Titel
Genf.
Kanton der schweizerischen Eidgenossenschaft, in der offiziellen Reihenfolge der Kantone deren zweiundzwanzigster.
Lage, Grösse, Oberflächengestaltung und Gewässer.
Der Kanton Genf
liegt im äussersten
SW.-Winkel der
Schweiz zwischen 46° 7' 47" u. 46° 19' 4" N. Br. u. zwischen
3° 37' 15" u. 3° 58' 30" OL. von Paris (oder 5° 57' 30" und 6° 18' 45" OL. von Greenwich). Er umrahmt das SW.-Ende des
Genfersees u. ist seiner Fläche nach (mit Seeanteil 277 km2, ohne diesen 249,4 km2) der fünftkleinste
Kanton der
Schweiz (es stehen ihm an Fläche nur beide
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Appenzell,
Zug
und Basel Stadt
nach). Seine grösste Längenerstreckung misst in der Richtung N.-S. (zwischen dem Schloss Les Chavannes und Landecy) 19,8
km, in der Richtung W.-O. (zwischen der Grenze w. Dardagny u. Moniaz) 26,5 km; sein grösster Durchmesser liegt in der Richtung
SW.-NO., reicht von der Rhone bei Chancy bis Hermance am Genfersee und misst 29,3 km. Der Kanton Genf
ist fast ganz
in französisches Gebiet vorgeschoben und grenzt nur auf kurze Strecken an die übrige Schweiz. Er wird begrenzt: im N. vom
Genfersee und Kanton Waadt,
in dessen Gebiet er noch die zwei Enklaven der Gemeinde Céligny liegen hat;
im W. vom französischen Département de l'Ain, von dem ihn eine stark gebrochene Grenzlinie scheidet;
im S. u. O. in ebenfalls unregelmässiger Linie vom Département de la Haute Savoie.
Der Kanton Genf
bildet den südlichsten und tiefsten Abschnitt des Thales des Genfersees und
liegt inmitten eines weiten Gebirgskreises, der von den Ketten des Jura, vom Mont Vuache, Mont de Sion,
Salève und von den Voirons gebildet wird. Die unregelmässig verlaufenden Grenzen ziehen sich in kurzem Abstand vor diesen
Bergketten hin. Das Gebiet Genfs
wird durch Genfersee und Rhone in zwei Abschnitte geteilt, die kleinere sog. Rive droite (rechtes
Ufer) und die grössere sog. Rive gauche (linkes Ufer).
Der Boden bildet eine gewellte Ebene, aus der sich sanftgeböschte Höhenzüge und Hügel erheben: der Höhenzug (côteau) von Cologny (499 m) und das Signal de Bernex (504 m) am linken Ufer und die Höhenzüge von Pregny (469 m) und Choully (508 m) am rechten Ufer. Tiefster Punkt des Kantons (am Rhoneufer s. Chancy) in 338 m, höchster Punkt (im O., nahe der Grenze gegen Frankreich und etwas n. Moniaz) in 521 m; der grösste Teil des Kantons liegt zwischen 425 und 475 m, d. h. zwischen 50 und 100 m über dem Spiegel des Genfersees. Da der Spiegel des Sees in 375 m und derjenige der Rhone bei ihrem Austritt aus dem Kanton in 338 m liegen, hat die Mehrzahl der das Genfer Gebiet durchziehenden Flüsse und Bäche sich mehr oder weniger tief in die Oberfläche einschneiden müssen; die bedeutendsten dieser entweder in der quaternären Decke oder in der tertiären Molasse ausgewaschenen Tobel sind die der Versoix, des Vengeron, des Nant des Grebattes, des Nant d'Avanchet, des Avril und der London rechts der Rhone und die der Hermance, der Eaumorte und der Laire links der Rhone.
Die Rhone selbst fliesst auf Genfer Boden in einem tiefen Einschnitt, der von hohen Steilufern begleitet ist und stellen weise sogar den Charakter eines wirklichen Canyon aufweist. Auch ihr grösster Nebenfluss, die Arve, hat sich tief in den Genfer Boden eingeschnitten und dessen ursprüngliche Gestaltung in Folge ihres stark unregelmässigen Laufes in bedeutendem Masse umgeformt. Der Kanton Genf gehört ganz dem Einzugsgebiet der Rhone an. Dieser Fluss durchzieht nach seinem Austritt aus dem Genfersee den Kanton zunächst von O.-W. und biegt nachher nach S. ab; er bildet zahlreiche anmutige Schlingen und lässt aus seinem Wasser einige unbedeutende Inselchen auftauchen.
