Geschäftso
rdnung,
die Gesamtheit der
Regeln, welche für die geschäftsmäßige Behandlung und Erledigung der vor
eine Behörde, eine
Volksvertretung oder eine sonstige
Körperschaft gehörigen Angelegenheiten
maßgebend
sind. So bestehen nicht
nur für parlamentarische, sondern auch für andre Versammlungen: Gemeindekollegien,
Fraktionen, Vertretungen
von Kommunalverbänden, Richterkollegien etc. Geschäftso
rdnungen. Allerdings sind die parlamentarischen
Geschäftso
rdnungen von besonderer Wichtigkeit, und nach
Analogie derselben wird vielfach auch außerhalb der
Parlamente, z. B.
in
Volksversammlungen in Ansehung des
Präsidiums, des Schriftführeramts, der Meldung zum
Worte, des
Schlusses
der
Diskussion, der
Abstimmung etc., verfahren. Die Geschäftso
rdnungen der deutschen
Landtage
(Landtagsordnungen) haben in manchen
Staaten den
Charakter wirklicher
Gesetze, so in
Bayern
[* 3]
(Gesetz vom
Braunschweig
[* 4]
(Gesetz vom und Nachtragsgesetz
vom
Hessen
[* 5]
(Gesetz vom
Sachsen
[* 6]
(Landtagsordnung vom
Sachsen-Meiningen
(Gesetz vom
Sachsen-Weimar
(Gesetze vom und etc. Dabei besteht in manchen
Staaten
(Bayern,
Sachsen,
Sachsen-Meiningen) die Eigentümlichkeit, daß innerhalb des
Rahmens des Landtagsgesetzes die
Kammern befugt
sind, autonomische Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung zu treffen. In andern
Staaten beruht die
Geschäftso
rdnung lediglich auf autonomischer Feststellung des
Landtags, resp. jeder von beiden
Kammern, sofern das
Zweikammersystem besteht;
so in
Preußen,
[* 7] den preußischen Fürstentümern,
Waldeck,
[* 8]
Württemberg
[* 9] etc. Auch der deutsche
Reichstag hat nach der
Reichsverfassung
(Art. 27) das
Recht, seinen Geschäftsgang und seine
Disziplin durch eine Geschäftso
rdnung selbst zu regeln.
Die (revidierte) Geschäftso
rdnung datiert vom (s.
Reichstag). Die meisten parlamentarischen Geschäftso
rdnungen sind mehr dem
französischen als dem englischen
Muster nachgebildet, indem die eigenartigen Bestimmungen der englischen Geschäftsordnung
auf dem
Kontinent
nur wenig Eingang fanden. Auch der deutsche
Bundesrat (s. d.) hat seine eigne (revidierte) Geschäftsordnung
vom
In den
Parlamenten und namentlich auch im deutschen
Reichstag bestehen vielfach besondere Geschäftsordnung
skommissionen, welche die
Ausführung der Geschäftsordnung
zu überwachen, etwanige Bedenken und
Anträge, welche in Ansehung der geschäftlichen Behandlung von Reichstagsangelegenheiten
vorliegen, zu erörtern und nötigen Falls durch kommissarische Vorberatung für die Beschlußfassung
im
Plenum vorzubereiten haben.
Bemerkungen »zur Geschäftsordnung«
können in den
Sitzungen jederzeit gemacht werden, d. h. das
Wort zur Geschäftsordnung
wird auch außer der Reihenfolge
der zur
Sache gemeldeten Redner erteilt. Hierdurch wird zuweilen eine besondere Geschäftsordnung
sdebatte veranlaßt, welche
sich zwischen die
Debatte über den eigentlichen Gegenstand der Beratung einschiebt.
Vgl. außer den Hand- und Lehrbüchern des Staatsrechts: R. v. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Bd. 1, S. 207 ff. (Tübing. 1860);
Derselbe, Kritische Erörterungen über Ordnung und Gewohnheiten des Deutschen Reichs (in der Tübinger »Zeitschrift für die gesamten Staatswissenschaften« 1875, S. 38 ff.);
Schleiden, Die Disziplinar- und Strafgewalt parlamentarischer Versammlungen über ihre Mitglieder (Berl. 1879, 2 Hefte);
May, Treatise upon the law, privileges and proceedings of parliament (9. Aufl. 1883; deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1880).