Georgien
(Gurdschistan bei den
Iraniern,
Iberien bei den Alten,
Wrastan bei den Armeniern,
Grusien bei den
Russen), ehedem
(bis 1799) selbständiges
Königreich in
Transkaukasien, auf der südlichen
Abdachung der
Wasserscheide zwischen dem
Schwarzen
und
Kaspischen
Meer, besonders das obere und mittlere
Thal
[* 2] des
Kur umfassend, jetzt der
Kern der russischen
Statthalterschaft
Kaukasien
(s. d.). Georgien
war stets der Zankapfel zwischen den herrschenden
Stämmen in
Persien
[* 3] und in
Kleinasien
und hat in die Geschichte des asiatischen
Kontinents niemals in hervorragender
Weise eingegriffen. Über den
Namen und seine
Bedeutung besteht Unklarheit; er wird von
Georg, dem Schutzheiligen des
Landes, abgeleitet, lautet aber
bei den persischen Dichtern Ghartschegan und
Ghar für das
Volk, was eine Übersetzung von in die Landessprache sein kann,
aber auch auf eine ältere iranische Form, wie Karka, zurückführen könnte. S.
Georgier.
Die älteste Geschichte ist durchaus sagenhaft; daß
Alexander d. Gr. das
Gebirge überschritten und in
Georgien
geherrscht habe, ist unbegründet.
Um den Beginn der christlichen
Zeitrechnung waren die
Großen des
Reichs in
Fehde begriffen
und führten persische wie armenische
Hilfstruppen ins
Feld. Der
Kampf endete mit
Teilung des
Landes in zwei
Reiche, deren
Grenze
der
Kur bildete (erste
Teilung Georgiens
). Beide Fürstentümer errangen als
Bundesgenossen Vorteile über
die Armenier; um 113 entzweiten sich die
Fürsten, und das südliche
Reich konnte nur mit
Hilfe persischer
Truppen behauptet
werden. Im Anfang des 2. Jahrh. wurde Georgien
wieder unter einem Herrscher geeinigt.
Etwas später gefährdeten ein
Einfall der
Osseten und die schlechte
Regierung des
Fürsten Amsasp den Bestand
des
Reichs; die Armenier stellten wieder
Ordnung her und brachten ihren Schützling Rew (186-213), mit dem Beinamen der
Gerechte
(Marthili), auf den
Thron.
[* 4] Das
Christentum soll in Georgien
schon 31 durch die
Apostel
Andreas und
Simon verkündet worden sein, doch
erst der genannte
Fürst leistete seiner Verbreitung Vorschub. Unter Mirian (265-342), der seine
Erhebung
wieder den Persern verdankte, faßte das
Christentum durch den
Bischof
Eustathios dauernd im
Volk
Wurzel.
[* 5]
Während der Thronstreitigkeiten unter seinen Nachfolgern rissen die
Perser weitere
Stücke des
Landes
an sich, mußten sie aber
an den thatkräftigen georgischen König Tirdat (395-405) wieder zurückgeben.
In das Jahr 455 fallen
die
Erbauung von
Tiflis und die
Stiftung der hohen geistlichen
Würde eines
Katholikos oder geistlichen Oberhaupts von Georgien;
unter
Wachthang-Gurgastan (446-499) war Georgien
nach außen mächtig. Datschi (499-528) verlegte die
Residenz von Mzcheth etwas flußabwärts
nach
Tiflis am
Kur.
Die
Angriffe der
Perser stellten aufs neue die Fortdauer des
Reichs in
Frage; der schwache König Bakur stellte
sich unter den
Schutz der byzantinischen
Kaiser, die hier seit dem 4. Jahrh. Einfluß erhalten hatten, und Justinian setzte
in Georgien
574
Stephan I. als König, in Wirklichkeit aber als
Statthalter ein und beseitigte so die alte Chosru-Dynastie,
die an 344 Jahre über Georgien
geherrscht hatte. Diesem folgten aus dem
Geschlecht Gurams (zuerst Oberbefehlshaber, dann
Stephans
Nachfolger) die
Guramiden als
Vasallen des byzantinischen
Reichs.
Bald darauf fand der erste
Einfall der
Muselmanen statt, welche das Land mehrfach verwüsteten und 787 nach dem Aussterben
der
Guramiden der
Familie der
Bagratiden den Weg zum
Thron bahnten, jedoch unter arabischer Oberherrschaft. Um 842 unterwarf
sich der
Türke Bugha Georgien;
unter Adarnasse (881-925) verwüsteten die
Perser das Land. Darauf machten die byzantinischen
Kaiser
wieder
Rechte an Georgien
geltend und setzten zwischen 991 und 1072
Könige ein. Bedeutend darunter war Bagrat
IV., der sehr thätig war für die
Erhaltung der georgischen
Sprache
[* 6] und Litteratur.