Die Krümmung der Flussschlingen ist eine derartige, dass der Flusslauf zwischen der Jonction und Chancy eine Länge von 21 km hat, während diese beiden Punkte in der Luftlinie nur 13 km von einander entfernt sind. Das untere Ende des Genfersees schiebt sich keilförmig bis ins Herz des Genfer Gebietes vor und ist von grünen Höhenzügen anmutig umrahmt. Kurz nach ihrem Austritt aus dem See nimmt die Rhone von links die Arve auf, einen wasserreichen Fluss von Wildbachcharakter, der aus den Gletschergebieten des Mont Blanc herkommt und wie die Rhone selbst auf seinem Lauf durch den Kanton Genf malerische Schlingen bildet und stellenweise von hohen Steilufern quaternären Alters begleitet wird.
^[Ergänzung: Sie führt in der Sekunde im Minimum 20 m3 und im Maximum (Oktober 1888) 1136 m3 Wasser.] Nach der Vereinigung mit der Rhone hält sich das milchigtrübe Wasser der Arve noch auf eine lange Strecke hin vom blauen und klaren Rhonewasser vollständig getrennt, später mischen sich die beiden Wasser langsam miteinander und vereinigen sich zu einem gleichförmig graugrünlichen Strom. Neben diesen beiden Hauptadern wird der Kanton Genf noch von vielen andern Wasserläufen entweder durchzogen oder von Frankreich abgetrennt.
Solche sind: auf dem rechten Ufer der Nant de Braille, die Versoix und der Vengeron (die alle drei in den Genfersee münden), der Nant des Grebattes, der Nant d'Avanchet, der Avril und die London oder Allondon (Zuflüsse zur Rhone);
auf dem linken Ufer die in den Genfersee mündende Hermance, die Seimaz, der Foron und die Aire (alle drei Zuflüsse zur Arve) und endlich die zur Rhone gehenden Eaumorte und Laire. An dieser Stelle mögen auch noch die weiten Sumpfgebiete von La Pallanterie, Rouelbeau, Sionnet und Troinex erwähnt werden, von denen das letztgenannte durch Oeffnen eines grossen Abzugsgrabens jetzt trocken gelegt ist.
Geologie.
Der Kanton Genf liegt in seiner Gesamtheit in einer weiten Senke, nach welcher hin zwei grosse Flussläufe konvergieren und wo einst die Vorgänge der Eiszeiten eine grosse Rolle gespielt haben. Seine Bodenbedeckung besteht daher fast ausschliesslich aus quaternären Ablagerungen glazialen oder fluvioglazialen Ursprunges, die verschiedenartige Faciesausbildung zeigen und einer Grundlage von oligocäner Süsswassermolasse (aquitanische Stufe) auflagern.
Der Genfer Geologe Alph. Favre hat diese Ablagerungen ihrem Alter nach in drei Stufen gegliedert und unterscheidet: 1. Alte Alluvionen, die an der Basis aus kohlenführenden Mergeln und höher oben aus Sanden und besonders Kiesen bestehen, in mehr oder weniger regelmässigen und horizontalen, oder schwach nach W. fallenden Schichten gelagert sind und deren einzelne Bestandteile oft in einander übergreifen oder mit einander wechsellagern. Sie sind unverkennbar Fluss- und Wildbachablagerungen, die den im Kanton Genf zusammentreffenden grossen Flüssen ihren Ursprung verdanken, und bestehen aus gerundetem Geschiebe, das aus Savoyen, dem Wallis und dem östlichen Teil des Kantons Waadt stammt.
