Generalstab
(franz.
État-major général), früher auch Generalquartiermeisterstab genannt, ein Offizierkorps, dem
die Vorbereitung der kriegerischen Thätigkeit des
Heers sowie die Unterstützung der
Heerführer und höhern
Truppenbefehlshaber obliegen, oder, wie
Clausewitz sagt, bestimmt, »die
Ideen
der kommandierenden
Generale in Befehle umzuschaffen«.
Zu der vorbereitenden Thätigkeit gehört die
Pflege kriegswissenschaftlicher
Bildung überhaupt, namentlich aber das
Studium
und die Bearbeitung der
Kriegsgeschichte, ferner das Sammeln von Nachrichten und statistischem
Material über fremde
Heere und
die verschiedenen Kriegsschauplätze, Kartenlegung, Untersuchung und
Beschreibung des eignen
Landes, dann die
Ausbildung von
Offizieren für höhere Truppenführung und den Generalsta
bsdienst, endlich das Entwerfen und Ausarbeiten der
Pläne für die
Mobilmachung und die Zusammenziehung der
Armeen.
Die Unterstützung der Heer- oder Truppenführer besteht im Erteilen von Auskunft über das feindliche Heer und den Kriegsschauplatz auf Grund der im Frieden erlangten Kenntnis, im Sammeln und Sichten der im Felde darüber eingehenden Nachrichten, in der Ergänzung derselben durch Rekognoszierung (s. d.) der feindlichen Stellungen etc. oder rein örtlicher Verhältnisse (Wegsamkeit, Möglichkeit der Unterbringung und Verpflegung der Truppen, Verteidigungsfähigkeit von Orten u. dgl.), endlich im Ausarbeiten der Anordnungen des Befehlshabers in Befehle für die Truppen (Dispositionen für Unterbringung, Märsche und Gefechte).
Die Gesamtheit dieser Thätigkeit wird als Generalsta
bsgeschäfte bezeichnet. Der Generalstab
ist entweder eine selbständige
Behörde
(Preußen,
[* 2]
Österreich
[* 3] etc.) oder nur eine Abteilung des
Kriegsministeriums
(England,
Frankreich, Rußland); die
Offiziere
desselben bilden meist ein besonderes
Korps mit eigner
Uniform und bevorzugtem
Avancement, wechseln aber
in
Deutschland
[* 4] in ihrer Dienststellung beim Generalstab
und in der
Truppe. Seinem Wirkungskreis nach zerfällt er überall in einen
Großen Generalstab
, dem im
Frieden die allgemeinen Vorbereitungsarbeiten, im
Krieg neben der Fortsetzung der Friedensthätigkeit die
Generalsta
bsgeschäfte im großen
Hauptquartier und bei den Armeekommandos obliegen, und in den Generalstab
bei
den
Truppen, dessen
Offiziere bei den
Armeekorps,
Divisionen, den
Generalinspektionen der
Artillerie und einzelnen
Gouvernements
(Summa 76,
Großer Generalstab
73
Offiziere) neben den Vorarbeiten für die
Mobilmachung in ihrem Bereich schon im
Frieden und namentlich
bei den
Manövern ähnliche Aufgaben zu erfüllen haben wie im
Felde.
Die wichtigste Stellung im G. ist die des Chefs, wie im großen Hauptquartier und beim Oberkommando einer Armee; so auch bei den einzelnen Korps, weil er, mitverantlich ^[richtig: mitverantwortlich] für die Leitung und Ausführung der militärischen Operationen, auch die übrigen Dienstzweige (Munitionsersatz, Verpflegungs-, Gesundheits-, Transport-, Etappendienst etc.) damit in Einklang zu erhalten hat und deshalb von allen Vorgängen im Hauptquartier unterrichtet sein muß.
Ihm zur Seite steht bei der obersten Heeresleitung und bei den einzelnen
Armeen im
Feld ein
Generalquartiermeister zur Besorgung
der die militärischen
Operationen betreffenden
Geschäfte. Die Zahl der Generalstab
soffiziere, im
Krieg
überall größer als im
Frieden, ist sowohl im ganzen als bei den einzelnen
Stäben in den
Heeren sehr verschieden.
