbahn beibehielten. Da man diefen ein im Verhältnis
zum Querschnitt großes Gewicht geben kann, erleiden sie ferner eine verhältnismäßig geringere Verzögerung
durch den Luftwiderstand als die 'Rundgeschosse. Die Langgeschosse gelangten zuerst bei den Handfeuerwaffen zu allgemeiner
Verwendung. Eins der ersten Geschoß dieser Art, anfänglich iHpitz- ge schoß genannt, ist dasjenige des franz. Obersten Thouvenin
sl.844; s. Fig. 10). Später versah man die Lcmggeschosse im hintern
Teil mit einer
0906a
forlaufend
Höh-905
lung, in der sich ein schmiedeeisernes Hütchen (Treib- spiegel, culot) befindet. (S. Erpansion.) Das Ex- pansionsgeschoß
des Miniegewehrs (s. d.) zeigt
[* ]
Fig. ll. Ähnliche Geschoß, jedoch
ohne Hütchen, sind die von Neßler
[* ]
(Fig. 12) und Podewils
[* ]
(Fig. 13). Als Typus des Systems der Geschoß st a u ch u n g verdient
das österreichische O. von Lorenz
[* ]
(Fig. 14)
[* ]
Fig. l («.
[* ]
Fig. 11. Fiq. 12. Erwähnung', dasselbe wird durch den Druck der Pulvergase gegen seine Bodenfläche
verbreitert und damit in die Züge getrieben. Die Einkerbungen (Kannelierungen) dienten zur Erleichterung deo hintern Teils,
zur Verminderung der Reibung im Lauf und zur Aufuahme der Fettung. Besondere Formen zeigen noch das Geschoß von
Wbitwortd
[* ]
(Fig. 15) für die Seele von sechseckigem Querschnitt und das eichelförmige Geschoß des
preuh. Zünd- nadelgewehrs, das sog. Langblei
[* ]
(Fig. 1l), welches mittels
einc^ Papierspiegels in der Seele geführt wurde. Die Geschoß Fig. 10-15 ge- hören den
Vorderlader gewehren an. Die bei Hinterladern vom Kali- ber 11 mm üblichen Geschoß sind von Weichblei oder
Hart- blei lBtei mit Zusatz von Antimon), ungefähr 25 3 schwer, cylindioogival, 2^/..-3 Kaliber lang und in der Regel ganz
glatt. Auf dem cvli ndrischen Teil sind sie mit Papier umwickelt, um die Verbleiung des Laufs zu mindern;
an der Spitze meist ge- fettet
[* ]
(Fig. 1 Bei den neuen Kalibern von 6,5 bis 8 mm sind die Geschoß 10-15 3 schwer und besitzen infolge
dieser Er-
[* ]
Fig. i::
[* ]
Fig. 14. ,5 lg.
[* ]
Fig. 16.
[* ]
Fig.
17.
[* ]
Fig. 13. leichtcrung gegenüber den Geschoß größerer Kaliber
ein geringeres Beharrungsvermögen. Aus diesem und einem sofort zu entwickelnden Grund macht sich stärkerer Drall notwendig.
Wegen der damit ver- bundenen gewaltigen Reibung im Lauf sind Vlei- geschosse nicht mehr verwendbar; man ging deshalb zu
Mantelgeschossen
[* ]
(Fig. 18) über, die auch Compound-, Verbund- oder gepanzerte Geschoß genannt
werben. Der Mantel besteht aus emer papierstarken Hant von Kupfer-, Nickel-, Stahl- oder vernickeltem Stahlblech.