Die Zugehörigkeit dieser Alluvionen zur Eiszeit geht daraus hervor, dass ihnen an einzelnen Stellen Moränenmaterial eingelagert ist (so besonders am Fuss des Bois de la Bâtie und bei Mategnin). 2. Moränenschutt, ohne Schichtung und ohne Sonderung der Geschiebe nach ihrer Grösse, aus geschrammten Blöcken, eckigen Gesteinstrümmern und Lehm bestehend. Besonders hervorzuheben sind mächtige Granitblöcke, die zumeist aus dem Ober Wallis herstammen. Am Bois de la Bâtie sind Bänke dieses Moränenmaterials in die alten Alluvionen eingelagert, welche Erscheinung den wechselnden Schwankungen im Stand des einstigen Rhonegletschers entspricht. Diese glazialen und fluvioglazialen Ablagerungen der alten Alluvionen u. des Moränenschuttes häufen sich ganz besonders rund um das Ende des Genfersees, und in den alten Alluvionen haben sich die Rhone und Arve und einige ihrer Zuflüsse (Avril. London, Eaumorte, Laire) ihre hohen Steilufer ¶
Lf. 59.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebr. Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 3° 50’ O; 46° 10’ N; 1:140000]
Bevölkerungsdichtigkeit
Einwohner per km2
░ 50-75
▒ 75-100
▒ 100-150
▓ 150-200
▐ 200-1000
▐ 3000-6000
===== Strassenbahn
- - - Elektrische Kleinbahn
V. Attinger. sc
KANTON GENF ¶
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ausgewaschen. Alph. Favre hat ihre durchschnittliche Mächtigkeit zu 10 m und ihr Gesamtvolumen im Kanton Genf auf 245 Millionen m3 geschätzt. 3. Postglaziale Alluvionen, die aus Sanden und Kiesen bestehen und deren Grenzen oft schwierig zu bestimmen sind. Sie treten in drei von einander verschiedenen Formen der Ausbildung auf: a) Alluvionen auf den heute nicht mehr von einem Flusslauf durchzogenen Hochflächen, deren Vorhandensein auf einst weit grössere und über weite Flächen hin und her pendelnde Wassermassen schliessen lässt (Ebene zwischen der Seimaz und dem Foron, Thal der Aire, SW.-Abschnitt des Kantons); b) Flussalluvionen, an den konvexen Krümmungen der Serpentinen in horizontalen Bänken abgelagert; die am höchsten gelegenen Bänke sind im Allgemeinen zugleich auch die ältesten und sind zu einer Zeit abgelagert worden, da das Bett der Flüsse noch in höherem Niveau lag als dies heute der Fall ist (Plainpalais, Thal der London, Les Pâquis, Les Eaux Vives, Uferterrassen der Rhone etc.); c) Seealluvionen, bestehend aus Deltabildungen von Wildbächen, deren schief geneigte Schichten zu einer Zeit im See abgelagert worden sind, da dessen Wasserspiegel noch weit höher stand als heute. Das bedeutendste dieser heute trocken liegenden Deltas ist das bei den Tranchées, ö. der Stadt; da es aus denselben Materialien besteht, wie sie heute von der Arve verfrachtet werden, hat man daraus den Schluss gezogen, dass dieser Fluss einst an dieser Stelle in den See ausgemündet haben müsse.
Im Verlauf der Quartärzeit hat die Bodenoberfläche des Kantons Genf durch die ihn durchziehenden Wasserläufe grosse Veränderungen erlitten. So hat besonders die erosionskräftige Arve zu Ende der Eiszeit das Becken ausgewaschen, das sich von Le Bachet de Pesay bis La Treille und vom Bois de la Bâtie bis Pinchat erstreckt und in dem heute die Ortschaften Plainpalais und Carouge liegen. Später, in historischer Zeit, ist dann dieses Becken von den Geschieben derselben Arve wieder teilweise aufgeschüttet worden.
Die Arve hat überhaupt während der Quartärzeit ihren Lauf vielfach gewechselt und als Zeugen hiefür zahlreiche Kiesablagerungen hinterlassen. Bei der Rhone ist dies dagegen trotz ihrer beträchtlichen Wassermenge nicht der Fall gewesen, da sie einerseits als geschiebearmer Fluss aus einem läuternden Seebecken kommt und andererseits zu tief eingeschnitten ist, als dass sie in ihrem Lauf beträchtlich hätte hin und her pendeln können. Wie die Arve haben sich aber auch die kleinen Flüsse des Kantons in beträchtlichem Umfang an der Umgestaltung seiner Oberfläche beteiligt: grosse Ablagerungen der Aire liegen zwischen Saint Julien u. Confignon, ebensolche der Laire bei Avusy und Chancy, und der Foron hat mit seinen Geschiebemassen die einstigen Sümpfe bei Puplinge überführt. (Näheres siehe bei Favre, Alphonse. Description géolog. du cant. de Genève. 2 vol. Avec planches. Genève 1880).
Die der aquitanischen Stufe angehörenden Ablagerungen des Tertiärs gliedern sich in drei Horizonte: einen unteren (gipsführende Mergel und Gips), einen mittleren (kalkige Mergel, Holzkohlen und einige Fossilien) und einen obern (mit Mergel als Basis und Sandsteinen als Decke). Diese tertiären Schichten treten in den von den Flussläufen ausgewaschenen Tobeln und an einigen Stellen der Rhoneufer zu Tage.
