Genova
6 Wörter, 46 Zeichen
[* 2] (ital. Genova, franz. Gênes), ital. Provinz in der Landschaft Ligurien, grenzt im S. an das Mittelmeer, das hier den großen Golf von Genua bildet, im W. an die Provinzen Porto Maurizio und Cuneo, im N. an Alessandria und Pavia, im O. an Massa e Carrara, ist 4072 qkm (nach Strelbitskys Berechnung 4194 qkm = 76 QM.) groß und umfaßt den nördlichen Teil der sogen. Riviera di Ponente und die ganze Riviera di Levante, d. h. den schmalen Küstenstrich am Golf von Genua bis nördlich über den Apennin. Die Provinz entspricht im wesentlichen dem alten Ligurien und der spätern Republik Genua, welch letztere sich allerdings nördlich noch weiter ausdehnte, und wird im W. von den Ausläufern der Seealpen, im östlichen Teil vom Ligurischen Apennin (1600 m hoch) durchzogen. Die Zuflüsse des Mittelmeers [* 4] sind Küstenflüsse von kurzem, reißendem Lauf, wie Bisagno und Magra; die an der Nordseite des ¶
Apennin entspringenden Flüsse [* 6] Bormida, Scrivia, Trebbia fließen nach N. dem Po zu. Das Klima [* 7] ist mild und gesund, aber sehr unbeständig, mit wechselvollen Winden. [* 8] Die Einwohner (Genuesen), deren Zahl (1881) 760,122 beträgt, reden einen besondern, schwerverständlichen Dialekt, sind ein schlanker, beweglicher und arbeitsamer Menschenschlag und gelten für schlau und wankelmütig. Sie waren zu allen Zeiten als tüchtige Seeleute berühmt. Außer der Schiffahrt sind Industrie und Handel hoch entwickelt.
Die wichtigsten Zweige der erstern sind: die Seiden-, Baumwoll- und Schafwollindustrie, die Papier-, Seifen-, Teigwaren- und Konservenfabrikation, der Maschinen- und Schiffbau. Bedeutende Hafenorte sind außer Genua Spezia, [* 9] Savona und Albenga. Die Provinz zerfällt in die Kreise [* 10] Genua, Albenga, Chiavari, Savona und Spezia. Die Landschaften um den Golf von Genua sind reizend, zum Teil mit dem üppigsten Pflanzenwuchs geschmückt. Bei dem steilen Abfall der Gebirge ist der Anbau von Getreide, [* 11] dann von Gemüsen auf die wenig ausgedehnten Ebenen beschränkt; dagegen ist das Hügelgelände überall mit Oliven-, Südfrüchte-, Maulbeer- und Weinpflanzungen bedeckt. S. Karte »Oberitalien«. [* 12]
Die gleichnamige Hauptstadt (mit dem Beinamen la superba, im genuesischen Volksdialekt Zene) liegt im innern Winkel [* 13] des Meerbusens von Genua, wo sie zwischen zwei im O. und W. mündenden Flüßchen an den Bergterrassen des Apennin bis zu einer Höhe von 160-190 m amphitheatralisch emporsteigt. Ausgezeichnet durch einen den kleinern Schiffen des Altertums und Mittelalters ohne wesentliche künstliche Verbesserung genügenden Naturhafen, mußte sich an dieser Stelle eine große Handelsstadt entwickeln, sobald die Länder Oberitaliens u. Mitteleuropas sich zu höherer Kultur erhoben und Straßen über den hier durch das Thal [* 14] der Polcevera eingeschnittenen und leicht gangbar zu machenden Apennin gebahnt waren.
Schon zu Hannibals Zeit war Genua der bedeutendste Platz Liguriens, von wo 148 v. Chr. die Via Postumia nördlich zum Padus, 104 die Via Ämilia nach Luna gebaut wurde. In diesem Winkel an der nördlichsten Ausbuchtung des westlichen Mittelmeerbeckens stießen die beiden längs der ligurischen Küsten führenden Wasserstraßen, auf welche aller Verkehr bei der Steilheit der Berge angewiesen war, zusammen, um sich vereint als Landstraße über den Apennin fortzusetzen.
Wenn auch wesentlich infolge der verringerten Bedeutung des ganzen Mittelmeers seit dem 16. Jahrh. Genua sank, so mußte sich die Gunst seiner Lage doch neuerdings geltend machen, sobald durch Eisenbahnen wieder lebhaftere Beziehungen zum Hinterland hergestellt waren. So sehen wir seit einigen Jahrzehnten die Stadt in raschem Aufschwung, der durch Eröffnung der Gotthardbahn, welche Genua zum nächsten Hafen für die Schweiz [* 15] und das südwestliche Deutschland [* 16] machte, noch mehr gestiegen ist.
