(franz., spr. schenih, v.
lat. genius), höchster
Grad allgemeiner oder spezieller
Anlage, der sich vom
Talent (s. d.) dadurch unterscheidet,
daß dieses mäßiger, das Genie aber (scheinbar wenigstens) gar keiner Übung bedarf, um zur Fertigkeit zu werden
(vgl.
Anlage). Da nun bei jeder
Anlage derjenige
Grad der höchste ist, durch welchen dieselbe zur Hervorbringung eines völlig
Neuen, Niedagewesenen auf ihrem Gebiet befähigt erscheint, so ist mit dem
Begriff des
Genies jener der
Originalität verknüpft, die Bezeichnung Originalgenie daher ein
Pleonasmus.
Dessenungeachtet ist das Genie wie jede
Anlage an die allgemeinen
Gesetze des psychischen
Lebens gebunden, und dessen Eigentümlichkeit
besteht nicht negativ in einer ungebundenen
Freiheit, sondern positiv in einer gesteigerten Entwickelungsfähigkeit.
Das Genie ist entweder ein universelles, d. h. es sind bei einem
Menschen mehrere Geisteskräfte in ungewöhnlichem
Maß vorhanden,
welche alle, sich gegenseitig unterstützend, zur
Entwickelung gekommen sind und nur in verschiedenen
Sphären sich thätig
äußern, oder es zeigt sich eine besondere Fähigkeit und schöpferische
Kraft
[* 3] für ein bestimmtes
Fach
wissenschaftlicher oder praktischer Thätigkeit (philosophisches, mathematisches, poetisches, mechanisches Genie). Der
erste
Fall ist selten; die Originalität des
Genies ist ohne eine entsprechende
Einseitigkeit, die in Bezug auf andre Gebiete
nicht selten bis zur Borniertheit
(Molières »petit grain de folie«) ausarten kann, kaum denkbar.
Wenigen ist es gegeben, auch nur, wie z. B.
Leonardo da
Vinci,
Michelangelo, auf den Gebieten aller
Zweige
der bildenden
Kunst zugleich als Genie sich zu offenbaren.
Noch seltener ist diese
Erscheinung in der
Wissenschaft oder im
Leben.
Solche
Genies haben zugleich auf mehreren Gebieten umgestaltend gewirkt, wie jedes echte Genie auf dem seinigen. Je nach
der
Sphäre, welcher die
Anlage zugehört, läßt sich von einem Genie im
Denken (theoretisches Genie),. Fühlen (ästhetisches Genie) und
Wollen (praktisches Genie) sprechen, deren erstes neue
Gedanken erzeugt, zweites neue Gefühlsausdrücke hervorruft, drittes neue
Thaten vollbringt. Je nachdem die erstern
Aufstellung von
Begriffen oder Feststellung von (historischen, naturwissenschaftlichen
etc.)Thatsachen sind, läßt sich rationales und positives Genie unterscheiden. Das ästhetische Genie äußert
sich je nach der
Qualität der von ihm neugeschaffenen Gefühlseindrücke als tragisches, komisches, humoristisches etc.
Genie; das praktische Genie je nach dem Eingreifen seiner That in das
Natur- oder Geistesleben als
Herr über
¶
mehr
die Körper- oder Geisteswelt, in ersterer Hinsicht als technisches in dieser als reformatorisches (Denken, Fühlen oder Wollen
andrer nach dem eignen umgestaltendes) Genie, wie es die großen Erfinder in der industriellen, die großen Denker, Dichter,
Religionsstifter und Staatengründer in der wissenschaftlichen, künstlerischen, kirchlichen und politischen Welt gewesen
sind.
Vgl. Gerard, Essay on genius (Lond. 1774; deutsch von Garve, Leipz. 1782);
J. A. ^[JohannAdolf] Schlegel,
Abhandlung vom in den schönen Künsten, im 2. Band
[* 5] seiner Übersetzung von Batteux' »Les beaux-arts reduìts à un même principe«
(3. Aufl., das. 1770);
Sulzer, Untersuchung über das in dessen »Vermischten Schriften«, Bd. 1 (das.
1800);
Die Organisation derGenietruppen ist in den einzelnen Heeren recht verschieden. Deutschland s. Pioniere.
Österreich
[* 8] hat 2 Genieregimenter und 1 Pionierregiment, jedes zu 5 Feldbataillonen à 4 Kompanien, die in Bezug auf den allgemeinen
Pionierdienst (Wegebau und -Zerstörung, Feldbefestigung)
[* 9] gemeinsame Verwendung finden; speziell aber fällt den erstern die
Mitwirkung im Festungsdienst (Mineurdienst), dem letztern der Kriegsbrückenbau zu, zu welchem Zweck ihm 56 Kriegsbrückenequipagen
à 53 m Brückenlänge zugewiesen sind.
das 4. ist das Pontonierregiment, es besteht aus 8 Pontonier-, 2 Lagunen- (lagunari) und 4 Trainkompanien.
Großbritannien
[* 11] hat 34 aktive Ingenieurkompanien, davon sind 4 Topographen-, 2 Eisenbahn-, 7 Torpedo-, 5 Feld-
(jede mit einem leichten Ingenieurpark), 16 Garnison- (Festungs-) Kompanien; außerdem 9 Ersatz-, 3 Kadrekompanien, 1 Telegraphenbataillon
zu 2 Divisionen, von denen eine stets kriegsbereit, 1 fahrende Pontonierkompanie, 1 Ersatz-Sappeurabteilung, 1 Ingenieurfeldpark
und 2 Luftschiffahrtskompanien, von denen eine in Südafrika.
[* 12] Rußlands Ingenieurtruppen bestehen aus 17 Sappeurbataillonen, 4 Sappeurkompanien, 8 Pontonier-, 4 Eisenbahnbataillonen, 6 Feld-, 2 Belagerungsingenieur-, 16 Telegraphenparken.
Ihr Oberbefehlshaber (Generalinspektor), der Praefectus fabrorum, war nur dem Feldherrn unterstellt. Im
Mittelalter bis in das 16. Jahrh. war der Ingenieurdienst von dem der Artillerie nicht getrennt. Bei den Spaniern und Italienern
taucht schon um die Mitte des 14. Jahrh. der Name Ingenieros (span. engeños, ital. ingegni, Kriegsmaschinen) für die Kriegsleute
auf, welche die Kriegsmaschinen anzufertigen und zu gebrauchen verstanden. In den Landsknechtheeren Anfang
des 16. Jahrh. hatte der Artillerieoberst eine gewisse Anzahl Schanzbauern für den Schanzen-, Wege- und Brückenbau zu stellen,
die unter einem Schanzbauernhauptmann, Schanz- und Brückenmeistern standen; sie sind als die Anfänge der Genietruppe anzusehen.