Seit 1070 bemühten sich wieder persische
Könige um die Ausbreitung des
Islam in Georgien
und unterwarfen die
Christen den ärgsten
Bedrückungen. Da entfaltete das
Volk unter der
Führung des bedeutendsten unter seinen Herrschern,
Davids
II. (IV.), mit dem Beinamen Aghma Schenebeli (»Erneuerer«, 1089-1130),
eine noch nie dagewesene
Energie. Das Land ward von den Eindringlingen gesäubert und sein
Name bei den Persern wie bei den
türkisch-tatarischen
Horden, die um diese Zeit bis nach Georgien
zu streifen begonnen hatten, gefürchtet gemacht.
Unter
Georg IV. (1198-1223), der das
Christentum unter den Bergvölkern verbreiten ließ, verwüstete
Dschengis-Chan
das Land, und von da an beginnt der
Verfall des
Reichs, das sich seitdem nie mehr zu größerer Bedeutung aufschwingen konnte;
Georgiens
Geschichte bildet seitdem »eine lange
Reihe von Verheerungen, Niedermetzelungen,
Revolutionen und unheilvollen
Invasionen«
(Radde).
Schon unter
Georgs IV. Sohn ward das Land aufs neue Schauplatz der
Kämpfe zwischen kurdischen und
persischen
Fürsten, welch letztere die Oberhand behielten, was 1241 die zweite
Teilung Georgiens
zur
Folge hatte.
Unter Wachthang II. wurden die zwei Reiche wieder vereinigt; ja, durch Georg VI. (1304-60) wurde das Land sogar von den Persern befreit und im Innern so gekräftigt, daß eine neue Zeit der Blüte [* 7] anzubrechen schien. Da verwüstete unter seinen zwei Nachfolgern Timur wiederholt das Land und zwang die Bewohner zum Übertritt zum Islam. Wiederum erholte sich das Land, und Alexander I. (1414-24) war nach Vertreibung der Mohammedaner eifrig bemüht, das unter ihm wiedervereinigte Reich zu heben; er verteilte aber das Land unter seine drei Söhne, wodurch die drei Reiche Imerethi, Karthli und Kacheti entstanden, die nur vorübergehend unter Wachthang IV. (1639-76) wieder vereinigt waren.
Der größte Teil von
Imerethi wurde 1801 dauernd von den
Russen besetzt.
Karthli stand zuerst unter dem
Schutz
Persiens,
fiel aber 1762 an
Kacheti, und
Fürst
Irakli II. stellte, um vor den
Versuchen der
Perser, die Bewohner zum
Islam zu zwingen, gesichert
zu sein,
Karthli und
Kacheti 1783 unter russische
Oberhoheit.
Iraklis Nachfolger
Georg XIII. trat sein
Reich ganz an Rußland ab,
und
Kaiser
Alexander I. erklärte Georgien
1802 zur russischen
Provinz. Die
Prinzen der königlichen
Familie aber,
denen eine
Pension und russische militärische
Grade verliehen wurden, ließ
Alexander I. nach Rußland abführen.
Nachdem im
Frieden von
Adrianopel 1829 von der
Pforte auch der der türkischen Herrschaft unmittelbar unterworfene Teil von
Georgien
mit der
Festung
[* 8]
Achalzych an Rußland abgetreten worden, steht gegenwärtig ganz Georgien
, das 21
Jahrhunderte
hindurch eigne
Könige gehabt, unter russischer Herrschaft. Das alte Königsgeschlecht erlosch schon mit dem
Neffen
Georgs XIII.,
dem
Fürsten Heraklius von
Grusien, der am in
Tiflis starb.
Vgl. außer den Reisebeschreibungen von Klaproth (1812-14), Dubois du Montpereux (1839-1843), Haxthausen u. a.: Brosset, Description géographique de la Géorgie (Petersb. 1842);
Derselbe, Histoire de la Géorgie (das. 1850-59, 2 Bde.), ¶
mehr
beide Werke aus dem Georgischen übertragen; Langlois, La Géorgie.
Histoire, géographie, etc. (in der »Revue de l'Orient« 1860); Villeneuve, La Géorgie (historisch, Par. 1871); Leist, Georgien, Natur, Sitten und Bewohner (Leipz. 1885).