See (bei den Römern Lacus Lemanus, franz. Lac de Genève, Lac Léman, im Mittelalter Lac Losannete
oder Mer du Rhône), der größte See der Schweiz, hat die Gestalt eines gegen S. gekrümmten Halbmondes, dessen östliche Spitze
jedoch im Lauf der Jahrtausende von dem hier mündenden Rhône durch Schuttablagerungen allmählich ausgefüllt wurde. Die
Länge beträgt 90 km, die größte Breite, zwischen Evian und St.-Sulpice, 15 km, der Flächeninhalt 573 qkm
(10,4 QM.). Er liegt 375 m ü. M.
Der Hauptteil hat (bei Vevey-Meillerie) bis 309 m Tiefe; der westliche, kleinere, stromähnliche Arm bis Genf
heißt der Kleine See
und ist höchstens 75 m tief.
Zwischen Versoix und Collonge streicht eine Sandbank von Ufer zu Ufer (banc de travers), welche bei niedrigem
Wasserstand den Dampfbooten hinderlich war und ausgebaggert werden mußte. Die Uferlandschaften sind wegen ihrer Schönheit
berühmt. Im westlichen Teil sieht man den Montblanc. Fast das ganze Nordufer hat nur Hügelform. Der Jorat, als höchster Punkt,
erhebt sich nur 553 m über den See. Der Jura hält sich in ziemlicher Ferne; selbst seine Vorstufen, die
Weinhalden von La Côte, senden höchstens einen Hügelvorsprung an den See heran.
Auch auf der Südseite sind die zwei westlichen Dritteile von Genf
bis Evian eben, und erst 7 km südlich von
Yvoire steigt waldbewachsen der Hügel Boissy etwa 300 m über den See empor; dahinter, weit nach S., die Voirons (1456 m ü. M.),
das erste bedeutende Gebirgsglied. Weiterhin folgen großartige Gebirgsmassen, höher und höher bis zur majestätischen
Firnwelt. Während aber das schweizerische Ufer das Bild eines reichen, üppigen, dicht belebten Geländes darbietet,
geschmückt mit zahllosen saubern Häusern,
mehr
Kastanienwäldchen, heitern Obst- und Weingärten, Hafen- und Stapelplätzen, ist das savoyische Südufer eine Landschaft von
mehr ernstem und einsamem Charakter, die eine spärlichere Kultur zeigt und nur einen einzigen Hafen besitzt. Unter den zahlreichen
kleinen Zuflüssen (außer dem Rhône) sind die bedeutendern die savoyische Dranse, auf der Nordseite die Veveyse,
Venoge und Aubonne; den Abfluß bildet der Rhône bei Genf.
Die Niveaudifferenzen sind ziemlich bedeutend, durchschnittlich 1 ⅔
m, in einzelnen Jahrgängen weit mehr; der tiefste Stand fällt zumeist in den März, der höchste in den August.
Das Seewasser ist außerordentlich rein und von prächtiger bläulicher Farbe, dessen Transparentwirkung man
am besten beim Ausfluß in den dahinstürzenden Rhônewellen erkennen kann. Eine gewisse Strömung, von den Anwohnern Lardeyre
oder La Dière genannt, geht im Frühjahr und Herbst im östlichen See, nach verschiedenen Richtungen hin, oft so stark, daß
kein Ruder sie zu bewältigen vermag. Man glaubt, daß sie von unterirdischen Zuflüssen herrühre, die
dem See einen großen Teil (im Sommer ein Drittel, im Winter die Hälfte) seiner Wassermenge zuführen.
Ein andres eigentümliches Phänomen ist die mit einiger Regelmäßigkeit wiederkehrende Bewegung und Veränderung im Wasserstand
des Seespiegels, die Seiches, der »Ruhs« des Bodensees analog, an Ebbe und Flut erinnernd. Diese Erscheinung tritt
bei völlig windstiller Luft, ohne Wellenschlag und äußerlich sichtbare Strömung, ein; der See steigt 4-5 Minuten lang und
sinkt dann wieder in ebensoviel Zeit. Zu Genf
ist die Bewegung am stärksten; bisweilen erreicht sie 1½ m. Zu Morges, wo sie von
Professor Dufour sorgfältig beobachtet ward, übersteigt sie kaum 12-15 cm. Die Ursache schreibt man dem
ungleichen Druck der Luftsäulen zu, welche gleichzeitig auf verschiedene Stellen der Wasserfläche einwirken.
Auch Wasserhosen treten periodisch auf. Ferner beobachtet man daselbst die Luftspiegelungen der Wüste (mirages) und die Fata Morgana
Unteritaliens. Erstere finden statt, wenn die Wasseroberfläche wärmer ist als die Luft; am prächtigsten
in den Morgenstunden des Septembers und Oktobers. Die andre Erscheinung tritt ein, wenn umgekehrt die Luft wärmer ist als das
Wasser (an heißen Nachmittagen im März bis Juni); dann sieht man Gegenstände, die sonst wegen der Wölbung der Erdoberfläche
nicht sichtbar sind, auftauchen, manche in entstellter Form oder beträchtlich vergrößert.
Die Temperatur des Wassers bei einem Wärmestand der Oberfläche von 24,4° C. betrug in einer Tiefe von 300 m
nur 8,2° C. Ein völliges Zufrieren wurde noch nie beobachtet; nur der westliche Teil überfriert
in kalten Wintern. Unter den Winden, die auf dem See herrschen, ist der kälteste die Bise, ein Nordostwind.
Der Vaudaire kommt aus dem Wallis
und treibt die Wellen zu bedeutender Höhe; der furchtbarste aber ist der aus den Schluchten Savoyens
unerwartet und heftig hervorbrechende Bornand.
Der Regen bringende Südwestwind heißt vorzugsweise der »Genfer«; ein austrocknender Südwind wird bezeichnend Séchard genannt.
Der angenehme Rébat bewegt an Sommermittagen die Oberfläche leicht kräuselnd. An Fischen ist der genfer See nicht
so reich wie andre Schweizer Seen. Man zahlt 21 Arten, von denen der Weißfelchen (Salmo fera), die große Seeforelle (20-25 kg
schwer), die Ritterforelle und die Kaulquappe die beliebtesten sind. Der Fischfang ist an den beiden Enden am
ergiebigsten. In der Tiefe des Sees hat man 35-40 Tierarten entdeckt, die sämtlich den niedern Tieren
angehören. Pflanzen
finden sich daselbst nicht vor. - Der genfer See bildet die große Straße, welche für drei Schweizer Kantone und Savoyen den Warentausch
vermittelt.
Größere Frachtschiffe hatten sich von jeher zu den Kähnen und Fischerbarken gesellt; später kamen noch
die Dampfer hinzu, hier zuerst von allen Schweizer Seen der Guillaume Tell 1823. Doch steht hinsichtlich der Zahl der Dampfschiffe,
wie überhaupt als internationale Handelsstraße, der Léman weit hinter dem Bodensee zurück. Diese Bedeutung mußte sich noch
verringern, seit die ganze Schweizerseite entlang eine Uferbahn raschern Verkehr ermöglicht. Die verschiedenen
Dampfschiffahrtsgesellschaften haben sich im Januar 1873 vereinigt zur »Compagnie générale de navigation sur le lac Léman«,
die, ungerechnet die zwei der Ligne d'Italie gehörigen und außer Dienst befindlichen, zwölf Boote besitzt, darunter den schönen
Salondampfer Montblanc (1875 gebaut).
Vgl. Rey, Genève et les rives du Léman (3. Aufl., Par. 1875);
Forel,
Le lac Léman; précis scientifique (2. Aufl., Basel
1886);
Herbst, Der und genfer Seeund seine Umgebung (Weim. 1877).
(Frankreich und Schweiz, Kt. Genf,
Waadt
und Wallis).
Der Genfersee ist der grösste See von Central-, West- und Südeuropa; an Fläche
wird er übertroffen vom Plattensee (der seiner geringen Tiefe wegen als blosser Weier anzusprechen ist),
an Tiefe von den wichtigsten der oberitalienischen Seen (Comer-, Langen- und Gardasee). An Volumen übertrifft aber der Genfersee
alle Seen Europas mit Ausnahme einiger solchen von Skandinavien und Finnland. Er ist ein sog. Flusssee (Penck) und wird von
der Rhone durchflossen. Sein grösster Zufluss ist die Rhone des Wallis,
sein einziger Abfluss die Rhone von Genf.
