Gemeingefühl
(Conaesthesis), das
Vermögen, unsere subjektiven Empfindungszustände wahrzunehmen, bildet den
Gegensatz
zu den objektiven Sinneswahrnehmungen, welche durch äußere Einwirkungen in uns hervorgerufen werden, und welche wir deshalb
sofort auf die
Außenwelt beziehen. Im
Gegensatz zu den wahren Sinnesempfindungen, welche von der
Seele
objektiviert, d. h. auf eine dem empfindenden
Ich gegenüberstehende
Außenwelt bezogen, werden, stellen die Gemeingefühle
Empfindungen dar, welche unter allen Umständen nur auf das empfindende
Ich bezogen werden. Es sind also
Gesichts-,
Gehörs-,
Geschmacks-,
Geruchs-,
Druck- und Temperaturempfindungen wahre Sinnesempfindungen, während
Schmerz,
Kitzel,
Wollust,
Schauder,
Hunger,
Durst Gemeingefühle
sind.
Den letztern sind noch zwei
Arten von
Empfindungen beizugesellen, welche die Thätigkeit der willkürlichen
Muskeln
[* 2] begleiten:
das
Muskel- oder Anstrengungsgefühl und das Ermüdungsgefühl. Gemeingefü
hlsempfindungen können überall stattfinden,
wo überhaupt Empfindungsnerven vorhanden sind. Teile dagegen, welche keine Empfindungsnerven enthalten, z. B.
Haare
[* 3] und
Nägel,
[* 4] die
Oberhaut, haben sowohl im gesunden als im kranken Zustand kein Gemeingefühl
, wie sie überhaupt
kein
Gefühl besitzen. Über die Art und
Weise, wie die sensibeln
Nerven,
[* 5] welche uns das Gemeingefühl
vermitteln, sich in den damit ausgerüsteten
Organen und
Geweben verhalten, sind wir noch ganz ununterrichtet. Selbst über die Art, wie die sensibeln
Nerven in den mit dem feinsten Gemeingefühl
ausgerüsteten
Muskeln sich verhalten, ist noch gar nichts bekannt. Den einzelnen Gemeingefühlen
sind besondere
Artikel gewidmet.