Mit Vermehrung der Anfangsgeschwin- digkeit und Verminderung des Geschoßgewichts nimmt der Luftwiderstand zu. Damit aber die
Ge- schoßgeschwinoigkeit nicht zu rasch abnimmt, muß der Geschohquerschnitt möglichst hoch belastet werden, d. h.
das kleintalibrige Geschoß muß möglichst lang sein (3-4 Kaliberlängen). Solchen Geschoß kann
die nötige Rotationsfestigkeit, also ein sicherer Flug, nur durch einen starken Drall gegeben werden. Geschoß aus Stahl oder Mefsing
haben wegen ihres
geringen specifi- schen Gewichtes nickt befriedigt. Ein bedeutendes specifisches Gewicht besitzt Wolfram;
seine Verwen- dung zu Geschoß der Handfeuerwaffen ist, abgeseben von andernNnzuträglichkeiten,vorlällfig
durcb den hohen Preis ausgeschlossen. Neuerdings sollen in Deutsch- land Alumiuiumgeschosse im Versuch sein, die nur auf nahe
Entfernung einen Menschen zu ver- letzen vermögen. Die Verwendung ist für Wacht- posten, Gefangenenbegleitung u.s. w. beabsichtigt,
weil die normalen Geschoß des Gewehrs eine solche Durch- schlagskraft besitzen, daß beim Gebrauch der
Schuß- waffe seitens der Posten innerhalb der Straßen einer Stadt Passanten auf erhebliche Entfernung be- schädigt werden
können. Über Erpl 0 si 0 nsgesch 0 sse und Gewehrraketen s. die Einzelartikel. Mit der Übertragung
der Züge auf die Ge- schütze, die mit Erfolg etwa von 1857 anhebt, wird auch für diese die Gestalt
des länglichen Geschoß maß- gebend (die man auch bei glatten Geschützen, indes ohne dauernden Erfolg, verfucht hatte). Man unter-
scheidet bei den Langgeschossen der Geschütze den eiser- nen Hauptkörper des Geschoß, auch Eisenkern genannt, und das Führungsmittel,
welches ein weicheres Metall, z. B. Blei, Zink, Kupfer u. s. w., erfordert. Im gan- zen bat das Langgeschoß
der Gesckütze gleichfalls die cylin- droogioale Gestalt. Als die wichtigsten durch die Füh- rungsart bedingten Verschie-
denheiten sind hervorzuheben: Geschoß mit Ailetten, mit Leisten, mit Expansion, mit Bleiman- tel, mit Kupferringen und end- lich solche
von polygonalen: Querschnitt, die keines Füb- rungsmittels bedürfen. Die Geschoß mit Ailetten
[* ]
(Fig. 10, franz.
Granate von 1858) haben auf dem cylindrischen oder Fübrungsteil ringsum in gleichen Abstanden meh- ^g. 19. rere
schräg gestellte Paare von Zapfen, welche den obigen Namen von dem franz. aile (Flügel) tragen und aus Messing oder Let-
ternmetatl bestehen. Jedes Ailettenpaar (bei obigen ! Geschoß sind es sechs) entspricht wieder
einem Zuge des Geschützrohrs. Die miteinander übereinstimmende schräge Stellung der Ailetten und die schrauben- ! sörmige
Windung der Züge haben die Drehung ^ des um seine Längenachse zur Folge. Dasselbe ^ wird beim Geschoß des österr. Vorderladers
von 1863 durch die leisten- oder flügclförmigen Vor- sprünge eines um den Führungsteil des Geschoß her-
! umgegossenen Mantels aus Zinnlegierung erreicht
[* ]
(Fig. 20).
[* ]
Fig. 21 zeigt das schweizerische
Geschoß des Vorderladers mit Expansionsring8am hintern
forlaufend
906
Ende, der durch die Pulvergase seitlich ausgedehnt wird und mit den Ansätzen o in die Züge tritt, in denen zugleich die
Metten n. laufen. Die Geschoß Fig. 19 - 21 sind sür Vorderlader bestimmt; ebenso ist das ähnlich der
[* ]
Fig. 15 sür Geschütze von
Whit- worth konstruierte für solche brauchbar. Für die Hinterladungsgeschütze wandte man anfänglich
nur Geschoß mit Vleimantel an, wie die preußische Gra- nate von 18l'0
[* ]
(Fig. 22) mit dickem, nur mechanisch
[* ]
Fig. -'0.
[* ]
Fig. 21. festgehaltenem Bleimantel L (^ Eisenkern, II Höh' lung, HI Mundloch), und die englische Seg- mentgranate
[* ]
(Fig. 23)
mit dünnem, chemisch mit dem Geschoß verbundenem Vleimantel m zeigt.