Der Name des Sees hat im Laufe der Zeiten oft gewechselt: Lemena, Lemanus bei den griechischen und römischen Geographen,
Accion bei Festus Avienus, Lacus Losanete auf der Peutinger Tafel, Mare Rhodani. Zu Beginn des Mittelalters Lacus Lemanus,
bei Aegidius Tschudi 1538 Losneroder Genfersee, 1570 Lac de Genève. Im Französischen blieb dann: diese
letztere Bezeichnung bis zum 19. Jahrhundert die vorherrschende, hat aber später wieder allgemein dem Namen Lac Léman weichen
müssen. In Uebereinstimmung mit dem Grundsatz einer guten Nomenklatur, dass jedes genügend wichtige geographische Individuum
seinen eigenen Namen tragen soll und mit Hinsicht darauf, dass der Name unseres Sees derart allgemein
bekannt ist, um über seine Natur keinen Zweifel aufkommen zu lassen, heisst er im Französischen jetzt nicht mehr Lac Léman,
sondern kurzweg Le Léman. Die nichtfranzösischen Sprachgebiete bevorzugen immer noch die Benennung des Sees nach seinem bedeutendsten
Uferort: Genfersee, Lake of Geneva, Lago di Ginevra. Es wäre zu wünschen, dass der kurze und prägnante Ausdruck Leman auch
in der deutschen Sprache allgemeine Verbreitung finden würde. Die geographische Mitte des Genfersees liegt in 46° 27' N.
Br. und 6° 32' O. L. von Greenwich. Der See erstreckt sich über 46' 50" geographischer Länge und 18'
36" geographischer Breite. Die Mittelhöhe des Wasserspiegels ist 371,9 m über dem Mittelwasserstand der europäischen Meere.
Der See bildet einen mit seiner konkaven Seite nach S. schauenden unregelmässigen Halbmond, dessen O.-Horn breiter und tiefer
ist als das W.-Horn. Seine grosse Achse ist gleich einem Kreisbogen von 35,5 km Radius und 120° Oeffnung,
dessen Kreismittelpunkt 5 km s. vom Roc d'Enfer in Savoyen liegt.
Man teilt den See in zwei durch die nicht sehr stark ausgesprochene Enge von Promenthoux geschiedene Abschnitte ein: den Grand
Lac im O. und den Petit Lac im W. Ferner wird unter der Bezeichnung des Haut Lac die ö. der Linie Vevey-Meillerie
liegende Fläche des Grand Lac und unter der der Grande Conche die zwischen dem vorgeschobenen Delta der Drance und der Spitze
von Yvoire eingeschnittene Bucht verstanden.
An natürlichen Inseln weist der Genfersee nur die Roches de Salagnon vor Burier bei Clarens, an künstlichen
Inseln den Ilot de Peilz bei Villeneuve, die Roche aux Mouettes bei Clarens und die Ile La Harpe vor Rolle auf. Die Gesamtfläche
dieser Inselchen beträgt nicht einmal ganz eine Hektare, so dass die Insulierung des Genfersees gleich Null ist. Die zahlreichen
vor der Spitze von Yvoire, vor der Mündung der Venoge und anderswo aufragenden Felsriffe sind erratische
Blöcke, die von den diluvialen Gletschern aus den Alpen hierher verfrachtet wurden.
In der Luftlinie gemessen ist der Genfersee von Chillon am einen bis Genf
am andern Ende 63,4 km lang, während die bogenförmige
Längsachse 72,3 km misst. Die Uferentwicklung des Sees von der Einmündung der Rhone bis zu ihrem Ausfluss
beträgt am N.-Ufer 95 km, am S.-Ufer 72 km, im Ganzen 167 km. Seine grösste Breite, senkrecht zur Bogenachse gemessen,
erreicht er mit 13,8 km zwischen der Bucht von Morges und Amphion. Mittlere Breite (gleich dem Quotienten
aus der Fläche und der Länge der Bogenachse) 8,1 km.
Die Gesamtfläche des Genfersees beziffert sich auf 582,36 km2 (was gleich ist der Fläche eines kreisrunden Sees von 13,6
km Radius), sein Volumen auf 88920 Millionen m3 oder auf rund 89 km3 (was gleich ist dem Volumen einer Kugel
von 2769 m Radius). Mittlere Tiefe (gleich dem Quotienten aus dem Volumen und der Fläche) 152,7 m; maximale Tiefe 309,7 m.
Die wichtigsten geographischen Werte für die zwei grossen Abschnitte des Genfersees und für ihn als Ganzes lassen sich wie
folgt zusammenstellen:
Grand Lac
Petit Lac
Genfersee
Fläche
km2
503
79
582
Mittlere Tiefe
m
172
41
153
Volumen
km3
86
3
89
Von der allgemeinen Regel, dass die grossen Wasserflächen, Meere und Seen, international sind, indem die Staatengrenzen (wie
dies z. B. am Bodensee zutrifft) längs der Ufer verlaufen,
macht der Genfersee eine Ausnahme. In dieser Hinsicht gelten
hier noch die Bestimmungen des Lausanner Vertrages vom der die allgemeine Grenzlinie in die Seeachse verlegt
und die auf das Seeufer stossenden Grenzen der einzelnen Staaten bis zu dieser hinaus geradlinig verlängert. Dementsprechend
ist die Gesamtfläche des Sees unter die einzelnen Uferstaaten wie folgt verteilt: Waadt
298 km2, Genf
38 km2,
Wallis
12 km2;
Schweiz 348 km2, Frankreich 234 km2.
Die hydrographische Karte des Genfersees ist im Zeitraum von 1812-1888 von den beiden Ingenieuren des eidgenössischen topographischen
Bureaus in Bern
Ph. Gosset und J. Hörnlimann, vom französischen Ingénieur des Ponts et Chaussées A. Delebecque in Thonon
und von Ingenieur Ed. Pictet-Mallet in Genf
aufgenommen worden. Veröffentlicht ist die Karte des Petit Lac (Carte du Lac de Genève)
in 1:12500 von Ed. Pictet-Mallet (Genève 1878), die des ganzen Sees in 1:25000 im Topographischen Atlas der Schweiz (Siegfriedatlas),
in 1:50000 in der vom eidgenöss. topographischen Bureau ausgegebenen Tiefenkarte des Genfersees und im
Atlas des lacs français von A. Delebecque, in 1:100000 in A. Delebecque's Werk Les lacs français (Paris 1898) und im
ersten Band der von F. A. Forel verfassten Monographie Le Léman (Lausanne 1892). Die auf diesen Karten dargestellten Reliefverhältnisse
des Sees beruhen auf 12000 Lotungen. Das unterseeische Relief der Wanne des Genfersees lässt sich in zwei,
deutlich von einander getrennte, Abschnitte gliedern:
a. Der Grand Lac bildet ein von der Walliser Rhoneebene bis zur Enge von Promenthoux reichendes Thal, dessen Sohle rückläufig,
d. h. der allgemeinen Laufrichtung der Rhone entgegen um 1,4% fällt. Der ganze Abschnitt dieses Thales
östlich vom Querschnitt Morges-Amphion ist aufgefüllt vom untergetauchten Rhonedelta, das zunächst von O.-W. mit 10% Böschung
ziemlich steil fällt, dann allmählig immer flacher wird und schliesslich mit der centralen Ebene des Sees verschmilzt.
Diese an Fläche 60 km2 messende centrale Ebene, die durch den beständigen Schlammabsatz aus dem von
der Rhone und den andern Zuflüssen dem See zugeführten Wasser vollkommen horizontal gestaltet worden ist, liegt zwischen Morges,
Amphion, Lugrin und Cully und hat eine Tiefe von 309,5 m. Gestört werden die sonst bemerkenswert regelmässig ausgebildeten
Seitengehänge des unterseeischen Thales durch die unter Wasser getauchten Schuttkegel der Deltas einiger Zuflüsse.
