Gelbsucht
der Schafe (bösartige oder akute Gelbsucht, Lupinenkrankheit, Lupinose, typhöse oder gelbe Leberentzündung der Schafe), eine nach der Fütterung eigentümlich verdorbener Substanzen, namentlich verdorbener Lupinen (Stroh, Körner, Schoten), im Herbst u. Winter entstehende fieberhafte akute Krankheit, welche vorzugsweise bei Schafen vorkommt, aber auch Pferde und andre Pflanzenfresser befallen kann. Bei der Entwickelung der Krankheit läßt sich ein Unterschied in der Anlage zwischen den verschiedenen Rassen oder in dem Alter und Geschlecht der Schafe nicht mit Sicherheit nachweisen. In einzelnen Fällen sollen indes Lämmer und Mutterschafe schwerer erkrankt sein als Hämmel.
Ist das Lupinenfutter schädlich, so wird es von den Schafen nicht gern aufgenommen. Nur anfangs verzehren die Tiere größere Quantitäten, in den folgenden Tagen empfinden sie wegen des dem Futter anhaftenden unangenehmen Geschmacks einen Widerwillen gegen dasselbe. Manche Schafe gehen nur nach längerm Hungern an das Lupinenfutter. Wenn sie große Quantitäten verzehrt haben, so zeigen sich schon 2-3 Tage nachher die ersten Krankheitserscheinungen. Bei der fortgesetzten Aufnahme kleiner Mengen entwickelt sich die Gelbsucht erst nach 5-8 Tagen und zuweilen selbst noch später.
Die Krankheit bekundet sich durch Fieber; die Bluttemperatur erreicht nicht selten eine Höhe von 40-40,5,° und man zählt bis zu 130 Pulsen und darüber in einer Minute. Das Atmen ist anfangs normal, später etwas beschleunigt, Futteraufnahme gering oder selbst ganz verweigert; die im leichten Grad erkrankten Tiere verzehren noch schmackhaftes Stroh oder Heu und Hafer in geringen Mengen. Wasser wird im Anfang der Krankheit getrunken, in den spätern Stadien und bez. bei einem tödlichen Grade der Erkrankung nicht mehr. Dabei besteht eine starke Depression des Bewußtseins, zuweilen förmliche Betäubung. Die Tiere lassen den Kopf hängen, stemmen sich mit demselben auch wohl gegen die Stallwand oder die Krippe; sie liegen
mehr
anhaltend und strecken dann den Kopf auf dem Boden nach vorn. Wiederkäuen wird nicht mehr beobachtet. Die Schafe bewegen den Unterkiefer häufig, aber langsam und erzeugen mit den Backenzähnen ein knirschendes Geräusch. Die Schleimhäute der Maul- und Nasenhöhlen, besonders aber die Bindehaut und die undurchsichtige Hornhaut der Augen, oft auch die äußere Haut, sind gelb gefärbt. Aus der Nase entleert sich nicht selten ein wässerig-schleimiges Sekret. Ebenso wird von der entzündeten Bindehaut der Augen eine zähe, die Augenwinkel verklebende Schleimmasse abgesondert. Am ersten Krankheitstag ist die Entleerung der Darmexkremente gewöhnlich verzögert.
An den folgenden Tagen haben die Dejektionen des Darms zuweilen eine teerartige Konsistenz, eine durch blutige Beimischungen bedingte dunkelbraune Farbe und penetranten Geruch. In einzelnen Fällen stellt sich schon am zweiten Tag der offenbaren Erkrankung Diarrhöe ein. Bei langsamem Krankheitsverlauf wird dieselbe erst am 3.-5. Tag beobachtet. Wenn die Krankheit nur in einem niedrigen Grad besteht, so verläuft sie ohne Durchfall, oder der Durchfall hört wieder auf, und die Tiere genesen allmählich, sobald ihnen gutes und schmackhaftes Futter gegeben wird. Bei hochgradiger Erkrankung nimmt die Körperschwäche gradatim zu; die Schafe liegen anhaltend und können, selbst wenn sie emporgehoben werden, sich vor Mattigkeit kaum auf die Beine stellen. Futter und Getränk werden gar nicht mehr angenommen, und die Krankheit endet nach einer Dauer von 3-10 Tagen mit dem Tod.
