Geschmack
(Gustus), in physiol.
Beziehung die Empfindung, die durch die Erregung gewisser Nervenendigungen in der Schleimhaut
der
Zunge (und wohl auch des weichen
Gaumens) zu stande kommt. Diese Nervenendigungen bilden das Gesckmacksorgan,das man, da
es uns in
Beziehung zur Außenwelt setzt, zu den Sinnesorganen zählt. Man spricht deshalb auch vom Geschmack
ssinn
und versteht darunter alle Vorgänge, die zum Zustandekommen der Geschmack
sempfindung nötig sind. Die Geschmacksempfindungen
sind mit andern Sinnesempfindungen, namentlich Gefühls- und Geruchsempfindungen meist innig verknüpft und werden von denselben
intensiv beeinflußt. Auch die Gesichtsempfindungen beeinflussen den Geschmack
, was wohl am besten daraus ersichtlich
wird, daß wir bei geschlossenen
Augen selbst scheinbar charakteristische Unterschiede im G. nicht erkennen
können.
Wie bei den meisten Sinnesempfindungen kann auch bei der Geschmack
sempfindung nur die
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Bedingung, unter der sie entsteht, nicht aber die Art, wie sie zu stande kommt, befriedigend erklärt werden. Vor allem muß
der Körper, der geschmeckt werden soll, auflöslich sein, widrigenfalls er zwar eine Empfindung auf der Zunge veranlaßt,
diese aber nicht Geschmack
genannt werden kann, da der Körper nur durch das auf der Zunge, die zugleich ein
feines Tastorgan ist, erregte Gefühl seine Gegenwart und wohl auch seine Gestalt bemerkbar macht. So die Metalle, denen
man oft fälschlich einen Geschmack
zugeschrieben hat.
Die Geschmack
sempfindungen, die durch Anwendung des Galvanismus
[* 3] erzeugt werden, nämlich durch den positiven Pol ein saurer,
durch den negativen ein alkalischer Geschmack
, entstehen durch die Einwirkung desselben auf die
Salze, die der Speichel enthält und die durch den Galvanismns zersetzt werden. Ferner gehört zur Erregung einer Geschmack
sempfindung
eine nervenreiche Fläche, eine Bedingung, die von der Zunge vollkommen erfüllt wird. In der Zunge verbreiten sich drei Äste
von verschiedenen, im Gehirn
[* 4] entspringenden Nerven,
[* 5] von denen der Unterzungennerv (nervus hypoglossus) zu
den Muskeln
[* 6] der Zunge tritt und entschieden nur die Bewegungen der Zunge vermittelt, der Zunge
nschlundkopfnerv (nervus glossopharyngeus)
am hintern Teile der Zunge und am Gaumen verläuft und hauptsächlich der Geschmack
sempfindung dient, der sog. Zunge
nnerv
(ramus lingualis nervi trigemini) endlich zum vordern Teil der Zunge geht und die Tastempfindungen znm Gehirn
leitet, die an der Zungenspitze am schärfsten wahrgenommen werden.
Die eigentlichen Endorgane der Geschmack
snerven liegen nach den neuern Untersuchungen bei dem Menschen und den höhern Sängetieren
in dem geschichteten Epithel der Zungenwärzchen, insbesondere der sog. wallförmigen Wärzchen
der Zungenwurzel, und bestehen in mikroskopisch kleinen, becherförmigen, nach außen offenen, von länglichen
Zellen erfüllten Gebilden, den sog. Geschmacksknospen oder Schmeckbechern, deren innerste Zellen mit feinsten Nervenfasern
in direkter Verbindung stehen, sodaß auch der Geschmack
snerv ähnliche specifische Nerven-Endapparate besitzt, wie sie für
den Hör- und Sehnerven schon längst bekannt sind.
Der Geschmack
ssinn ist für den Ernährungsvorgang von großer Bedeutung, indem wir durch ihn die Fähigkeit
besitzen, uns über gewisse Eigenschaften der zu unserer Ernährung in den Anfangsteil des Verdauungskanals, die Mundhöhle,
[* 7] aufgenommenen Nahrungsmittel
[* 8] zu orientieren. Da uns nachteilige Eigenschaften der Nahrungsmittel häufig am Geschmack
derselben
erkannt werden, so ermöglicht der Geschmack
ssinn uns in solchen Fällen die aus der Aufnahme derselben
drohenden Schädigungen zu vermeiden.
Jedoch nicht in allen Fällen; denn auch sehr giftige Bestandteile unserer Nahrung erzeugen oft überhaupt keine Geschmack
sempfindung.