Eine doppelte Umwallung umschließt die um das halbkreisförmige Hafenbecken gelagerte Stadt, die äußere zieht sich über die umliegenden Höhen und steht mit den vorgeschobenen Festungswerken und Forts in Verbindung, die ganz oben in einem spitzen Winkel, dem »Sporn« endigen und in Verbindung mit den Hafenbefestigungen Genua zu einer der stärksten Festungen Italiens [* 17] machen. Die Bauart der Stadt, bedingt durch deren Lage und das sengende Sommerklima, trägt den Charakter des Massenhaften.
Die Häuser sind aneinander geschichtet, die Straßen meist erstaunlich eng, dazu von acht- bis neunstöckigen Häusern eingefaßt und sehr düster, aber äußerst sauber gehalten. Sie führen bald auf-, bald abwärts und sind hier und da durch Marmortreppen oder, wo ein Felsenspalt sie trennt, durch Brücken [* 18] miteinander verbunden. Bemerkenswert ist unter den letztern namentlich der 34 m hohe Ponte Carignano. Gefahren wird nur in einigen breiten Hauptstraßen; sonst dienen Portechaisen den Menschen als Transportmittel, während zahlreiche Reihen von Maultieren die Waren fortschaffen.
Die schönste Straße Genuas ist die Via Balbi, welche mit ihren Verlängerungen, der Via Nuovissima, Via Garibaldi und Via Carlo Felice (8-9 m breit), den Corso von Genua bildet. Die Paläste, welche diese Straßen zieren, ruhen zumeist auf einem Unterbau von Rustika und machen mit den mächtigen Formen der Fassade, dem mit Säulen [* 19] geschmückten, schön gewölbten Vestibül und dem großartigen Treppenhaus einen imposanten Eindruck. Die platten Dächer sind terrassenförmig und mit Orangen-, Myrten- und Granatbäumen, Blumen, hier und da mit Statuen besetzt, auch wohl mit einem Kühlung verbreitenden Springbrunnen versehen.
Schön nimmt sich eine Illumination dieser »hängenden Gärten« aus, wie sie an gewissen Tagen, z. B. am Johannistag, üblich ist. Erwähnungswert sind außerdem die Via Carlo Alberto am Hafen, die neue Via Roma [* 20] mit der parallel laufenden glasbedeckten Galleria Mazzini sowie die Fortsetzung der Via Roma, die neue Via Assarotti. Unter den öffentlichen Plätzen, welche durchweg von geringer Ausdehnung [* 21] sind, verdienen Erwähnung: die mit Bäumen umgebene Piazza Acquaverde (mit dem Monument des Kolumbus von M. Lanzio, 1862), die Piazza dei Banchi (mit der Börse, Sammelplatz der Handelsleute, Schiffer etc.), die Piazza dell' Annunziata (am Ende der Via Balbi), die Piazza Nuova, wo die Wochenmärkte gehalten werden, die Piazza Deferrari, die Piazza Vittorio Emanuele mit dem 1886 errichteten Standbild des Königs etc. hat fünf Thore u. mehrere Vorstädte.
Unter den 82 Kirchen steht obenan die Kathedrale San Lorenzo, ein schöner Bau im spätromanischen Stil aus dem 12. Jahrh., wiederholt, so von Alessi im 16. Jahrh., restauriert. Das Innere, eine Säulenbasilika mit dreischiffigem Langhaus und einer Kuppel, enthält eine Kapelle Johannes des Täufers mit den aus dem Kreuzzug 1098 hierher gebrachten Reliquien des Heiligen und Marmorstatuen von Civitali und Andrea Sansovino. Von den übrigen Kirchen sind zu erwähnen: Santa Annunziata, ein Säulenbau der Spätrenaissance (16. Jahrh.);
der imposante Kuppelbau Sant' Ambrogio (1589 erbaut) mit Gemälden von Guido Reni (Himmelfahrt Maria) und Rubens;
die schöne Kirche Santa Maria di Carignano (von Alessi nach Michelangelos Plan der Peterskirche in Rom [* 22] erbaut) in griechischer Kreuzform mit Zentralkuppel und zwei schlanken Türmen;
Santo Stefano [* 23] mit einem berühmten Altargemälde von Giulio Romano (Steinigung des Stephanus) und San Matteo (mit dem Grabmal des Andrea Doria).