Das grösste und hier einzig nennenswerte dieser Deltas ist das der Drance, das mit einer Breite von 5 km ansetzt und auf 2 km
Länge sich in den See vorschiebt. Die Seitengehänge der Seewanne sind im östlichen Abschnitt des Grand Lac, wo die Wandungen
aus verhältnismässig festem Kalk- u. Nagelfluhfels bestehen, stark geneigt: so beträgt die Böschung
des Gehänges gegen die Mitte der O.-Hälfte 30-50 und mehr %, um unter den Mauern von Chillon und am Fenalet bei St. Gingolph
sogar den Betrag von 100% zu erreichen. In der W.-Hälfte, wo Molasse, Mergel und Thone die Wandungen des Sees bilden,
geht dagegen die Böschung der Seitengehänge bis zu Beträgen von 10-5% herunter.
Im untergetauchten Delta der Rhone ist noch des durch
mehr
die Lotungen von Ingenieur Hörnlimann entdeckten unterseeischen Rinnsales dieses Flusses zu gedenken. Es ist dies eine Furche,
längs welcher das kalte, mit suspendiertem Material beladene und daher im Sommer milchig getrübte dichte Flusswasser in
die grössten Tiefen des Sees abfliesst. Dabei lagert sich infolge des Rückstaues, der bei der Berührung
des unterseeisch abfliessenden Wassers mit dem ruhenden Seewasser entsteht, zu beiden Seiten dieser Strömung ein Teil der
mitgeführten Alluvionen ab, so dass zwei das Rinnsal rechts und links begleitende Dämme aufgeschüttet werden.
Diese in ihrem Verlaufe mehrfach gewundene Furche ist 500-800 m breit, und ihre Tiefe beträgt bis zu 50 m
unter derjenigen der Oberkante der beiden Seitendämme; bei der Isobathe von 230 m ist sie noch 10 m tief, lässt sich in 255 m
Tiefe unter dem Wasserspiegel noch erkennen und verschwindet erst in einer Entfernung von 9 km vor der Mündung der Rhone in den
See. (Vergl. die Beschreibung der analogen unterseeischen Stromrinne bei der Mündung des Rhein in den
Bodensee in diesem Lexikon, Band I, Seite 293).
b. Im Petit Lac ist die Gestaltung der Wanne eine weniger regelmässige, indem hier eine Reihe von sekundären Becken auftreten
(Recken von Nyon mit 76 m, Becken von Tougues mit 70 m, Becken von Coppet mit 66 m, Becken von Chevran mit 71 m,
Becken von Bellevue mit 50 m Tiefe), die durch wenig scharf ausgebildete unterseeische Barren von einander geschieden werden.
Die den Grand Lac vom Petit Lac trennende Barre von Promenthoux liegt mit dem höchsten Punkt ihres Rückens 66 m
unter dem Wasserspiegel. Die Tiefe des Petit Lac nimmt von der Barre von Promenthoux an beständig ab bis zur Sand- und Kiesbank
von Le Travers in Genf,
die das Seebecken von seinem Ausfluss, der Rhone von Genf,
abschliesst. Seine maximale Tiefe erreicht der Petit
Lac zwischen Nyon und Nernier mit 76,5 m.
Am Boden der Wanne des Sees setzen sich die Sinkstoffe ab, die durch die Brandung von den Seeufern weggewaschen und durch die
Zuflüsse in den See verfrachtet werden. Auf dem Strand und der Uferbank bestehen diese Alluvionen aus Blöcken, Geröllen,
Kies und Sand, an den Gehängen und auf der Sohle des Sees aus feinem, thonig-mergeligem Schlamm. Die mineralogische
und petrographische Zusammensetzung dieser Absätze entspricht derjenigen der Seeufer und des Einzugsgebietes der Zuflüsse
zum See; eine grosse Rolle spielt dabei das eiszeitliche Erratikum, das aus alpinen Gesteinen verschiedenster Art sich zusammensetzt.
Die an den Gehängen und auf der centralen Ebene abgesetzten feinen Alluvionen sind in den verschiedenen
Abschnitten des Genfersees von verschiedener chemischer Zusammensetzung. Im Haut Lac und auf dem Delta der Rhone herrschen Silikate
vor, während die in Salzsäure löslichen Substanzen nur 30% des Ganzen ausmachen; im westlichen Abschnitt des Grand Lac und
im Petit Lac, in die die aus Voralpen und Jura herkommenden Zuflüsse münden, treten die in Salzsäure
löslichen Kalk- und Magnesiumabsätze etc. in grösseren Massen auf, so dass sie dort 40%, hier 45-50% des Ganzen bilden
können.
Die Analysen, die sich der Hauptsache nach auf die dem Dredschnetz allein zugänglichen obersten, rezenten
Schichten des Bodenschlammes beziehen, weisen darin nur eine sehr
schwache Vertretung von organischer Substanz nach: 3-5%
im Maximum, meist aber noch viel weniger.
Der Genfersee hat Süsswasser, das einen nur sehr geringen Gehalt an mineralischen Bestandteilen aufweist und dessen Zusammensetzung
in allen Abteilungen des Sees und zu allen Jahreszeiten keine merklich verschiedene ist. Die chemische
Analyse ergibt auf 1 kg Wasser des Genfersees an mineralischer Substanz folgende Zahlen:
Milligramm
Schweflige Säure
H2SO3
36.9
Chlor
Cl
1.2
Kalk
CaO
62.5
Magnesia
MgO
9.7
Kaliumoxyd
K2O
2.0
Natriumoxyd
Na2O
5.6
Kieselsäureanhydrid
SiO2
3.6
Aus diesen Zahlen lässt sich der wahrscheinliche Gehalt an gelösten Salzen in einem kg Wasser des Genfersees
wie folgt feststellen:
Milligramm
Kieselerde
SiO2
3.6
Kochsalz
NaCl
2.0
Glaubersalz
Na2SO4
10.4
Schwefelsaures Kalium
K2SO4
3.7
Schwefelsaurer Kalk
CaSO4
49.8
Kohlensaurer Kalk
CaCO3
74.9
Kohlensaure Magnesia
MgCO2
20.4
Verschiedenes, organische Substanz
10.2
Total an gelöster Substanz
175.0
Die Gesamtmenge der mittels Kaliumpermanganat bestimmbaren organischen Substanzen ist eine sehr geringe und beträgt etwa 10 mg
auf 1 kg Wasser.
Ein Liter Oberflächenwasser enthält an absorbierten Gasen:
cm3
Sauerstoff
7.8
Stickstoff
15.4
Kohlensäure
8.7
Das Wasser der tiefen Schichten enthält nahezu die gleichen Mengen gelöster Gase wie das Oberflächenwasser.
An der Oberfläche ist das Wasser ganz oder beinahe ganz mit Gasen gesättigt, während die unter grösserem Druck stehenden
und daher weit mehr Gase zu absorbieren fähigen tiefern Wasserschichten niemals ganz durchlüftet sind und keine Gelegenheit
haben, ein reicheres Quantum von atmosphärischen Gasen zu erhalten.
Die lokalen oder jahreszeitlichen Schwankungen im Gehalt an organischer Substanz oder an gelösten Gasen
sind stärker als diejenigen im Gehalt an mineralischen Bestandteilen, obwohl auch sie nicht so beträchtlich werden, dass
sie sich verdoppeln könnten.
In thermischer Beziehung gehört der Genfersee dem Typus der subtemperierten tropischen Seen (Klassifikation Forel) an. In
der pelagischen Region des Grand Lac schwankt die Temperatur des Oberflächenwassers zwischen 4 ° und 24 °C.,
sie kann in der littoralen Region der Buchten und auch in der pelagischen Region des Petit Lac im Winter bis zu 0 ° sinken
und im Sommer in engen Einbuchtungen etwas über 24 ° steigen. Die Temperatur des Wassers in der Tiefenregion
schwankt zwischen 4,0 ° und 5,5 °C.
Die tägliche Wärmeschwankung des Seewassers, die an schönen Sommertagen an der Oberfläche gewöhnlich 2 °
mehr
beträgt (aber auch bis auf 4° ansteigen kann), macht sich im günstigsten Fall bis in eine Tiefe von 12-25 m fühlbar, die
jährliche Schwankung bis auf 120 m Tiefe und die cyklische Schwankung (in Decennien) bis an den Boden des Sees.