Der Geschmackssinn ist im allgemeinen nicht sehr entwickelt; durch Übungen kann er wesentlich erhöht, durch Gewöhnung beträchtlich
abgestumpft werden. Krankhafte Abweichungen dieses Sinnes, Aufhebung des Geschmack und Geschmackstäuschungen kommen
besonders bei Krankheiten der Verdauung, wo die Zunge gewöhnlich belegt wird, und bei Nervenkrankheiten vor. -
Vgl. Bernstein, [* 9] Die fünf Sinne des Menschen (Bd. 12 der «Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek», 2. Aufl., Lpz. 1889);
von Vintschgau, Der Geschmackssinn (in Hermanns «Handbuch der Physiologie», Bd. 3, ebd. 1880).
Geschmack nennt man ferner die charakteristische Art und Weise, wie die verschiedenartigen Stoffe auf den Geschmackssinn wirken, und man unterscheidet demnach eine Menge Arten von Geschmack, die aber durch die verschiedenen Individualitäten sehr modifiziert und von ihnen sehr verschieden aufgefaßt werden. Der vor allen andern von der Mehrzahl gleich empfundene Geschmack ist der saure. Andere allgemeiner empfundene Kategorien sind der süße, bittere, salzige, fade Geschmack. Bei dem herben, zusammenziehenden Geschmack kommen schon reine Tastempfindungen ins Spiel, und dies ist noch mehr bei dem kühlenden, brennenden, kratzigen Geschmack der Fall. Wiederum denkt man bei dem ekligen, widerlichen und ähnlichen Geschmack an gewisse Gruppen von Bewegungserscheinungen (Brechen n. s. w.), die ihm leicht nachfolgen. Am weichen Gaumen wird besonders das Süße und Bittere leicht unterschieden, wie man sich überzeugen kann, wenn man bei ruhiger Zungenlage denselben abwechselnd mit Sirup und Aloetinktur benetzt.
Die Stärke [* 10] der Geschmacksempfindungen wächst mit dem Konzentrationsgrade der gelösten schmeckbaren Stoffe sowie mit der Größe der Berührungsfläche und der Dauer der Einwirkung. Außerdem ist sie größer, wenn vorher kontrastierende Geschmack eingewirkt hatten, während sie durch Ermüdung, d. h. durch längere Einwirkung desselben Geschmacksreizes, sehr bald abnimmt. Auch durch Einreiben der schmeckenden Substanz in die Zungenschleimhaut, was eben die Vergrößerung der Berührungsfläche und der Dauer der Einwirkung bedingt, wird die Intensität des Geschmack erhöht, weshalb wir beim Kosten die Zunge reibend am Gaumen hin und her bewegen.
Nach dem Genuß von gewissen Substanzen entsteht ein länger dauernder Nachgeschmack, der entweder durch das Zurückbleiben kleinster Partikelchen der genossenen Substanz auf der Zunge oder durch die Erregung der Geschmacksnerven, durch die in das Blut aufgenommenen Geschmacksobjekte zu stande kommt. Bisweilen kommen auch bei dem Geschmack deutliche Nachempfindungen vor, insofern das Schmecken einer Substanz den Geschmack einer andern verändert; so ist es jedem Gutschmecker bekannt, daß der Geschmack des Käses den für Wein erhöht, der von Süßigkeiten dagegen den letztern verdirbt. Durch mancherlei Momente wird die Feinheit des Geschmack abgestumpft, so durch Trockenheit der Zunge, noch mehr durch die katarrhalische Veränderung der Zungenschleimhaut, ferner durch sehr starke Geschmackseindrücke, weil diese die Geschmacksnerven ermüden, endlich durch sehr kalte oder sehr heiße Beschaffenheit der betreffenden Geschmacksobjekte.
Die Entwicklung des Geschmackssinns bei den Tieren scheint viel geringer als beim Menschen zu sein. Während die eine oder die andere Klasse des Tierreichs in der Schärfe irgend eines andern Sinnes vor dem Menschen bevorzugt ist, steht dieser in seiner Geschmacksfähigkeit unübertroffen da. Die Erfahrung lehrt jedoch, daß sehr viele Tiere einen ausgesprochenen Geschmack besitzen, nur ist es sehr schwierig, mit Sicherheit bestimmte Organe für den Sitz desselben nachzuweisen. Einer Anzahl von Tieren fehlen allerdings die Geschmackswerkzeuge ganz, und bei andern wieder sind sie so eingerichtet, daß ihnen kaum ein feiner Geschmack zugeschrieben werden kann. Oft wird dieser durch den Geruchsinn ersetzt. So mag der Geschmack bei Wassertieren vielfach mit dem Geruch zusammenfallen und an das Gefühl sehr nahe sich anschließen und seinen Sitz in besondern nervösen ¶
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Endzeilen der Haut [* 12] haben. Bei Landtieren wird man Geschmacksorgane am Anfang des Nahrungsrohres zu suchen haben. Von Urtieren, Hohltieren und Stachelhäutern ist nichts bekannt, was auch nur mit einem Schimmer von Wahrscheinlichkeit als besonderes Geschmacksorgan in Anspruch genommen werden könnte. Auch von den Würmern kennen wir sie mit Sicherheit nicht, obwohl z. B. die Blutegel [* 13] durch ihr Gebaren beweisen, daß sie schmecken. Bei den Wasser bewohnenden Krebsen mag Geruch und Geschmack zum Teil noch zusammenfallen, aber sie treffen in ihrer Nahrung entschieden Auswahl, ebenso die Weichtiere.