Erwähnenswert ist auch der Campo santo (seit 1838 angelegt) mit reichem monumentalen Schmuck. Die berühmtesten Paläste sind: der ehemalige Dogenpalast mit neuer
[* 5] ^[Abb.: Wappen [* 24] von Genua.] ¶
Paläste:
1 Pal. Spinola Marmi | F 3 |
2 " Cambiaso | F 3 |
3 " Gambaro | F 3 |
4 " Parodi | F 3 |
5 " Spinola | F 3 |
6 " Giorgio Doria | F 3 |
7 " Adorno | F 3 |
8 " Balbi | E 2 |
9 " Serra | E 2 |
10 " Balbi-Senarega | E 2 |
11 " Durazzo-Pallavicini | E 2 |
12 " Centurioni | E 2 |
13 " Bruso | E 2 |
Umgebung von Genua.
Maßstab 1:125,000
Marmorfassade und prächtiger Treppe; [* 28]
der Palazzo Balbi-Senarega (1609 erbaut) mit prachtvollen Marmorsäulen;
der Palazzo Durazzo-Pallavicini (wegen seiner schönen Treppe auch della Scala genannt, aus dem 17. Jahrh.).
Alle diese Paläste enthalten zugleich bemerkenswerte Gemäldesammlungen, die bedeutendste aber der Palast Brignole-Sale, gewöhnlich Palazzo Rosso genannt, jetzt der Stadt gehörig, mit Gemälden von van Dyck, Rubens, Guercino, Moretto, Bordone, Paolo Veronese, A. Dürer u. a. Außerdem verdienen noch Erwähnung: der Palazzo del Municipio (ehemals Doria), ein majestätischer Marmorbau im Spätrenaissancestil mit prächtigem Vestibül und Hof [* 29] und später hinzugesetzten Seitengalerien;
der Palazzo Spinola (von Alessi 1560 erbaut, mit Reiterbild des Agostino Spinola von van Dyck);
der Palazzo Andrea Doria, der 1529 von der Republik ihrem großen Bürger errichtet ward;
der Palazzo Pallavicini;
die Universität (1623 erbaut) mit überaus schönem Hofraum;
der Palast der Dogana, ehemals Eigentum der berühmten Banca di San Giorgio, einer großen genuesischen Handelsgesellschaft aus dem Mittelalter (1797 aufgelöst), mit Statuen der um diese Bank verdienten Männer, und die von Alessi 1570 erbaute Börse oder Loggia dei Banchi (im Innern mit der Statue Cavours von Vela).
Genua zählt (1881) 179,515 Einw. und ist eine bedeutende Fabrikstadt sowie der Haupthandelsplatz Oberitaliens. Hervorragend ist die Textilindustrie, welche 17 Baumwollspinnereien mit 120,000 Spindeln, 15 Baumwollwebereien (1900 Arbeiter), 9 Fabriken für Seidenwaren, 6 für Wollwaren, 26 für Wirkwaren beschäftigt, aber, wie die 27 Lederfabriken, meist für den Verbrauch im Inland arbeitet. Die Industrie liefert ferner Korallenarbeiten, Gold- und Silberwaren (besonders Filigranarbeiten), Alabaster- und Elfenbeinschnitzereien, künstliche Blumen, Stickereien, Seife, Essenzen, eingemachte Früchte, Makkaroni, Hüte, Schuhwaren, Möbel, [* 30] Papier, Maschinen und Schiffe. [* 31]
Die Industrie erstreckt sich auf die benachbarten Vororte, so San Pier d'Arena, Cornigliano, Sestri Ponente, Voltri, mit Schiffswerften, Maschinenfabriken und andern Etablissements. Der Verkehr entwickelt sich in neuerer Zeit immer mehr. Zu Lande ist nunmehr zu den frühern Eisenbahnlinien, gegen W. über Nizza [* 32] nach Marseille, [* 33] gegen N. über Alessandria zum Anschluß an das vielverzweigte piemontesisch-lombardische Bahnnetz sowie an die Mont Cenis-Bahn und gegen O. über Spezia nach Livorno [* 34] und Rom, namentlich die Gotthardbahn hinzugekommen, welche in Genua ihren südlichen Endpunkt und Hafenplatz findet.
Der Hafen Genuas gehört zu den bedeutendsten des Mittelmeers. Mit zwei ins Meer hinausgebauten Molen von 450 und 660 m Länge, dem Molo Vecchio und dem Molo Nuovo, umspannt die Stadt das ungefähr 1500 m im Durchmesser haltende Wasserbecken. Beide Molen, fast gegeneinander gerichtet, schützen den Hafen, wenn auch nicht hinreichend, gegen die Süd- und Südostwinde. Der Eingang wird durch starke Batterien verteidigt. Der Molo Vecchio trägt an seinem Ende einen alten kleinen Leuchtturm; neben dem Molo Nuovo stehen die Quarantäne und der neue, 78 m hohe Leuchtturm mit herrlicher Aussicht, bei welchem neue Befestigungen angelegt worden sind.