Bei der Obduktion der Kadaver finden sich geringe Mengen von gelblich-klarer Flüssigkeit in der Bauchhöhle und im Herzbeutel, starke Gelbfärbung im Unterhautgewebe und der Bauchhaut, namentlich am Netz und Gekröse. Die Leber ist geschwollen, blutleer, mürbe und durchweg hellgelb, zitronenfarben, nicht selten auch rotgelb, die Gallenblase mit gelber Gallenflüssigkeit angefüllt. An den drei ersten Magenabteilungen finden sich keine Veränderungen; oft enthält der erste Magen viel Futter, weil während der Krankheit eine Wiederkäuung nicht stattgefunden hat. Im Darmkanal wird außer der Gelbfärbung gewöhnlich keine Veränderung angetroffen.
Nur wenn die Krankheit langsam verläuft, zeigt die Schleimhaut des vierten Magens und des Dünndarms eine entzündliche Röte. Das in den großen Venen des Körpers und im Herzen befindliche Blut ist dunkel und flüssig. An der Luft gerinnt es binnen kurzer Zeit, und die oberflächlichen Schichten bekommen durch die Einwirkung des Sauerstoffs eine hellrote Färbung. Milz nicht verändert; Nieren von normaler Größe und Konsistenz; die Kapsel und die Umkleidungsmembran, ebenso das Nierenbecken gelblich gefärbt.
Die Harnblase wird gewöhnlich leer gefunden; zuweilen enthält dieselbe eine geringe Menge von gelblich-klarem Urin, in welchem Gallenfarbstoff nachgewiesen werden kann. Das Brustfell gelblich gefärbt; die Lungen von gelblich-klarem Blutwasser infiltriert. Am Herzbeutel und am Endocardium zahlreiche minimale blutige Herde. Die Schleimheit der Luftröhre, des Kehlkopfes und der Nase gerötet; die Schleimhaut des Schlundkopfes cyanotisch. Das Gehirn erscheint in allen Teilen auf der Schnittfläche feucht-glänzend und normal gefärbt; in den Hirnkammern eine geringe Menge gelblich-klarer Flüssigkeit; die Adergeflechte und zum Teil auch die größern Venen des Gehirns reichlich mit Blut gefüllt. Nach diesen Eigenschaften ist die Gelbsucht als eine Vergiftung der Tiere zu betrachten. Das Gift bildet sich in den Lupinen unmittelbar nach dem Abmähen, wenn die Pflanze bei schlechter Witterung nicht schnell genug abtrocknet. Ist das Lupinenheu einmal trocken geworden, so kann es im Feld bis zum Winter stehen bleiben und sich auch ziemlich stark mit Schimmelpilzen überziehen, ohne deshalb den Tieren gefährlich zu werden.
Die Heilung der kranken Schafe ist davon abhängig, daß beim offenkundigen Hervortreten der Symptome statt der verdorbenen Lupinen ohne Verzug gesundes Futter gereicht wird. Geschieht dies nicht, so gehen die Tiere zu Grunde. Die vollständige Genesung vollzieht sich nach mehreren Tagen. Einzelne Schafe machen eine verschleppte Rekonvaleszenz durch und erholen sich erst nach 2-3 Wochen. Zur Behandlung der kranken Tiere ist neben leichtverdaulichem, schmackhaftem Futter und guter Ventilation des Stalles das Eingeben von abführenden und bittern (tonisierenden) Arzneimitteln zu empfehlen.
Vgl. Kühn und Liebscher, Untersuchungen über die Lupinenkrankheit der Schafe (Dresd. 1884).