Gelehrte
Gesellschaften, Vereine von wissenschaftlich gebildeten Männern zu irgend einem wissenschaftlichen Zweck; sind entweder permanent, oder bestehen nur für eine bestimmte Dauer. Die Vereinigung kann durch den Staat herbeigeführt sein oder auch auf Privatinteresse beruhen. Die vom Staat gestifteten Anstalten dieser Art heißen Akademien und haben meist die Erweiterung des wissenschaftlichen Gebiets im allgemeinen zur Aufgabe, wogegen Privatverbindungen sich ihre Grenzen [* 2] gemeiniglich enger zu stecken und sich nicht selten auf einzelne Zweige der Wissenschaft zu beschränken pflegen.
Temporär vereinigt wohl auch der Staat Gelehrte zu einer Gesellschaft, wenn es gilt, irgend ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wie es z. B. bei Gradmessungen, Expeditionen u. dgl. der Fall ist. Der Umfang und die innere Einrichtung solcher Gesellschaften sind verschieden. Während ein Teil derselben auf ein bestimmtes Land, ja selbst auf eine bestimmte Stadt beschränkt ist, sind bei andern Vereinen die oft sehr zahlreichen Mitglieder über die verschiedensten Länder und Orte zerstreut und nur durch ein geistiges Band [* 3] unter sich verknüpft.
Darin indessen stimmen wohl alle gelehrten
Gesellschaften überein, daß sie die
Resultate ihrer Forschungen
durch
Schriften oder durch Vorlesungen in periodisch wiederkehrenden Versammlungen zur allgemeinen Kenntnis bringen und je
nach der
Tendenz des
Vereins (wie z. B. bei denen, welche die Erforschung der
Altertümer anstreben) ihre wissenschaftlichen
Objekte in besondern Sammlungen niederlegen. Bei dem Nutzen, welchen derartige Vereinigungen haben, sind diese für
die Weiterentwickelung der
Wissenschaft heutzutage fast zur unabweisbaren
Notwendigkeit geworden.
Nur durch sie wird es möglich, den Umfang der Wissenschaft zu übersehen, ihre Fortschritte wie ihre Mängel und Lücken kennen zu lernen, die Mittel zur Erweiterung derselben aufzufinden und herbeizuschaffen, Irrtümer zu widerlegen und namentlich solche Zweige der Wissenschaft zu bearbeiten, welche besondern Scharfsinn und Fleiß in Anspruch nehmen, außerdem aber den einzelnen Forscher mit Mitteln zu unterstützen, welche für ihn sonst vielleicht unerreichbar sind.
Diese Unterstützung gewähren die Gesellschaften teils durch Geldspenden, teils indem sie dem Forschenden die ihnen zu Gebote stehenden praktischen Hilfsmittel, wie Bibliotheken, botanische Gärten, Sammlungen aller Art, Sternwarten, [* 4] Laboratorien, Instrumente und Apparate, zur Verfügung stellen, welche herbeizuschaffen die Kräfte des Einzelnen bei weitem übersteigen würde. Auch gebieten sie nicht selten noch über Mittel, um durch Preisaufgaben die möglichst mannigfaltige Weise der Behandlung des Gegenstandes zu veranlassen.
Durch solche gelehrte Gesellschaften
haben insbesondere die mathematischen
Wissenschaften, die
Physik und
Optik, die
Astronomie,
[* 5] Chemie, die allgemeine und die Spezialgeschichte, die
Naturgeschichte, die
Erd-,
Völker- und Sprachenkunde, die
Altertumskunde
etc. wesentliche
Förderung erfahren; auch sind durch sie Werke veröffentlicht worden, welche außerdem schwerlich im
Druck
hätten erscheinen können, da den Verfassern die
Mittel zur Herausgabe nicht zu
Gebote standen.
Weniger waren bisher gelehrte Gesellschaften
für solche
Zweige litterarischer Thätigkeit förderlich, welche einen eigentümlich organisierten
Geist oder seltenes
Talent und Schöpferkraft verlangen, wie die
Philosophie im eigentlichen
Sinn und die
Poesie, obgleich sich
gerade für die letztere die ersten
Akademien, namentlich in
Italien,
[* 6] gebildet haben.
Fast alle diese wissenschaftlichen
Vereine pflegen in periodisch erscheinenden Werken,
Acta, Commentationes,
Mémoires, Abhandlungen,
Denkschriften,
Transactions,
Annalen,
Jahres- und Monatsberichte,
Bulletins, Atti,
Journale etc. betitelt, die
Resultate ihrer
Arbeiten, kleinere
Aufsätze,
Notizen,
Berichte über gehaltene Vorlesungen etc. zu veröffentlichen. - Den Vorzug, mit solcher
korporativer wissenschaftlicher Thätigkeit vorangegangen zu sein, hat
Italien, wie es auch zu Anfang
des 13. Jahrh. die ersten
Hochschulen errichtet hat.
Von
Italien aus und zwar hauptsächlich nach dem Vorbild der 1582 gegründeten Accademia della
Crusca zu
Florenz
[* 7] verbreitete
sich das
Institut der allgemein-wissenschaftlichen
Akademien über alle
Staaten der gebildeten
Welt (s.
Akademie), und neben ihnen
entstand allmählich die fast unübersehbare
Menge gelehrter
Vereine für einzelne
Wissenschaften oder besondere
Zwecke, wie die
Historischen Vereine,
Geographischen und
Ethnographischen
Gesellschaften, Altertumsvereine,
Naturforschenden
Vereine,
Medizinischen
Gesellschaften,
Landwirtschaftlichen Vereine etc., auf welche Spezialartikel wir verweisen.
Vgl. Haymann, Kurzgefaßte Geschichte der vornehmsten Gesellschaften der Gelehrten (Leipz. 1743);
(Wilmerding) Verzeichnis der
Universitäten,
Akademien,
gelehrten
Gesellschaften (das. 1795) und die bei
»Akademie« (S. 251) angeführte Litteratur.