Preußen
hat deren im
Frieden je einen bei jeder
Division und den damit dotierten
Gouvernements, einen
Chef (Oberst) und zwei
Offiziere
bei jedem
Generalkommando, nur einen
Chef des Generalstabs
bei der
Generalinspektion der
Artillerie. Die
übrigen
Offiziere sind vereinigt in dem
Großen Generalstab
und bilden hier einen Hauptetat (wirkliche Generalstabsoffiziere) und einen
Nebenetat für wissenschaftliche
Zwecke (teils wirkliche Generalstabs-
, teils mit der
Uniform ihres Truppenteils dorthin
¶
mehr
versetzte Offiziere). Der Große Generalstab
, unter direkter Leitung des Chefs des Generalstabs
der Armee, zerfällt in folgende Abteilungen:
drei Abteilungen, als 1., 2., 3. bezeichnet, sammeln die Nachrichten über fremde Heere;
die Eisenbahnabteilung sammelt die Nachrichten über Anlage und Material der Bahnen, vereinbart im Inland mit den Zivilbehörden die Fahrpläne etc. für Truppenbeförderungen und leitet die letztern im Gebrauchsfall durch besondere Linienkommissare;
weitere Abteilungen sind die kriegsgeschichtliche und die geographisch-statistische.
Unter einem besondern Chef stehen die
drei Abteilungen der Landesaufnahme, die trigonometrische, die topographische und die kartographische. Ein Zentralbüreau,
Bibliothek und Archiv vervollständigen die Organisation. Zur eignen Ausbildung sind 40 Leutnants aus der
Armee zur Dienstleistung zum Generalstab
kommandiert. Neben dem Unterpersonal an Büreaubeamten, Zeichnern etc.
werden eine Anzahl Trigonometer und Topographen, meist frühere Oberfeuerwerker der Artillerie, bei den trigonometrischen Messungen
und topographischen Aufnahmen verwendet. - In Frankreich heißt auch die gesamte Generalität der Armee; dort gibt es auch
einen besondern Generalstab
der Artillerie und des Genies, gebildet aus den Generalen und höhern Stäben dieser Waffen.
[* 6] In Rußland wird
der Generalstab
Hauptstab (glawnii schtab) genannt. - Generalstabsreisen, Übungsreisen zur Ausbildung von Offizieren in der Truppenführung
ohne Anwesenheit von Truppen; es werden dabei nach einer zu Grunde liegenden Idee für zwei einander gegenüberstehende
Korps die täglichen Operationen bestimmt, nach der jedesmaligen Disposition von einzelnen Offizieren die Marschstraßen, Biwakplätze,
Vorposten- und Gefechtsstellungen aufgesucht, dann im Quartier die Berichte über die Rekognoszierungen, die neu zu erlassenden
Befehle aufgesetzt und durch den Leiter der Übung die Arbeiten und die aus den beiderseitigen Anordnungen
für den nächsten Tag sich ergebende Lage besprochen.
Solche Reisen werden in Deutschland alljährlich durch den Chef des Generalstabs der Armee mit den Offizieren des Großen Generalstabs und in zwei Dritteilen der Korpsbezirke durch die Generalstabschefs der Armeekorps mit den dortigen Generalstabs- und andern dazu kommandierten Offizieren gemacht, meist unmittelbar nach Schluß der Herbstübungen und von 14tägiger Dauer, ebenso mit den Offizieren der Kriegsakademie nach Beendigung ihres dreijährigen Kursus. Erst in den letzten Jahren haben diese Reisen auch in andern Ländern, zuerst in Rußland, Nachahmung gefunden.
Vgl. Bronsart v. Schellendorff, Der Dienst des Generalstabs (2. Aufl. von Meckel, Berl. 1884);
v. Böhn, Generalstabsgeschäfte (2. Aufl., Potsd. 1875).