Ueber das Gefrieren des Genfersees wissen wir Folgendes: In sehr strengen Wintern (sog. grands hivers)
gefriert der Hafen von Genf,
den man zu Fuss hat begehen können in den Wintern von 1570, 1573, 1681, 1684, 1782, 1785, 1789, 1810, 1854 und 1891. Dieses
Gefrieren des Hafens von Genf
kann in Anbetracht seiner geographischen Lageverhältnisse nur dann eintreten, wenn
bei sehr strenger Kälte ein anhaltender N.-Wind bläst. Hat sich zu Zeiten grosser Windstille gegen das Ende des Winters
hin das Wasser des Petit Lac nach einer Reihe von Nächten mit starker Wärmeausstrahlung bis unter 4° abgekühlt (verkehrte
thermische Schichtung), so sieht man in seiner pelagischen Region lamellare oder kuchenförmige Eisschollen
sich bilden (1880, 1888, 1891, 1893). Im Februar 1891 endlich ist auch der Haut Lac stellenweise (in den Buchten von Territet,
Clarens und Villeneuve) zugefroren - ein bisher am Grand Lac historisch noch nie notiertes Vorkommnis.
Die Durchsichtigkeit des Wassers im Genfersee lässt sich aus folgenden Werten erkennen: die Sichtbarkeitsgrenze
liegt im Sommer in 6,6 m und im Winter in 10 m Tiefe. Im Februar 1891 ist von uns ein äusserster Wert von 21,5 m festgestellt
worden.
Aus dem Jahresmittel einer Reihe von gleichzeitigen Beobachtungen haben sich örtliche Verschiedenheiten in der Sichtbarkeitsgrenze
ergeben. Diese liegt z. B. vor Meillerie in 9,0 m, vor Pully in 9,7 m, vor Evian in 10,4 m, vor Morges
in 10,1 m, vor Thonon in 11,3 m und vor Nernier in 11,0 m Tiefe. Die Durchsichtigkeit des Wassers nimmt mit zunehmender Entfernung
von der Einmündung der Walliser Rhone regelmässig zu.
Die Grenze der absoluten Dunkelheit liegt für Chlorsilber vor Morges im Sommer in 45 m und im Winter
in 110 m Tiefe (nach F. A. Forel), für Jod- und Bromsilber in 200, resp. 240 m Tiefe (nach Fol und Sarasin).
Die Eigenfarbe des Genferseewassers entspricht dem 4. Grad der von Forel aufgestellten Farbenskala, der gleich
ist einer Mischung von 9 Teilen Kaliumchromat, 91 Teilen Kupfervitriol, 455 Teilen Ammoniak und 19445 Teilen destilliertem
Wasser. Es gehört damit der Genfersee dem Typus der blauen Seen an. (Vergl. den Art. Blausee des Lexikons).
Die stärksten im Genfersee auftretenden Wellen (gemessen beim Sturm vom hatten eine Länge
(Abstand zwischen zwei Kämmen) von 35 m, eine Periode von 4,7 sec und eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 7,3 m pro Sekunde.
Ihre Höhe hat man nicht direkt gemessen, sie ist aber von uns, vom höchsten Punkt des Wellenkammes bis zum tiefsten des
Wellenthales gerechnet, zu 1,7 m geschätzt worden. Die untere Grenze der tatsächlichen Wellenwirkung
auf den Boden an den Ufern des Genfersees liegt bei Morges in 9 m unter dem Niedrigwasserstand.
Für die stehenden Wellen der Seiches beträgt die Periode (2 t) bei
Minuten
longitudinalen uninodalen Seiches
73
longitudinalen binodalen Seiches
35.5
transversalen uninodalen Seiches
10
transversalen binodalen Seiches
5
Aus
diesen Zahlen ergibt sich, dass eine ganze Schwingung von longitudinalen binodalen Seiches nicht ganz die Hälfte der
Zeit einer Schwingung von longitudinalen uninodalen Seiches beansprucht, was ein ausnahmsweise seltener und von uns in andern
Seen noch nicht beobachteter Fall ist. Die Höhe der longitudinalen Seiches, im Centrum der Bäuche gemessen,
ist in Genf
eine viermal grössere als in Chillon. Die in Genf
am 2. und gemessene maximale Höhe der Seiches hat den Betrag
von 1,87 m überschritten.
Die am längsten andauernde bekannte Serie von Seiches ist die in Genf in der Zeit vom 26. März bis beobachtete,
nämlich 145 longitudinale uninodale Schwingungen mit einer Periode von je 73 Minuten. Wenn diese Reihe nicht durch das Auftreten
einer Serie von binodalen Seiches unterbrochen worden wäre, so hätte sie nach einer auf der Höhenabnahme der beobachteten
Schwingungen beruhenden Berechnung noch bis zum Ende des neunten Tages angedauert und würde, bis die
Amplitude gleich Null geworden wäre, 182 Schwingungen von 20-0 cm Höhe gezählt haben.
Strömungen treten im Genfersee ganz unregelmässig auf und lassen sich bis jetzt noch nicht in allgemeine Gesetze zusammenfassen.
Ihre grösste gemessene Geschwindigkeit betrug hier 30 cm pro Sekunde.
Die Grösse des auf festem Land liegenden Einzugsgebietes des Genfersees beträgt 7412 km2; da der See
selbst eine Fläche von 582 km2 umfasst, so entsendet ein Stück Erdoberfläche von 7994 km 2 Fläche seine Wasser bei
Genf
mit der Rhone zum Meer. Von dieser Gesamtfläche entfallen rund 1000 km2 auf Firn und Gletscher (d. h.
900-1050 km2 je nachdem die Mehrzahl der Gletscher gerade ihren geringsten oder höchsten Stand erreicht hat). An Fläche
des Einzugsgebietes entfallen auf die einzelnen Zuflüsse zum Genfersee: auf die Rhone des Wallis
5220 km2 und auf die Gesamtheit
der übrigen unmittelbaren Zuflüsse 2192 km2. Unter diesen letzteren umfassen die Gebiete der Drance
des Chablais 545, der Venoge 205, der Promenthouse 105, der Aubonne 102 km2 u. s. f.
Das mit der Rhone bei Genf
aus dem See abfliessende Wasservolumen beträgt 250 m2 pro Sekunde, was gleich kommt einer mittleren
täglichen Masse von 21600000 m3 oder einer mittleren jährlichen Masse von 7914 Millionen m 3
Wasser (= 1/11 der Wassermenge des ganzen Genfersees). Die Wasserführung der Rhone des Wallis
schwankt zwischen 20 und 860 m3 pro
Sekunde. Als Gletscherfluss hat sie ihren Hochwasserstand im Hochsommer, zu welcher Zeit die volle Masse des während des
ganzen Jahres auf den 1000 km2 Firn und Eis ihres Einzugsgebietes angesammelten Wassers abfliesst.
Aus der Fläche des Genfersees lässt sich berechnen, dass ein Unterschied von 6,74 m3 pro Sekunde in der Wasserführung
zwischen Zuflüssen und Ausfluss eine Höhenschwankung des Seespiegels von einem Millimeter in 24 Stunden zur Folge hat.
Da die Wasserführung des grössten Zuflusses im Sommer die des Winters um das 10 fache übersteigt,
so ergibt sich daraus auch eine jährliche Höhenschwankung des Seespiegels. Diese Schwankung wird in fühlbarem Masse noch
beeinflusst durch die Wirkung der Schleusen und Wehre, die für die im Jahr 1713 erstellten Wasserwerke der Stadt Genf erbaut
und bis
mehr
heute beständig vergrössert und verbessert worden sind, sodass jetzt der Wasserstand des Sees wie derjenige eines für industrielle
Zwecke künstlich angelegten Beckens nach Bedürfnis reguliert werden kann.
Wie sich die Wasserverhältnisse des Genfersees damals gestaltet hatten, als ihre Schwankungen einzig von den natürlichen
Agentien bestimmt worden sind, wissen wir nicht. Im 19. Jahrhundert hatte der Mensch in diese Verhältnisse
bereits bestimmend eingegriffen, indem er den Abfluss der Rhone aus dem See im Winter durch ein Stauwehr beinahe völlig verschloss,
deren Wasser auf die Räder des Wasserwerkes leitete und damit natürlich auch die jährlichen Wasserstandsschwankungen im
See verminderte. Immerhin geben wir in folgender Tabelle eine Darstellung der Wasserstände für
die Zeit von 1818-1883. Dabei ist zu bemerken, dass die Messungen auf den Niedrigwasserstand (Nullpunkt des Normallimnimeters
= ZL), der einem um 3 m unter der Bronzeplatte des Fixpunktes der Pierre du Niton in Genf
(RPN) liegenden Wasserspiegel entspricht
(also ZL = RPN -3,0 m), bezogen worden sind. Monatsmittel:
ZL + m
Januar
0.928
Februar
0.888
März
0.900
April
0.991
Mai
1.204
Juni
1.611
Juli
2.032
August
2.136
September
1.876
Oktober
1.432
November
1.160
Dezember
1.030
Die Amplitude der jährlichen Schwankung (Mittel aus den Maxima, weniger Mittel aus den Minima) betrug
in diesem Zeitraum 1,522 m. Beobachtete Extreme: niedrigster Stand am mit ZL +0,224 m, höchster Stand am mit
ZL +2,886; Schwankung also 2,662 m.