Der geologische Bau des Kantons Genf, wie wir ihn eben geschildert haben, erklärt dessen Armut an abbaufähigen Steinbrüchen oder Erz- u. Kohlenlagern. Anlass zu fabrikmässigem Abbau haben einzig die Bänke von Sand, Kies und brennbaren Tonen gegeben, von denen Sande und Kiese an zahlreichen Stellen des Kantons, der Töpferton bei Hermance und Bellevue ausgebeutet werden. Immerhin hat man zu verschiedenen Zeiten jeweilen auch Brüche auf Molasse (mit oder ohne Gips) aufgetan, die aber heute alle wieder aufgegeben sind. Im W. des Kantons findet man an mehreren Punkten (Choully, Granges, Dardagny) Lager von Bitumen und Holzkohle; auch diese sind heute nach verschiedenen unergibigen Abbauversuchen alle wieder verlassen. Der hie und da (bei Choully, Bernex, am Nant d'Avanchet) vorkommende Gips lohnt seiner geringen Mächtigkeit wegen den Abbau ebenfalls nicht. Der Kanton Genf hat einige Mineralquellen, so bei La Croix de Rozon (gefasst und benutzt), bei Drize und Hermance.
Klima.
Da der Kanton Genf von bis zu über 1700 m Höhe aufsteigenden und erst im Mai ihrer winterlichen Schneedecke sich entledigenden Bergmassen umrahmt ist und dazu den NO.-Winden ungehinderten Zugang gestattet, so müssten seine klimatischen Verhältnisse ziemlich ungünstige sein, wenn nicht als thermischer Ausgleicher die grosse Wasserfläche des Genfersees ihre Wirkung geltend machen würde. Sie mildert im Sommer die Hitze, im Winter die Kälte, so dass die mittleren Temperaturen für Genf im Winter 0,7°, im Frühjahr 8,9°, im Sommer 17,9°, im Herbst 9,7° und im Jahr 9,3 °C betragen.
Unter 0 °C fällt die Temperatur an durchschnittlich 65 Tagen im Winter (davon 20 Tage mit ganztägigem Frost), 18 Tagen im Frühjahr und 12 Tagen im Herbst (davon für Frühjahr und Herbst zusammen pro Jahr je ein Tag mit ganztägigem Frost), zusammen also im Jahr an 95 Tagen, wovon an 21 der Frost, jeweilen den ganzen Tag andauert. Im Zeitraum 1826-1895 sind folgende Temperaturextreme beobachtet worden: Minimum mit -25,3° am und Maximum mit +36,4° am Das Mittel aus den absoluten Minima eines Jahres gibt -13,27° für den 15. Januar und dasjenige aus den absoluten Maxima +32,51° für den 20.-21. Juli. Der mittlere jährliche Barometerstand ist 726,65 mm (im Winter 727,6 mm, im Frühjahr 724,8 mm, im Sommer 727,4 mm und im Herbst 726,8 mm). Während der letztvergangenen 50 Jahren hat das Barometer am mit 748,7 mm seinen höchsten und am mit 700,16 mm seinen tiefsten Stand erreicht.
Seit 1826 wird in Genf die Menge der Niederschläge regelmässig berechnet. Das Mittel aus diesen Beobachtungen gibt 836,6 mm für das Jahr, 138,0 für den Winter, 189,7 für das Frühjahr, 233,3 für den Sommer und 275,6 für den Herbst. Am geringsten ist der Niederschlag in den Monaten Januar, Februar und März, am stärksten im August, September und Oktober. Die dem Jura näher gelegenen Teile des Kantons weisen in dieser Hinsicht höhere Zahlen auf, als das übrige Kantonsgebiet; doch sind die Regenmessstationen (mit Ausnahme derjenigen der Sternwarte) noch zu jungen Datums, als dass aus ihren Ergebnissen jetzt schon brauchbare Mittelzahlen berechnet werden könnten.
Regentage zählt man jährlich 130,5, Regenstunden 716,2. Gewitter treten im Jahr durchschnittlich an 24,94 Tagen auf; sie sind am häufigsten im Juni und Juli und am seltensten im Dezember und Februar. Die Schneedecke bleibt nur ausnahmsweise länger als 15 Tage hintereinander liegen. Aus allen diesen Verhältnissen ergibt sich, dass das Klima von Genf im Vergleich zu der Menge der atmosphärischen Niederschläge weit milder ist, als dasjenige der den Kanton ¶