Gemeinscha
ftsehe
(Hetärismus), ein bei verschiedenen wilden Völkern noch heute bestehendes geschlechtliches
Verhältnis, das demjenigen entspricht, welches
Platon in seiner
Republik empfahl, und welches man jetzt auch wohl von
Amerika
[* 2] aus unter dem
Namen der »freien
Liebe« als zu erreichendes
Ideal hingestellt hat, daß nämlich
Frauen und
Männer einander gemeinscha
ftlich
angehören.
Bachofen,
Mc. Lennan,
Lubbock,
Morgan und andre
Forscher glauben beweisen zu können, daß dieses
Verhältnis ursprünglich überall bestanden und erst allmählich der Einzelehe Platz gemacht habe, wie sich denn Übergangszustände,
sogen. Familienehen, wo die
Geschwister ihre
Frauen gemeinscha
ftlich haben,
Vielweiberei und
Polyandrie (s. d.) mannigfach finden.
Da
die unter solchen Verhältnissen gebornen
Kinder nur ihre
Mutter, aber nicht ihren
Vater kennen, so müssen
sie
Namen und
Besitz notwendig nach der erstern erben, und es ergibt sich daraus das bei Naturvölkern weitverbreitete
Mutterrecht
(s. d.), weil dann die
Mutter das alleinige Oberhaupt der
Familie darstellt.
Die eigentümlichen daraus entspringenden Verwandtschaftsverhältnisse, bei denen alle Kinder als Geschwister, alle jüngern Männer als Väter, alle ältern als Großvater betrachtet und angeredet werden, hat namentlich Morgan untersucht. Auch die weitverbreiteten Sitten des Frauenraubes (s. d.) und der Exogamie (s. d.) hat man aus diesen ursprünglichen Zuständen herzuleiten gesucht.
Vgl. Mc. Lennan, Primitive marriage (Edinb. 1865);
Morgan, Systems of consanguinity (Washington [* 3] 1871);
Giraud-Teulon, Les origines du mariage et de la famille (2. Aufl., Par. 1884);
Lubbock, Die Entstehung der Zivilisation (deutsch, Jena [* 4] 1875);
Post, Die Geschlechtsgenossenschaft der Urzeit (Oldenb. 1875);