Verschiedene Umstände, von denen vor Allem die immer mehr vervollkommneten Wehr- und Schleusenanlagen für industrielle
Zwecke der Stadt Genf erwähnt werden müssen, haben zusammengewirkt, um den Wasserstand des Sees während
der historischen Zeiten höher zu legen. Steinbrüche auf Molasse, die ums Jahr 1700 am Seestrand geöffnet worden sind, gestatten
uns den Nachweis zu führen, dass zu jener Zeit bei Niedrigwasserstand im Winter der Seespiegel zuweilen bis auf ZL -0,3
und -0,5 m gesunken ist.
Für die spätern Zeiten können wir uns auf Beobachtungen an Limnimetern stützen, die (in Zeiträume von je 20 Jahren zusammengefasst
und ebenfalls auf ZL bezogen) folgende Resultate ergeben haben:
Wasserstand (m)
Minima
Maxima
Jahresmittel
Vor 1801
0.539
2.228
-
1801-1820
0.689
2.194
1.180
1821-1840
0.459
2.191
1.154
1841-1860
0.764
2.229
1.326
1861-1883
1.049
2.459
1.590
Vor 1810:
0.554
2.204
1.157
1841-1883
0.917
2.352
1.467
Wir ersehen aus dieser Tabelle ein unbestreitbares Anwachsen der verschiedenen limnimetrischen Werte.
Dieses zunehmende Ansteigen des Wasserspiegels begann nun, den am Ufer des Sees gelegenen Ländereien und Bauten ausserordentlich
gefährlich zu werden und ebenso die allgemeinen gesundheitlichen Verhältnisse empfindlich zu verschlechtern. Es lief daher
im Jahre 1877 beim schweizerischen Bundesgericht eine Klage ein, die vom Kanton Genf
die Korrektion der den Abfluss der Rhone hemmenden
Stauwerke forderte. Die Folge davon war das am unterzeichnete Uebereinkommen zwischen dem
Bund und den Uferkantonen des Genfersees, das bestimmt: der Bund und die Kantone Waadt
und Wallis
einerseits bezahlen an die Stadt Genf die hohe
Subvention von 1105000 Fr. und verpflichten sie damit zur Regulierung der Seewasserstände, die Stadt Genf andererseits errichtet
auf rationeller Grundlage ein System von hydraulischen Anlagen (Werke von La Coulouvrenière), das den
ungehinderten Abfluss der Rhone und zugleich die vollkommenste Ausnutzung ihrer Wasserkräfte gestattet. Das ganze Unternehmen
ist dann unter der geschickten Leitung des Ingenieurs Th. Turrettini, Stadtpräsidenten von Genf,
glücklich zur
Ausführung gekommen,
womit zugleich auch, von 1891 an, der Wasserstand des Sees neu reguliert worden ist. Die Einrichtungen
sind vorzüglich, und es handelt sich jetzt nur noch darum, sie auch zur allgemeinen Zufriedenheit arbeiten zu lassen.
Diese künstliche Regulierung des Wasserstandes erhöht das Niedrigwasser des Winters um einen merklichen Betrag und lässt
die sommerlichen Hochwasser ungehindert abfliessen. Die Schwankungen müssen sich nach Massgabe der aufgestellten
Bestimmungen innerhalb einer Grenze von 60 cm abspielen. Folgendes sind die wichtigsten durch das Reglement vom September 1892 festgelegten
Vorschriften: Das Minimum darf nicht unter die Kote ZL 1,1 m sinken, das Maximum nicht über die Kote ZL +1,7 m steigen;
zur Winterszeit muss der Wasserstand des Sees im Januar auf 1,5 m, im Februar auf 1,3 m, im März auf
1,2 m, im April und Mai auf 1,1 m gesenkt werden;
damit die an den Quaimauern nötig werdenden Ausbesserungen vorgenommen
werden können darf der Wasserspiegel jedes vierte Jahr vom 15. März an wenn möglich bis zum 15. April bis
auf die Kote ZL +0,9 m gesenkt werden.
Es sei hier gesagt, dass diesen Bestimmungen, mit wenigen beklagenswerten Ausnahmen, bisher in zufriedenstellender Weise
nachgelebt worden ist.
Das Klima des Genferseethales kann durch nachfolgende meteorologische Werte veranschaulicht werden: Luftwärme (Mittel aus
den Stationen Genf,
Morges, Lausanne, Montreux und Aigle), absolute und relative Feuchtigkeit, Häufigkeit der
Bise (NO.-Wind) und des Sudois (SW.-Wind), Niederschläge, Gewitter, Nebelhäufigkeit.
Luftwärme °C
Absoluter Dampfdruck mm
Relative Feuchtigkeit %
Bise (NO.-Wind) Tage
Sudois (SW.-Wind) Tage
Januar
0.8
4.15
86
4.4
3.3
Februar
2.1
4.31
82
3.7
3.2
März
4.7
4.70
75
4.1
2.9
April
9.5
5.96
70
5.7
4.5
Mai
13.2
7.86
70
3.8
4.8
Juni
16.8
9.76
70
3.4
3.9
Juli
18.9
10.86
68
3.1
3.6
August
18.1
10.66
71
2.0
4.0
September
15.0
9.61
77
2.8
3.7
Oktober
10.3
7.66
83
2.4
3.3
November
4.6
5.34
83
2.3
3.9
Dezember
0.8
4.20
86
4.3
3.1
Winter:
1.2
4.22
55
12.4
9.6
Frühjahr
9.1
6.17
72
13.6
12.2
Sommer
17.9
10.43
70
8.5
11.5
Herbst
10.0
7.54
78
7.5
10.9
Jahr:
9.6
7.09
76
42.0
44.2
.
Niederschlagshäufigkeit Tage
Niederschlagsmenge mm
Gewitter Tage
Nebelhäufigkeit %
Januar
10.1
48.7
0.2
79
Februar
8.3
36.5
0.1
67
März
9.9
47.2
0.2
61
April
10.5
56.8
1.2
58
Mai
11.8
79.1
4.0
58
Juni
10.6
75.9
5.3
54
Juli
9.4
70.8
5.5
44
August
10.1
80.4
4.9
47
September
10.4
94.2
2.5
49
Oktober
11.5
101.0
0.8
69
November
10.8
74.0
0.2
78
Dezember
9.1
51.1
0.1
83
Winter:
27.5
136.3
0.4
76
Frühjahr
32.2
183.1
5.4
59
Sommer
30.1
227.1
15.7
48
Herbst
32.7
269.2
3.5
66
Jahr:
122.5
815.7
25.0
62
Die Menge der Niederschläge, eines der bemerkenswertesten meteorologischen Faktoren, verteilt sich auf die verschiedenen
Abschnitte des gesamten Einzugsgebietes des Genfersees in sehr verschiedener Weise, wie dies folgende
allgemeine Jahresmittel zeigen:
mehr
Centrum des Oberwallis von Reckingen bis
mm
Sitten
684
Kammlinie der Penninischen Alpen
1091
Rhoneebene von Martinach bis Aigle
837
Waadtländer und Savoyer Voralpen
1280
Waadtländer Hochebene
1010
Uferzone des Grand Lac
1091
Uferzone des Petit Lac
807
Das allgemeine Jahresmittel der Niederschlagsmenge im Gebiet des Einzugsbeckens als Ganzes ist auf 91 ±4
cm berechnet worden.