Man hat bei den Krebsen zwei Büschel nervenhaltiger Haare [* 14] an den Gliedern des äußern Astes der Innenfühler als Geschmacksorgane angesehen, und bei verschiedenen Schnecken, [* 15] deren Zunge unmöglich in dieser Richtung funktionieren kann, faßt man gewisse Papillen mit besondern Nervenendzellen (Geschmacksknospen) an den Fühlern und bei einigen Muscheln [* 16] ähnliche Gebilde am Rand des Mantels als Sitz des Geschmack auf. Die Insekten [* 17] besitzen Geschmack und teilweise einen sehr hoch entwickelten.
Manche Raupen fressen bloß ganz bestimmte Pflanzen, oder solche, deren Blätter offenbar ähnliche Substanzen enthalten, wenn sie auch ein ganz anderes Aussehen haben. So frißt die Raupe des mittlern Weinvogels Fuchsia und Epilobium, die einen recht verschiedenen Habitus haben, aber beide zur Familie der Onagrieen gehören, die des Oleanderschwärmers Oleander und Immergrün, äußerlich sehr wenig ähnliche Pflanzen, aber beide Mitglieder der Familie der Apocyneen.
Stubenfliegen erweisen sich als sehr wählerisch und Wespen suchen sich die reifsten Beeren an einer Weintraube aus und kosten Stück für Stück, unterscheiden pulverisierten Zucker [* 18] und Alaun [* 19] sehr wohl, kosten mit Chinin versetzten Honig, um sofort wieder von ihm abzulassen, es kann sie also der Geruch in diesem Falle nicht leiten. Als Sitz des Geschmack der Insekten dürften Gruben und becherförmige Organe im Schlund und am Hinterende der Zunge anzusehen sein. Bei den Wirbeltieren ist man von vornherein geneigt, die Zunge als Sitz des Geschmack anzusehen, und das mag für die meisten Landtiere, wo ihr feinerer Bau im ganzen betreffs der Nervenendigungen demjenigen des Menschen mehr oder weniger ähnlich ist, zutreffen.
Für die Fische, [* 20] die überhaupt nur eine rudimentäre Zunge besitzen, ist das sehr zweifelhaft, ebenso für gewisse Vögel [* 21] (z. B. dem Pelikan). Auch bei den Schlangen [* 22] kann die Zunge, die beim Schlingen weit nach vorn liegt, kein Geschmacksorgan enthalten, wie das überhaupt für alle Tiere, die ihre Beute ganz oder in sehr großen Stücken verschlingen, sehr zweifelhaft ist. Die Vögel haben mit wenig Ausnahmen eine von festem Hornepithel überzogene Zunge, und ihr Schmecken vollzieht sich wahrscheinlich im Gaumen. Wirbeltiere, die ihre Beute lebend und ganz verschlingen, haben vielleicht gar kein Geschmacksorgan in dem Sinne wie wir, es kann ihr Lustgefühl am Fressen möglicherweise auf eine ganz andere Art, etwa unmittelbar durch Gefühle, welche die sich bewegenden, zappelnden Bissen verursachen, erregt werden.
In ästhetischer Beziehung heißt Geschmack die Fähigkeit, das Schöne in der Natur wie in Kunstwerken zu empfinden und es vom Häßlichen zu unterscheiden. Insofern diese Fähigkeit lediglich der Gefühlsseite des Menschen angehört, glaubt man wohl dem subjektiven Belieben größern Raum gestatten zu können, und in diesem Sinne sagt man, daß sich über den Geschmack nicht streiten lasse. Insofern aber das wahrhaft Schöne und Künstlerische festen Gesetzen unterliegen soll, deren Darstellung die Aufgabe der Ästhetik (s. d.) wäre, könnte nur derjenige ein gebildeter genannt werden, dessen Urteil mit diesen allgemeinen Gesetzen übereinstimmt. Doch ist es sehr fraglich, ob es nicht gleichberechtigte entgegengesetzte Geschmacksrichtungen giebt.