An der Nordseite des Hafens ist der königliche Kriegshafen (Darsena reale) nebst dem Marinearsenal (ehemals Kloster Santo Spirito) an der Stelle, wo 1547 Fiesco ertrank. Die Ostseite nimmt der ehemalige Freihafen (Porto franco), seit 1867 in ein Generalentrepot für ausländische Waren umgewandelt, ein, welcher früher durch die 1886 abgetragene marmorne Hafenterrasse von der Stadt getrennt war und durch eine Zweigbahn mit dem Bahnhof (im NW. der Stadt) verbunden ist.
Hier treiben sich auch die bergamaskischen Lastträger oder Facchini umher, die seit 1470 ein Privilegium für ihren Erwerb in Genua haben. Seit 1877 wurde übrigens die Erweiterung und Neugestaltung des dem angewachsenen Verkehr nicht mehr genügenden Hafens von in Angriff genommen. Nach außen werden zwei Molen, ein westlicher von 1500 m und ein östlicher von 600 m Länge, angelegt, im innern Hafenbecken werden neue Landungsbrücken hergestellt, so daß mit den alten Landungsstellen der Hafen künftig eine Kaientwickelung von 6,5 km besitzen wird.
Auch wird der Ankergrund durch Baggerung auf mindestens 8,5 m gebracht. Alle diese Arbeiten sind mit 28 Mill. Lire veranschlagt, wozu der Herzog von Galliera 20 Mill. widmete, und werden 1889 beendet sein. Hiermit stehen ferner Eisenbahnanlagen, dann die Herstellung von Ladevorrichtungen, Magazinen u. dgl. in Verbindung. Der Schiffsverkehr von Genua umfaßte 1884 im ganzen 10,882 handelsthätige Schiffe mit einem Tonnengehalt von 4,823,585 Ton. und einem beförderten Warenquantum von 2,386,886 T. Hiernach steht Genua unter allen italienischen Häfen obenan, so wie auch der Tonnengehalt und die Warenbewegung gegen früher eine sehr bedeutende Steigerung aufweisen.
Eingelaufen sind 5412 Schiffe von 2,368,730 T. und mit 1,962,183 T. Waren, ausgelaufen 5470 Schiffe von 2,454,855 T. und mit 424,703 T. Waren. Auf den internationalen Verkehr kamen 3484 Schiffe von 2,828,902 T. und mit 1,715,344 T. Waren, auf den Binnenverkehr 7398. Schiffe von 1,994,683 T. und mit 671,542 T. Waren. Der Hauptverkehr findet in der Einfuhr mit Großbritannien, [* 35] Frankreich, den Vereinigten Staaten [* 36] von Amerika [* 37] und Indien, in der Ausfuhr mit Frankreich, Spanien, [* 38] Portugal, Griechenland, [* 39] der Türkei, [* 40] Großbritannien und Südamerika [* 41] statt. In regelmäßiger Dampfschiffahrtsverbindung steht Genua mit Nizza und Marseille, Cagliari und Porto-Torres (Hafen von Sassari), Livorno, Neapel, [* 42] Palermo [* 43] und Tunis, [* 44] mit den Haupthäfen der Levante und Ostindiens, dann insbesondere mit Buenos Ayres, [* 45] Montevideo [* 46] und Rio de Janeiro. [* 47] Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind Wein, Getreide, Mehl, [* 48] Reis, Teigwaren, Öl, Butter und Käse, Südfrüchte und rohe Seide, [* 49] wogegen Baumwolle [* 50] und Baumwollwaren, Getreide, Kolonialwaren und Chemikalien, Metalle, Häute und Felle, Kohle etc. eingeführt werden. Nach Südamerika, insbesondere den La Plata-Staaten, werden von Genua aus jährlich nicht weniger als 50,000 italienische Auswanderer befördert.
Unter den bedeutenden und zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten behaupten das prächtige und großartige Armenhaus (Albergo de' Poveri, 1539 gegründet, mit Raum für 2200 Arme und Kranke) und das nicht minder großartige Ospedale Pammatone (1423 gestiftet, zugleich Findelhaus) den ersten Rang. Auch das Waiseninstitut, ein Taubstummeninstitut, ein Irrenhaus und das Conservatorio Fieschi, Institut zur Erziehung armer Mädchen, sind bedeutende Anstalten. An öffentlichen Unterrichts- und Bildungsanstalten sind zu nennen: die 1783 gestiftete Universität mit durchschnittlich 600 Studenten, botanischem Garten, [* 51] einem Observatorium, ¶