Die verschiedenen am Genfersee wehenden Winde werden von den Anwohnern seiner Ufer mit besonderen Namen belegt. Terrestrische
und stürmische Winde: Der NO. heisst Bise;
der SO. Vaudaire (der Föhn der deutschen Schweiz);
der SW. vent im engern Sinne,
vent de pluie (Regenwind), vent de Genève oder Sudois;
der NW. Joran. Schlägt der Sudois in einen reinen
S.-Wind um, der aus dem Thal der Drance auf die Mitte des Grand Lac weht, so heisst er Bornan;
Molan heisst der aus dem Thal
der Arve auf Genf
zu wehende Wind.
Lokale Winde (Brises) sind dagegen der Morget (Nachtwind, Landwind) und der
Rebat oder Séchard (Tagwind, Seewind).
Der Genfersee beherbergt eine an Formen und Individuen reiche Gesellschaft von tierischen und pflanzlichen Bewohnern. Ueberall
sind solche vorhanden, selbst in den grössten Tiefen und im klaren Wasser der Seemitte: das Leben ist hier allgegenwärtig.
Zum Zwecke unserer raschen Uebersicht über diese Lebewesen teilen wir sie ein in ubiquistische Organismen,
die über grössere Gebiete hin sich zu verbreiten fähig sind, und in lokalisierte Organismen, d. h. in örtlich beschränkte
Faunen und Floren. Zu den erstgenannten gehören vor Allem die grossen Tiere (Vögel und Fische), die aktiv wandernd von
einem Ort zum andern gelangen können, und dann auch die sehr kleinen Lebewesen, die Mikroben, die von den Strömungen im
Wasser passiv überallhin verschleppt werden.
Von den auf dem Genfersee vorkommenden Vogelarten sind nur der gemeine oder
Höckerschwan (Cygnus olor; 1837 hier eingeführt;
eine seit 1868 auftretende Abart, Pseudo-Albinos genannt, hat sich als fortpflanzungsfähig erwiesen)
und die Lachmöve (Larus ridibundus) hier das ganze Jahr hindurch ständig zu finden. Etwa 60 Arten von Laufvögeln und 75 Arten
von Schwimmvögeln, beides Zugvögel, beleben regelmässig oder zufällig auf mehr oder weniger lange Zeit die Wasser des
Sees. Der gehaubte Steissfuss (Podiceps cristatus) ist seines von den Kürschnern begehrten prachtvollen
Gefieders wegen der Gegenstand eifriger Nachstellung.
Die Fische unterscheiden wir in pelagische und littorale Seefische. Von jenen nennen wir die Féra (Coregonus Fera) und Gravenche
(Coregonus hiemalis), zwei dem Genfersee eigene Arten von Felchen, ferner Saibling oder Röteli (Salmo salvelinus; französisch
omble - chevalier); von diesen Barsch, Trüsche (am Ende des 17. Jahrhunderts zufällig eingeführt),
Karpfen, Schleihe, Laube oder Laugeli, Rotten oder Rottelen, Schwal, Alet, Seeforelle, Hecht u. Aal (sehr selten; 1865 zufällig
eingeführt, pflanzt sich nicht fort).
Dazu kommen einige erratische Flussfische, wie Groppen, Grundel oder Gressling, Bambeli, Ellritze, Bartgrundel und Aesche.
Diese Fischfauna des Genfersees ist weit weniger artenreich als z. B. diejenige der Seen und Flussbecken des Rhein oder der
Rhone unterhalb der Perte du Rhône bei Bellegarde. Dies rührt davon her, dass gerade die Perte du Rhône ein für die Fische
unüberwindliches Hindernis ist und dass die an den Quellbächen der Zuflüsse zum Genfer- und Neuenburgersee
hier und da vorhandenen Bifurkationen zu geringfügig sind, als dass sie den Durchgang der Seefische des einen hydrographischen
Beckens in das andere gestatten würden.
Eine zweite Abteilung der ubiquistischen Organismen sind die Mikroben (Bakterien etc.), die überall im Seewasser in grösster
Anzahl vorkommen, so auch in dem als eines der reinsten bekannten Wasser des Genfersees. Ihre Zahl schwankt
je nach den verschiedenen Regionen des Sees von einigen wenigen bis zu einigen Dutzenden, ja bis zu einigen Tausenden im Kubikcentimeter
Wasser.
mehr
Ungeheuer gross ist ihre Anzahl im Schlamm des Bodens, an der Mündung der unreinen Wasser der Zuflüsse und besonders der
Abwässer von Ortschaften, in den Oelflecken an der Wasseroberfläche und in den Anhäufungen von sog. Seeblüte in der pelagischen
Region. Sehr klein ist dagegen ihre Anzahl im reinen Wasser der pelagischen Region und in den tiefern
Wasserschichten bis hinunter zu der mit dem Schlamm am Seeboden in direkte Berührung kommenden Schicht, die dann aber selbst
wieder voller Mikroben zu sein pflegt.
Die Mehrzahl dieser Wasserbakterien sind saprogen, d. h. Erzeuger von Fäulnisgärung, die die abgestorbenen organischen
Stoffe in ihre elementaren Bestandteile zerlegen; die andern, Endo-Parasiten, welche nur durch Zufall
in den See gekommen sind, sind entweder peptogen und wirken dann begünstigend auf die Verdauungsfunktionen ihres Wirtes ein
(der sie zugleich mit seinen Exkrementen in den See wirft) oder pathogen, d. h. Krankheitserreger in den Geweben ihres Wirtes.
Diese parasitischen Mikroben gelangen durch die Abwässer der Ortschaften in den See, verschwinden hier
aber bald, da sie sich in zu kaltem und zu wenig mit Nährstoffen durchsetztem Wasser nicht fortpflanzen können und auch
bald von den im See einheimischen Organismen gefressen werden.
Das Wasser des Genfersees, das seit zwei Jahrhunderten die Brunnen von Genf
speist und noch keine durch Mikroben
veranlasste Infektionskrankheiten verursacht hat, ist unschädlich. Das reinste und in hygienischer Beziehung empfehlenswerteste
Wasser führen die mitten im See und wenigstens 20 m unter der Oberfläche gelegenen Schichten.
Die Mehrzahl der den Genfersee bewohnenden Organismen ist örtlich lokalisiert und gruppiert sich in nach
Regionen abgegrenzte biologische Gesellschaften, nämlich in littorale, pelagische und abyssische (oder der Tiefenregion
eigentümliche) Gesellschaften.
1. Die littorale Region
weist in ihrer Gesamtheit grosse Unterschiede auf und zerfällt in eine grosse Anzahl von Unterabteilungen. Solche sind:
a. Der trockene Strand (grève exondée); besteht aus Sand, Geröll oder anstehendem Fels und wird nur
durch die letzten Ausläufer der grossen Wellen noch benetzt. Auf ihm findet man einige Sandpflanzen, einige omnivore Tiere,
die ihre Nahrung in den von den Wellen hierher geworfenen organischen Ueberresten finden, und - auf Felsgrund - einige Moose.
b. Der überschwemmbare Strand (grève inondable); liegt bei Niedrigwasser trocken und
wird vom Hochwasser
überschwemmt. Beherbergt einige Landpflanzen, die auch einem zeitweisen Verweilen unter Wasser sich anpassen können, und
solche Wasserpflanzen, die bei einer Trockenheit von einigen Monaten nicht zu Schaden kommen. In einigen der übrig bleibenden
Wassertümpeln dieses überschwemmbaren Strandes fand man früher Elatine hexandra, Zanichelliatenuis
und Duriaea Reuteri, die heute durch die auf den Strand übergreifenden Mauerbauten der Städte, Ortschaften und Landhäuser
am See zum Verschwinden gebracht worden sind.
c. Die Uferbank (beine); die 2-4 m unter dem Wasserspiegel liegende beinahe horizontale Uferterrasse. Wo sie schlammig ist,
bedecken sie die grossen lakustren Phanerogamen (forêts des favas in der Lokalsprache) Potamogeton perfoliatus,P. crispus, P. lucens, P. filiformis und P. pectinatus, Myriophyllum spicatunt und Ceratophyllum demersum; im schlammigen
Sand der Halde siedeln sich als dichtes Strauchwerk die Armleuchtergewächse an: Chara ceratophylla, C. contraria, C. fœtida,C. hispida, C. aspera und C. fragilis, ferner einige Arten von Nitella.
