[* 2] rechtsseitiger Nebenfluß der
Unstrut in
Thüringen, entspringt am Nordfuß des
Schneekopfes im
Thüringer Wald,
oberhalb
Elgersburg im Herzogtum Gotha,
[* 3] aus zwei Quellflüssen (eigentliche und wilde Gera), nimmt die Wipfra,
Gramme,
Apfelstedt
etc. auf, fließt durch das Schwarzburgische und Preußische, teilt sich
beim
Austritt aus
Erfurt
[* 4] in die Wilde und die Schmale Gera und mündet (jene bei
Gebesee, diese bei Werningshausen) nach 75 km
langem
Lauf.
[* 2] Stadt im
FürstentumReuß
[* 5] j. L., Hauptstadt der gleichnamigen Herrschaft oder des unterländischen Verwaltungsbezirks,
liegt anmutig im
Thal
[* 6] der
WeißenElster,
[* 7] ist
Knotenpunkt der
LinienWeißenfels-Gera und
Gera-Eichicht der Preußischen
wie der
LinieGößnitz-Gera der
Sächsischen Staatsbahn und der
EisenbahnWeimar-Gera und hat, nachdem sie durch den
Brand von 1780 fast
ganz zerstört wurde, ein neues und schönes Ansehen erhalten, das vorzüglich seit 1850 noch durch Anlegung mehrerer neuer
Stadtteile gehoben ward.
Charakteristisch für den alten Stadtteil sind die hohen, fast immer mit Felsenkellern
versehenen
Häuser. Bemerkenswert sind besonders das fürstliche
Schloß am Johannisplatz sowie das
¶
mehr
altertümliche Rathaus. Auf dem Johannisplatz steht das Standbild des verdienten FürstenHeinrich Posthumus (gest. 1635). Die
Bevölkerung
[* 9] beläuft sich (1885) inkl. Garnison (1 Infanteriebataillon Nr. 96) auf 34,152 Seelen, darunter (1880) 259 Katholiken.
Die Industrie ist sehr bedeutend. Obenan steht die Wollwarenmanufaktur, begründet von Nikolaus de Smit, welcher 1595 von Flandern
her einwanderte; sie umfaßt 23 Etablissements mit einem jährlichen Umsatz von 18 Mill. Mk. Für Fabrikation von Kammgarnstoffen
sind ca. 2500 mechanische Webstühle
[* 10] aufgestellt.
Mehrere Kammgarnspinnereien, Stückfärbereien und Appreturanstalten unterstützen diesen Industriezweig. Bedeutend sind
auch die Leder-, Tabaks- und Zigarren-, insbesondere aber die von Wien
[* 11] hierher verpflanzte Harmonikafabrikation. Die
jährliche Produktion der acht Fabriken (mit ca. 1500 Arbeitern) beträgt etwa 15,000 StückMelodions, 300,000 Akkordions und
250,000 Dutzend Mundharmoniken. Außerdem besitzt Gera Maschinenbau und Eisengießerei,
[* 12] Wagenfettfabrikation, große Buch- und
Steindruckereien, Bierbrauereien, zahlreiche Kunstgärtnereien mit starker Blumenzucht etc.
Der lebhafte Handel, vermittelt durch eine Reichsbankstelle, die GeraerBank, eine Gewerbe- und eine Handels- undKreditbank, befaßt sich außer mit den heimischen Erzeugnissen mit Landesprodukten, Mehl,
[* 13] Öl, Spiritus
[* 14] etc. Groß ist die Zahl
der Buchhandlungen: 7 Firmen, darunter 4 Verlagshandlungen. hat 2 Kirchen, ein Gymnasium (1608 gegründet), eine Realschule erster
Ordnung, eine Handels- und kaufmännische Hochschule, vorzüglich organisierte Bürger- und Volksschulen,
zum Teil in mustergültig eingerichteten neuen Gebäuden, eine Fachwebschule, ein Waisenhaus, eine Privatirrenanstalt, ein
Landesarbeitshaus, ein Theater
[* 15] und ist Sitz der Landesbehörden für Reuß j. L., eines Landratsamtes, eines Landgerichts (für
die acht Amtsgerichte zu Auma, Gera, Hirschberg
[* 16] a. S., Hohenleuben, Lobenstein, Neustadt
[* 17] a. O., Schleiz
[* 18] und Weida), eines Hauptsteueramtes
und einer Handelskammer. Gera gegenüber, am linken Ufer der Elster, liegt der OrtUntermhaus mit (1885) 3220 Einw.; über demselben,
am Abhang des bewaldeten Heinbergs, das fürstliche Residenzschloß Osterstein mit vielen Kunstschätzen. - in UrkundenGeraha,
verdankt seine Entstehung wahrscheinlich den Sorben, gehörte seit 999 dem StiftQuedlinburg
[* 19] und wurde zu
Ende des 12. Jahrh. den Vögten von Weida (s. Reuß) überlassen, während die Lehnshoheit über Gera zu Anfang des 14. Jahrh.
an Thüringen fiel. Im sächsischen Bruderkrieg ward Gera vom LandgrafenWilhelm III. von Thüringen nach langer Belagerung
gestürmt und von den böhmischen Hilfsvölkern des letztern niedergebrannt. Im Vertrag zu Gera 1599, der 1603 in
Ansbach
[* 20] bestätigt wurde, überließ KurfürstJoachimFriedrich vonBrandenburg
[* 21] die fränkischen Fürstentümer seinen Stiefbrüdern.
Am Osterfest 1639 wurde Gera fast zur Hälfte von den Schweden
[* 22] verwüstet. Die große Feuersbrunst vom legte 31 öffentliche
Gebäude und 686 Bürgerhäuser in Asche. Auch in den Kriegen von 1806 bis 1814 ward Gera hart mitgenommen.
- Die Herrschaft Gera, 240 qkm groß, war seit Mitte des 13. Jahrh. Besitztum einer
eignen Linie der spätern Fürsten von Reuß, fiel 1550 an die Plauensche Hauptlinie und wurde 1666 mit Saalburg einer Speziallinie
zugeteilt, nach
deren Aussterben (1802) die Herrschaft an die Fürstenhäuser Reuß-Schleiz und Reuß-Lobenstein-Ebersdorf
fiel, welche die Regierung gemeinschaftlich führten. (Weiteres s. Reuß.)
Vgl. F. Hahn,
[* 23] Geschichte von Gera und dessen Umgebung
(Gera 1855, 2 Bde.);
Fischer, Die Stadt Gera und ihre kommunalen Einrichtungen (das. 1878);
»Urkundensammlung zur Geschichte
der Herrschaft Gera im Mittelalter« (hrsg. von Alberti, das. 1882).