(von den Russen Grusiner genannt), ein zur karthwelischen Gruppe des kaukasischen Stammes gehöriges Volk in
Kaukasien, das als Georgier im engern Sinn (301,537 Köpfe) das Gouvernement Tiflis und den Sakataschen Bezirk, als
Georgier im weitern Sinn (Imerethier und Gurier, 379,112 Köpfe) zum größern Teil das Gouvernement Kutaïs, zum kleinern das Gouvernement
Tiflis bewohnt. Die Georgier sind ein altes Kulturvolk, dessenungeachtet ist ihr Ursprung unbekannt. Nach einheimischen
Chroniken ist Thargamos, im vierten Glied von Noah abstammend, der Stammvater des georgischen Fürstengeschlechts.
Er teilte sein Reich unter seine beiden Söhne Haik und Karthlos, welch letzterer Karthli oder Karthwelien erhielt; Mzschet,
an dem Zusammenfluß der Aragwa und Kura, war seine Residenz (s. Georgien).
Ursprünglich der Lehre Zoroasters anhängend, bekennen sich die Georgier jetzt zur griechisch-katholischen Kirche.
Eine der schönsten Rassen der Erde, sind sie groß, schlank, von kräftigem Wuchse, schönen Gesichtszügen mit dunkeln Augen
und dunklem, lockigem Haar. Ihre Tracht besteht bei den Männern aus einem bis zum Knie reichenden Rock mit langen geschlitzten
Ärmeln, einer Ärmelweste, weiten Beinkleidern in den Stiefeln, einer spitzen Mütze aus schwarzem oder
grauem Lämmerfell. An Stelle der letztern tragen die Imerethier und Gurier eine tellerartige, farbige, mit Goldschnur besetzte
und unter dem Kinn festgebundene Mütze, dazu lange, nicht weite Beinkleider, eine kurze Ärmelweste und darüber eine Jacke
mit vielen Knöpfen.
Die Frauen (s. Tafel »Asiatische Völker«, Fig. 25), sonst europäisch gekleidet, hüllen sich beim Ausgehen
in einen Schleier (Tschadra) und setzen dazu ein kleines goldgesticktes Samtmützchen auf. In der Jugend meist sehr schön,
verblühen sie ungemein schnell. Voll Selbstgefühl, Ehr-, Ruhm- und Prunksucht, hat der Georgier Hang zur Trägheit und arbeitet
eigentlich nur, um sich Subsistenzmittel zu verschaffen; die übrige Zeit widmet er dem Vergnügen. Jagd,
Ringkämpfe und Tanz liebt er sehr.
Die Frauen verbringen ihre Zeit mit dem Besuch der Kirchen, des Bades, mit häuslichen Verrichtungen und Vergnügungen. Während
die Bauern oft noch Erdhütten bewohnen, sind die Häuser in den Städten von Ziegeln oder von Stein mit platten
Dächern. Die Georgier treiben vorzugsweise Acker- und Weinbau, aber auch Vieh-, besonders Schafzucht. Man unterscheidet fünf Stände:
den hohen Adel (Mthawar), den niedern Adel (Asnaur), Kaufleute und handeltreibende Handwerker, Landbauer (Msachuri) und Glichi,
welche die Feldarbeit besorgen.
Vgl. »Petermanns Mitteilungen« (Ergänzungsband 12, 1878).
im engern Sinn die Bewohner des ehemaligen Königreichs Grusien, das größtenteils mit dem jetzigen Gouvernement
Tiflis des russ. Generalgouvernements Kaukasien zusammenfällt. Sie nennen sich selbst nach ihrem Stammvater Karthlos Karthweli
oder Karthli; bei den Russen heißen sie Grusinen (Grusiny), bei den Persern und Türken Gurdschi, woraus
wahrscheinlich der in Westeuropa gebräuchliche Name Georgier im Mittelalter entstanden ist. Im weitern Sinn versteht man unter Georgier die
ganze sog. kartwelische Völkergruppe, die Transkaukasien von der Küste des Schwarzen Meers bis zur Mündung des
Alasan in
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die Kura bewohnt. Sie zerfällt in die eigentlichen Georgier (etwa 310000), die Mingrelier (200000), die Imeretier
und Gurier (zusammen 380000), Kobulezen und Adscharen (zusammen 46000), die Chewsuren (s. d.), Pschawen und Tuschen (zusammen
2000). Dazu kommen noch die Swaneten (12000), die mohammedanischen Georgier (Engiloi, d. h. Bekehrte, genannt) um Lagodechi (Kreis
Sakatalv), die Mtiuli (d. h. Bergleute) am obern Lauf der Aragwa und die aus Grusien ausgewanderten am
obern Lauf des Terek angesiedelten Georgier. Die Gesamtzahl dieser Völker, die zum Teil nur nach der Örtlichkeit benannt sind, beträgt
etwa 1 Mill. Sie sprechen alle die Georgische Sprache (s. d.) mit wenig Abweichungen.
Die Georgier sind iran. Abstammung, wenn auch da und dort mit Semiten und Turanen vermischt, von Wuchs im allgemeinen
groß, mit edelgeformtem Schädel (dolichocephal), geradstehenden Kiefern und Zähnen, dunkeln Augen, dichtem, meist schwarzem
und gelocktem Haar, reichlichem Bartwuchs, weißer, durch die Sonne etwas gebräunter Hautfarbe. Die Frauen haben auffallend
regelmäßige Züge, aber meist ohne Ausdruck, und verblühen bald. Der Georgier ist sehr gastfreundlich und
liebenswürdig, liebt fröhliche Gesellschaft beim Klang der einheimischen Musik (surna und sasandri) oder der Drehorgel bei
Tanz und Spiel, greift aber, vom Wein erhitzt, leicht zum Dolche (kinžal).
Das Kostüm der Männer und Frauen ist sehr kleidsam; letztere hüllen sich auf der Straße in weiße Laken,
die oft über den Kopf gezogen werden. Die frühern Erdhütten der Georgier mit flachen Dächern (sakli), auf denen der birnförmige
Kamin aufgesetzt ist, und mit ihren Veranden werden mehr und mehr durch Häuser nach europ.
Art mit großen Balkons verdrängt. Die innere Einrichtung ist dürftig und meist unsauber. In gesellschaftlicher
Beziehung bestehen die Georgier aus einem heruntergekommenen Adel und einem armen Bauernstand, wegen ihrer Trägheit können sie andern
Völkern des Kaukasus, namentlich den Armeniern gegenüber, nicht aufkommen.