In den Häfen und geschützten Buchten ist die seit 1880 eingeschleppte Elodea canadensis häufig zu beobachten. Die Wasser
der Uferbank bewohnen alle diejenigen aquatischen Tiere, Moose und Algen, die die eigentlich lakustren Bedingungen, d. h.
vornehmlich den starken Wellenschlag zu ertragen vermögen, indem sie sich entweder in Verstecken bergen,
oder an feste Körper anklammern oder endlich auch schwimmend an ruhigere Stellen in Sicherheit bringen: von Insekten Orichtochilusvillosus, Sigura Lemani, einige Larven von Pseudo-Neuropteren, Neuropteren und chironomen Dipteren;
von Crustaceen der Flusskrebs,
Flohkrebs (Gammarus pulex), Asellus aquaticus, ferner eine Menge van Cladoceren, Copepoden und Ostracoden;
einige Hydrachniden;
von Mollusken Limnæen, Planorben, Bythinien, Valvaten, Ancylusarten, Anodonta anatina, A. cygnea, A.cellensis und A. Pictetiana, ferner Cycladen und Pisidien;
viele Würmer, Hydriden, Schwämme und Protozoen.
Keine dieser
Arten gehört dem Genfersee ausschliesslich an, mit Ausnahme von Anodonta Pictetiana, die wegen ihrer Grösse hier ihre besondere
Erwähnung verdient.
In den Uferlagunen, den Aestuarien der Flüsse und einigen geschützten Buchten entwickelt sich das Phragmitetum,
grosse Felder von Schilfrohr, dem einige Binsen und Rohrkolben beigemischt sind; diese stillen Wasser beherbergen eine üppige
Algenflora und eine reiche Fauna von niederen Tieren.
mehr
2. Die pelagische Region,
d. h. die Wassermasse des offenen Sees wird von einer biologischen Gesellschaft belebt, deren einzelne Individuen alle schweben
oder gute Schwimmer und vor den Nachstellungen ihrer Feinde z. T. durch ihre wunderbare Durchsichtigkeit geschützt sind.
Diese Gesellschaft besteht aus den pelagischen Seefischen (den Coregonenarten Féra und Gravenche und
dem Saibling) und einer grossen Anzahl von kleinen Organismen, die unter der Bezeichnung des Plankton zusammengefasst zu
werden pflegen.
Dazu gehören die Crustaceen Daphnia hyalina, Bosmina longispina, Leptodora hyalina, Bythotrephes longimanus, Diaptomus gracilis
und D. laciniatus;
einige Rädertierchen (Rotatoria), wie Asplanchna priodonta, Synchæta pectinata, Polyarthra platyptera,TriarthraIongisela, Anurea aculeata und A. cochlearis, Notholca longispina, Gastropus stylifer;
die
Protozoen Vorticella convallaria (Schmarotzer auf Anabaena), Dinobryon sertularia und D. cylindricum, Ceratium hirundinella;
die Algen Bothryococcus Braunii, Anabaena circinalis, Asterionella formosa, Cyclotella comta.
Fragilaria crotonensis, Melosiravarians.
Im Genfersee ist die Quantität des Plankton keine sehr grosse und weit geringer als in den kleinen wenig
tiefen Seen und Weiern. Die mit einem Netz aus Müllergaze Nr. 20 (77 Fäden auf den Centimeter) aufgefischte Quantität von
Plankton beträgt hier im Mittel 50, im Minimum 20 und im Maximum 125 cm3 auf einen Quadratmeter Seefläche.
Die grosse Mehrzahl der zur pelagischen Gesellschaft gehörenden Organismen lebt in 10-20-40 m unter
der Seeoberfläche, doch steigen im Genfersee einige tierische Arten bis zu 100 und 200 m Tiefe ab (so z. B. Sida limnetica).
Das sog. Seeblühen oder die Seeblüte, Anhäufungen von organischem Staub auf der Seeoberfläche, besteht im Genfersee hauptsächlich
aus Ansammlungen von Coniferenpollen, die im Frühjahr durch den Wind und die Wildbäche auf den See hinausgetrieben
werden.
3. Die im Genfersee mit der Isobathe von 25 m, d. h. der unteren Grenze des Vorkommens von Chlorophyllpflanzen einsetzende
Tiefenregion ist von der abyssalen Gesellschaft bewohnt. Zwei ihrer Vertreter, die pigmentierten und blinden Crustaceen
Asellus Foreli und Niphargus Foreli, sind wahrscheinlich ursprüngliche Höhlenbewohner, die ihren Weg in den See gefunden
und sich hier fortgepflanzt haben. Neben diesen typischen Vertretern einer Dunkelfauna finden wir in der Tiefenregion des
Genfersees noch etwa hundert Arten von Algen und niederen Tieren, die aus den littoralen Regionen in die
grossen Tiefen hinaus verschleppt worden sind.
Hier haben sie sich fortgepflanzt und schlammige Klumpen von armseligen und verkümmerten Rasen gebildet, die während einiger
Generationen weiter vegetieren. Nur wenige dieser Arten scheinen sich an das Lehen bis in eine Tiefe von 80 m dauernd angepasst
zu haben, so einige Oscillarien und zahlreiche Diatomeen, denen das im Winter eindringende spärliche
Licht zur Entwicklung genügt und die dann einen nicht unbedeutenden Teppich von sog. organischem Filz bilden. Dringen wir
in noch tiefere Wasserschichten hinab, so finden wir kein pflanzliches Leben mehr, und die Fauna muss sich mit den auf den
Seeboden niederfallenden Leichen der pelagischen Organismen als Nahrung begnügen. In der Tiefenfauna
des Genfersees haben wir das Vorkommen von beinahe sämtlichen Typen der littoralen Fauna
(excl. Anodonten und Schwämme) nachgewiesen.
Merkwürdig und bisher ohne bekanntes Analogon geblieben ist das Vorkommen eines chlorophyllgrünen Mooses, Thamnium Lemani,
in der abyssalen Region, das wir von den Steinen der unterseeischen Moräne von Yvoire aus 60 m Tiefe heraufgeholt
haben.
An den Gestaden des Genfersees sind eine grosse Anzahl von Pfahlbauten aufgefunden worden, die wir in Folgendem ihrem archäologischen
Alter nach gruppieren wollen:
Steinzeit: Stationen Villeneuve, Kirche Morges, La Poudrière, Fraidaigue, Le Châtaignier unter Dully, Promenthoux in der
Bucht von Prangins, Les Pâquis bei Genf,
Les Eaux Vives, La Belotte, Collonges, Coudrée, Thonon.
Steinzeit, erstes Auftreten der Bronze: Stationen Les Roseaux in Morges (Typus des von G. de Mortillet aufgestellten âgemorgien) und La Pointe de la Bise bei Genf.
Steinzeit und Bronzezeit (bel âge du bronze) im selben Pfahlbau: Stationen Cully, Rolle, Bellevue bei Genthod,
Bellerive, La Gabiule, Hermance (La Vie à l'Ane), Nernier.
Bronzezeit (bel âge du bronze): Stationen La Pierre de Cour unter Lausanne, Le Flon, La Venoge, Saint Prex, Beaulieu, Le Creux de
la Dullive. Nyon, Céligny, Coppet, Mies, Versoix, Asnières, La Fabrique de Chens, Le Creux de Tougues, Messery;
grössere Pfahlbauerstädte Morges, Genf,
Thonon.
Bronze- und Eisenzeit: Stationen Plongeon bei Genf,
Beauregard.
Unbestimmten Alters: Stationen Le Creux de Plan, Vevey, Paudex, Les Pierrettes, Saint Sulpice, Le Boiron bei Morges, Excénevex.
Die in diesen Pfahlbauersiedelungen gefundenen Altertümer befinden sich heute in den archäologischen Museen
von Lausanne, Genf,
Annecy etc.
Die von den Fischern im Genfersee gefangenen essbaren Fische sind, in der Reihenfolge ihrer wirtschaftlichen Bedeutung aufgezählt:
Féra, Seeforelle, Saibling, Trüsche, Barsch, Hecht, Gravenche. Von weniger Wichtigkeit ist der im Hafen von Genf
betriebene Krebsfang.
Die auf dem Genfersee üblichen Hilfsmittel und Methoden des Fischfanges weichen von denen der übrigen
Schweizerseen nicht ab. Der Marktwert des jährlichen Fischfangs im Genfersee übersteigt die Summe von 500000 Fr.
Schiffahrt.