Der Vleimantel nimmt erst im Rohre durch den Einfluß der Pulvergase die Gestalt der Züge an
[* ]
Fig.
^.
[* ]
Fig. ^.. Schwierigkeiten bald aufgegeben. Die Kartätsche, auf die vermöge ihrer Eigentümlichkeit, die einzel- nen Kugeln
schon vom Rohr ab freizugeben, die rotierende Bewegung nicht mit Erfolg übertragen werden konnte, ist
so weit verändert worden, wie es der difficile Charakter des gezogenen Rohrs erheischt. Granaten und Shrapnels erfuhren
eine hohe Fort- bildung und Vervollkommnung.
Das Vollgeschoß konnte bei seiner einseitigen Wirkung fast vollstän- dig durch die viel ausgiebigere Granate erfetzt wer-
den. Der gänzliche Ersatz der Kartätsche durch das Shrapnel ist vielfach angeregt worden, indes bis
jetzt noch nirgends erfolgt. Von den Granaten gezogener Geschütze (in Österreich Hohlgeschosse genannt) lasfen sich jetzt
vier Klassen unterscheiden:
1) Granaten unt großer Zerteilungsfähigkeit, weil vorherrfchend gegen lebende Ziele bestimmt;
2) solche, bei denen die sprengende Wirkung gegen tote Ziele die .Haupt- sache ist;
3) solche, 'bei denen die Durchschlagskraft des ganzen Geschoß besonders betont wird, indem die Ziele Eisenpanzcr
sind;
4) Granaten zumInbrand- setzen. Die Zwecke lul 1 und 2 suchte man anfäng- lich durch dasselbe Geschoß zu
erreichen, so in Preußen Fig. 24.
[* ]
Fig. 25. und veranlaßt so
das
Geschoß, der Windung der letz- tern zu folgen. Der dünne Bleimantel wird fpäter allgemein. Für Geschoß mit großen Anfangsgeschwin-
digkeiten wendet man Hartblei an. In neuerer Zeit ist der Hartbleimantel wieder durch die K upfer - ringe verdrängt. Die
beistehende Tafel: Moderne Gefchoffe bringt vom kleinsten bis zum größten Kaliber je einen Vertreter
der verschiedenen neuern Geschohkonstruk- tionen zur Darstellung.
Die Einzelheiten der innern Einrichtung, wie sie sich bei den Geschoß der glatten Geschütze herausgebildet hatten, werden in der
Hauptsache auf die Geschoß der gezogenen übertragen. Indessen wurde die Aus- bildung eines Leuchtgeschosses dnrcki andcrweite
Mittel überholt und in Anbetracht der erheblichen durch die gewöhnliche Granate (Fia,. 22), die
aber weder eine gehörige Zahl Sprengteile lieferte, noch genügend Sprengladung aufzunehmen ver- mochte, um die gehörige
Sprengwirkung bei toten Zielen zu äußern. Zur Erhöhung der Wirkung aä 1 konstruierte man die Doppclwandgranaten
[* ]
lFig.
24) und die Ringgranaten
[* ]
(Fig. 25). Erstere sind zuerst 1861 vom belg.
Civilingcnieur Bassom- pierre angegeben und bestehen aus einem innern Geschoßkern (I und einem äußern (N), der um jenen
berumgcgossen ist. Beim erstern sind die Bruch- linien vorgezeichnet, und die Zertcilung desselben er- folgt in regelmäßige
Stücke; ü ist derBlennantcl. Die Gesamtzahl der Sprengstücke ist etwa doppelt so groß als bei
der gewöhnlicken (einfachen) Granate. Die Zerteilung in eine größere Zahl Stücke ist bei der Ringgranate noch mehr gesichert,
wo der innere Kern aus voneinander getrennten, gezackten Ringen bestcbt, von denen jeder einzelne eine bestimmte An- zahl Teile
liefert. So ist die in Qstervcich-Unqarn eingeführte Granate des Generals Ncbatius einge- richtet, die
beinahe ebenso viele wirksame Stücke als ein Shrapnel crgieltt. Ähnliche Granaten hat man im Deutschen Reiche und anderwärts.
(Val.
[* ]
Fig. 25, die halb
Ansicht, halb Durchschnitt der