Germanische
Sprachen, eine der großen Sprachfamilien des indogermanischen
Sprachstammes, die man nebst den litauischen
und slawischen
Sprachen in der
Gruppe des Nordeuropäischen zusammenfaßt, im
Gegensatz zu den südeuropäischen
(Griechisch,
Italisch,
Keltisch) und den asiatischen
(Indisch und
Iranisch)
Gliedern des
Stammes. Die germanischen
Sprachen
zerfallen in drei Hauptteile: gotische, skandinavische oder nordgermanische
und westgermanische oder deutsche
Sprachen.
Der gotische Zweig (s. Gotische Sprache) ist jetzt gänzlich ausgestorben;
das Skandinavische [* 2] oder Nordische zerfällt in die dänisch-schwedische und in die norwegisch-isländische Gruppe;
Spottiswoode - Sprache

* 3
Sprache.die ältere Sprache [* 3] der letztern, welche uns in zahlreichen Litteraturdenkmälern erhalten ist, nennt man Altnordisch. In Norwegen [* 4] hat man infolge der langen Vereinigung mit Dänemark [* 5] das Dänische als Schriftsprache angenommen;
es macht sich jedoch in der Gegenwart eine sehr starke nationale Bewegung gegen das Dänische geltend.
Das echte
Norwegische lebt noch in Volksmundarten und hat sich in
seiner isländischen
Abart bis heute auf
Island
[* 6] in der
Schrift erhalten. Die weiteste Verbreitung haben die westgermanischen
oder deutschen
Sprachen. Die zu ihnen gehörigen
Stämme sitzen (oder saßen in historischer Zeit) im eigentlichen
Deutschland
[* 7] und lassen sich nach sprachlichen
Gesichtspunkten einteilen in
Oberdeutsche
(Bayern
[* 8] und
Alemannen),
Franken,
Sachsen
[* 9] und
Friesen. Die
Friesen saßen an den
Küsten der
Nordsee von den
Niederlanden bis
Schleswig;
[* 10] ihre
Sprache hat sich jetzt
nur noch auf den schleswigschen
Inseln (Nordfriesisch) und im holländischen Westfriesland erhalten.
Niederlande

* 11
Niederlande.Von den Sachsen trennte sich der Zweig der Angelsachsen ab, welcher im 5. Jahrh. nach Britannien ging und sich dort selbständig weiterentwickelte. Aus dem Angelsächsischen entstand unter zahlreicher Einmischung romanischer Wörter die englische Sprache. Die Sprache der in Deutschland zurückgebliebenen Sachsen, das Altsächsische, setzt sich in den heutigen niedersächsischen oder plattdeutschen Mundarten fort. Westlich daran grenzt das Fränkische, die Sprache der Franken, welche sich von der Pfalz den Rhein entlang bis in die Niederlande [* 11] erstreckten.
Die altfränkische
Sprache ist die
Mutter der heutigen deutschen niederrheinischen
Mundarten und des
Niederländischen, in welch
letzterm sie sogar eine Schriftsprache erzeugt hat. Die
ober- oder hochdeutsche
Sprache endlich ist hauptsächlich die
Sprache
des schwäbisch-alemannischen und des bayrischen
Stammes; als dritter Hauptteil gesellen sich die südlichen
Franken
(Oberfranken) hinzu, deren
Mundart jetzt allein die fränkische genannt zu werden pflegt. Das
Hochdeutsche teilt man
seiner geschichtlichen
Entwickelung nach in drei
Perioden:
Alt-,
Mittel- und Neuhochdeutsch (s.
Deutsche Sprache).
[* 12] Die übrigen
alten deutschen
Stämme, von welchen wir historische
Kunde haben, wie die
Cimbern,
Gepiden,
Vandalen u. a.,
können wir aus Mangel an
Denkmälern sprachlich nicht gruppieren. - Fragt man nach dem
Grund, weshalb man die aufgezählten
Sprachen unter einem Gesamtnamen zusammenfassen und den übrigen indogermanischen
Sprachen gegenüberstellen kann, so ist hauptsächlich
eine Eigentümlichkeit anzuführen, durch welche sich die germanischen
Sprachen scharf herausheben: das
von
Grimm entdeckte sogen.
Gesetz der
Lautverschiebung.
Außerdem ist den germanischen
Sprachen unter vielem andern gemeinsam die
Bildung einer schwachen und starken Adjektivform.
Wenn wir nun danach annehmen müssen, daß in sehr früher Zeit die germanischen
Sprachen ein einheitliches Ganze darstellten,
so treten sie in der ältesten uns überlieferten Gestalt doch schon in die
oben angegebenen
Mundarten
gespalten auf, deren Verschiedenheiten im
Lauf der Zeit immer größer werden.
Grammatisch behandelt wurden die germanischen
Sprachen zuerst vollständig und im Zusammenhang von J.
Grimm (»Deutsche
Grammatik«, 4 Bde.,
Götting. 1819-37 u. öfter).
Schätzbare Materialien für vergleichende Lexikographie gibt
Diefenbachs »Vergleichendes
Wörterbuch der
gotischen
Sprache« (Frankf. 1846-51, 2 Bde.) sowie
Ficks »Vergleichendes
Wörterbuch der indogermanischen
Sprachen« (3. Aufl.,
Götting. 1875, 4 Bde.) und O.
Schades
»Altdeutsches
Wörterbuch« (2. Aufl.,
Halle
[* 13] 1874-80). Sämtliche germanische Sprachen
berücksichtigt
auch in etymologischer Hinsicht, obwohl vom Neuhochdeutschen ausgehend, das »Deutsche
Wörterbuch« der
Brüder
Grimm.