Auf dem Genfersee fahren alle möglichen Arten von Schiffen, wie sie gerade vom Auslande eingeführt oder den auf andern Seen
üblichen Fahrzeugen nachgeahmt worden sind. Daneben gibt es aber auch noch eine Anzahl von nur dem Genfersee
eigentümlichen Typen:
Das Fischerboot (bateau de pêche); ein Flachboot mit erhöhtem und spitz zulaufendem Vorderschiff, viereckigem Hinterschiff,
zwei grossen Stehrudern an Steuerbord und einem Steuerruder hinten an Backbord.
Das Marktschiff (la cochère); flach, ohne Verdeck, mit einem Zimmerchen unter dem erhöhten und spitz
zulaufenden Bug, mit viereckigem Hinterschiff, zwei Masten mit je einem dreieckigen Segel, drei oder vier Stehrudern und einem
beweglichen Steuer.
Das Lastschiff, von den Schiffern des Genfersees einfach la barque genannt; von gleicher Form wie die Cochère, aber mit Verdeck;
100-180 Tonnen Gehalt. Mit seitlichen Aussengalerien, sog. apoustis, versehen, längs denen die Schiffer
beim Fortstossen des Schiffes mit Ruderstacheln (étire) oder bei überladenem Verdeck hin und her laufen können. Dem Lastschiff
angehängt ist ein
mehr
Rettungsboot, der sog. naviot. Zwei Masten mit dreieckigen (sog. lateinischen) Segeln; in den letzten zwanzig Jahren des 19. Jahrhunderts
hat man noch hier und da einen dritten Mast u. auch noch einen Klüver beigefügt. Ist mit 3-4 Schiffern bemannt. Dieses
Lastschiff des Genfersees hat einige bemerkenswerte nautische Eigenschaften; es geht nur wenig tief (im
Maximum bei voller Fracht nur 2 m) und vermag auch, seitdem man es zu Ende des 19. Jahrhunderts noch mit einem Kiel versehen
hat, mit Lavieren den Wind zu überholen. Dank seiner Breite kann es auch ohne Ballast und Ladung unter vollen Segeln fahren
und ist genügend im Gleichgewicht, um seine volle Ladung auf dem Verdeck tragen zu können.
Die Grössenverhältnisse einer solchen grossen Barke des Genfersees sind: Länge des Verdeckes 28 m, Länge des Kiels 25 m,
grösste Breite 8 m, Höhe des Zwischendecks 2,5 m, Höhe der Masten 14 m, Länge der Segelstangen 25 m,
Fläche der grossen Segel 150 m2. Ihr Preis beträgt etwa 25000 Fr. Man zählt auf dem Genfersee 80 bis 100 solcher Lastschiffe,
die hauptsächlich die Verfrachtung und den Transport von Bausteinen besorgen, wie solche z. B. in den Steinbrüchen von Meillerie
in Savoyen und von Arvel bei Villeneuve gewonnen werden.
Die Dampfschiffahrt ist auf dem Genfersee 1823 eingeführt worden, als der in Genf
lebende Engländer Church den ersten kleinen
Dampfer, Wilhelm Tell, baute. Seither hat sie sich mächtig entwickelt. Abgesehen von den Privatleuten gehörenden Jachten
und Booten für Vergnügungs- und Handelszwecke zählte die Compagnie générale de Navigation mit Sitz
in Lausanne, die den ganzen Personenverkehr auf dem See beherrscht, im Jahre 1901 eine Flotte von 21 verschieden grossen Schiffen,
darunter 4 Schiffen für den Waarentransport.
Der grösste dieser Dampfer, die 1875 erbaute Suisse, ist 64 m lang und 7,2 m breit, fasst 322 Tonnen Ladung oder 1300 Personen,
verfügt über eine Maschine von 795 ind. Pferdekräften und hat 400000 Fr. gekostet. Sieben der Dampfer
der Gesellschaft fassen je über 200 Tonnen, sieben weitere je 100 bis 200 Tonnen und die sieben kleinsten endlich weniger
als 100 Tonnen. Die Einnahmen der Gesellschaft betrugen 1900: Personenverkehr 1061000 Fr., Waarenverkehr 82000 Fr., Verschiedenes 16000 Fr.,
Ausgaben: 1051000 Franken. Im Fluss- und Seehafen von Genf
besorgt eine Schiffahrtsgesellschaft mit 9 kleinen für die Aufnahme
von je 25-40 Personen eingerichteten Schraubendampfern, sogenannten Seemöven (mouettes) den Verkehr.
Die grosse relative Dichtigkeit, der die Seeufer bewohnenden menschlichen Bevölkerung zeigt uns
die Anziehungskraft,
die der See auf den Menschen ausübt. Auf Grund der Ergebnisse der eidgenössischen Volkszählung von 1888 haben
wir längs des schweizerischen Ufers zwei je 2,5 km breite parallele Zonen mit 250 km2 Gesamtfläche ausgeschieden: eine
Uferzone und eine ganz im Innern des Landes gelegene kontinentale Zone. Die erstere zählte 126163 Ew. oder 505 Ew.
auf einen km 2, die andere 18537 Ew. oder 74 Ew. auf einen km2.
Daraus ergibt sich, dass damals die Uferzone siebenmal dichter besiedelt war als die kontinentale Zone. Wenn wir aus der
erstgenannten Zone die beiden grossen Städte, Genf
und Lausanne, ausschalten, so verbleiben noch 352 Ew. auf
einen km2; lassen wir dazu auch die Städte Vevey, Montreux, Nyon und Morges weg, so haben wir immer noch 154 Ew. auf einen
km2. Diese Zahlen zeigen zur Genüge, dass die unmittelbare Nachbarschaft des Sees dem Menschen für seine Ansiedelung
besonders zusagende Vorteile oder Annehmlichkeiten bietet.
Zum Schluss sei bemerkt, dass der Genfersee auch in landschaftlicher Beziehung der Schönheit seiner
Gestade wegen berühmt ist und diesen guten Ruf wohl verdient. Er ist gross genug, um weite Fernsichten zu bieten und seine
grosszügige Umrahmung mit einem prachtvollen und in jeder Hinsicht harmonischen und eindrucksvollen Gebirgskranz zur vollen
Geltung bringen zu können; andererseits ist er wieder nicht zu ausgedehnt, so dass das Auge auch auf
das gegenüberliegende Ufer zu schweifen und auch dort bemerkenswert schöne Einzelheiten aufzufinden vermag.
Seine geographische Lage sichert dem Genfersee schon den Glanz einer fast südlichen Naturentfaltung, gibt ihm aber auch
wieder alle die Reize, die unsere verschleierte Atmosphäre der gemässigten nördlichen Breiten auszeichnen.
Die meerblaue Farbe seiner Wasser, die mit dem Azurblau des darüber gespannten Himmels an Pracht zu wetteifern scheint, erfreut
das Auge weit mehr als das dunkle Grün der übrigen alpinen Randseen oder das eintönige Braun der nordischen Seen.
Ausgezeichnet durch ihren grossartigen Fernblick sind besonders das Nordufer des Grand Lac, von wo aus
sich vor dem Schauenden die wunderbare Mauer der Alpenkette aufbaut, oder das Gestade des Haut Lac bei Vevey, wo die Dent du Midi
so herrlich in den Gesichtskreis eintritt. Wer den intimen Reiz einer weniger durch ihre Grossartigkeit packenden, als vielmehr
mit ihrer Lieblichkeit fesselnden Landschaft zu würdigen weiss, wird sich den Gestaden der Savoyer Seite des Grand Lac und
den Ufern des Petit Lac zuwenden, wo das monotone Einerlei der Weinberge den reizvollen Wechsel von Wald und Wiesen noch nicht
völlig
mehr
verdrängt hat; oder er wird endlich in die Gegend um Montreux pilgern, wenigstens noch für so lange, als die lästigen Mauervierecke
der grossen Gasthöfe nicht endlich auch noch die letzten Ausblicke in die ehemals reizendste und liebenswürdigste Landschaft
am Genfersee verdeckt haben werden.
Bibliographie.
Forel, F. A. Le Léman; Monographie limnologique. Tomes, I, II, III 1. Lausanne 1892-1902. Das Werk wird
mit dem baldmöglichst erscheinenden zweiten Teil des 3. Bandes abgeschlossen vorliegen. - Forel, F. A. Handbuch der Seenkunde.
Stuttgart 1901.