Titel
Germersheim.
1)
Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Pfalz, hat 469,83
qkm, (1890) 52459 (26590 männl., 25869 weibl. E., 37 Gemeinden mit 96 Ortschaften, darunter 1 Stadt.
- 2) Bezirksstadt im
Bezirksamt Germersheim
und Festung,
[* 2] 14 km im
SW. von
Speier,
[* 3] an der Mündung der
Queich in den Rhein, der hier einen
alten und bequemen Stromübergang darbietet, und an den Linien
Schifferstadt-Speier-Lauterburg, Germershei
m-Zweibrücken-Saarbrücken
(127,8 km) der Pfälz. Eisenbahnen und
Bruchsal-Germersheim (25,6 km) der
Bad.
[* 4]
Staatsbahnen,
[* 5] Sitz des
Bezirksamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht
Landau)
[* 6] und
Aichamtes, hat (1890) 6137 E., darunter 2720
Evangelische
und 60 Israeliten, in Garnison (2519 Mann) das 2. und 3.
Bataillon des 17. Infanterieregiments Orff, das 2.
Bataillon
des 2. Fußartillerieregiments, die 5. Compagnie des 2. Pionierbataillons und die 3. Compagnie des 2. Trainbataillons, Postexpedition,
Telegraph,
[* 7] prot. und kath.
Kirche, Lateinschule, ein
Bezirksgremium für
Handel und
Gewerbe, mehrere
Kasernen, eine Militärschiffbrücke
und eine auf vier Pfeilern ruhende Eisenbahnbrücke; Getreide-,
Tabak-, Hanf-, Flachs- und Obstbau, Fischerei,
[* 8] Schiffahrt,
Schiffbau und Cigarren-, Essig- und Spritfabrikation, sowie eine Eisenbahnschwellen-Imprägnieranstalt. Auf dem
rechten Rheinufer liegt ein
Brückenkopf, der durch eine Schiffbrücke mit der Festung in
Verbindung steht. Auch die Rheininsel
Elisabethwörth oberhalb von Germersheim
ist befestigt.
Ursprünglich war ein röm. Kastell und
Standquartier, Vicus Julii genannt. Dann soll es als
Burg von
Kaiser
Konrad II. erbaut worden sein, wird aber urkundlich erst 1175 erwähnt; es verdankt größern Aufschwung dem König
Rudolf
I., welcher 1276 neben der
Burg eine Stadt anlegte, diese durch
Urkunde zu Worms
[* 9] vom mit den
Rechten der
Freien Reichsstadt
Speyer
[* 10] belehnte und wahrscheinlich dort 1291 starb.
Kaiser
Ludwig der
Bayer verpfändete 1330
die Stadt an
Rudolf II. und Ruprecht I. von der Pfalz; 1622 wurde sie von
Leopold von
Österreich
[* 11] erobert und war wechselnd im
Besitze der
Kaiserlichen,
Schweden
[* 12] und
Franzosen und kam 1648 wieder an Kurpfalz. 1674 wurde Germersheim
von
Turenne eingenommen
und die Festung zerstört.
Das von den
Franzosen wider
Recht angesprochene
Amt Germersheim
wurde von den pfälz. Ministern 1682 gegen eine Geldentschädigung an
Frankreich abgetreten. Nach dem
Tode des Kurfürsten
Karl (1685) nahmen die
Franzosen 1688 Germersheim
als Allodialerbe der Herzogin von
Orléans
[* 13] in
Besitz, mußten es aber im Ryswijker Frieden von 1697 der Pfalz zurückgeben, allein 1715 wurde
Stadt und
Amt Germersheim
von
Frankreich als Zubehör des Elsasses beansprucht, in
Besitz genommen und abermals befestigt.
Auch im
Österreichischen Erbfolgekrieg spielte Germersheim
1744 durch die sog. bis an die
Lautermündung aufgeführten «Linien von Germersheim
und Lauterburg»
eine Rolle. Im Revolutionskrieg erfochten die
Österreicher 19. und unter Wurmser einen
Sieg
über die
Franzosen unter
Beauharnais, dann kam Germersheim
unter franz. Herrschaft. Nach dem zweiten
Pariser Frieden wurde 1816 die
wieder bayrisch gewordene Stadt zur deutschen
Bundesfestung bestimmt und blieb dies bis 1866.
Bayern
[* 14] erhielt zum
Bau 15 Mill.
Gulden von den franz. Kontributionsgeldern. Die
Arbeit selbst aber begann und wurde nach der
Neupreußischen Befestigungsmanier (s. d.) ausgeführt.
Beim
Ausbruch des
Krieges 1870 war Germersheim
der Ausgangspunkt für die
Operationen
der deutschen Dritten
Armee unter dem Kronprinzen von
Preußen.
[* 15]