Gelbes
Fieber (Amarillfieber, Febris flava, Typhus icterodes), endemische Krankheit heißer Länder, besonders der tiefer gelegenen Gegenden und der Meeresküsten namentlich der westlichen Hemisphäre, also Westindiens und des amerikanischen Festlandes. Die ersten Nachrichten über das Vorkommen des gelben Fiebers datieren aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In Westindien, [* 2] an einigen südlichen Küstenstrichen der Vereinigten Staaten [* 3] von New Orleans bis Charleston und in den Ländern um den Mexikanischen Meerbusen geht es nie aus und verbreitet sich oft als Epidemie; in den nördlichern Teilen Nordamerikas tritt es nur selten auf, wird aber hier von Zeit zu Zeit ebenfalls epidemisch (z. B. in Boston, [* 4] Philadelphia, [* 5] New York). Ob es dorthin eingeschleppt wird oder nicht, ist noch streitig.
Auch südlich vom
Äquator kommt es selten vor.
Brasilien
[* 6] war 40 Jahre lang vom gelben
Fieber befreit geblieben, bis es 1849-52
wieder von heftigen
Epidemien heimgesucht wurde. Im allgemeinen sind aber auf der ganzen westlichen
Hemisphäre die Ostküsten
weit mehr der Sitz des gelben
Fiebers als die
Ufer des
Stillen
Meers. Die
Krankheit kommt aber auch an einzelnen
Stellen der afrikanischen Westküste vor, besonders in
Sierra Leone, und zwar endemisch-epidemisch, so daß diese
Länder sogar
von einzelnen als der Ursitz der
Krankheit betrachtet wurden. Auch Weiterverbreitungen von da aus wurden beobachtet. In
Europa
[* 7] herrschte das gelbe Fieber
niemals endemisch, dagegen sind in einigen Küstenstädten
(Cadiz,
[* 8]
Barcelona,
[* 9] Gibraltar)
[* 10] zu Anfang des 19. Jahrh. größere
Epidemien vom gelben
Fieber vorgekommen, seit 1828 nur noch kleinere
Epidemien,
so 1839 in
Brest, 1851 in
Oporto
[* 11] etc. Einzelne sporadische
¶
mehr
Fälle kommen nicht selten auf ankommenden Schiffen in europäischen Seehäfen vor, wie dies namentlich 1852 mehrfach beobachtet
worden ist. Die Entstehung der Krankheit scheint durch eine anhaltende Hitze von 26-27° und darüber erheblich begünstigt
zu werden. Das gelbe Fieber
herrscht deshalb in Westindien vom Mai bis zum Oktober, auf dem amerikanischen
Festland vom August bis Oktober und November. Schwüle und Windstille, namentlich wenn längere Zeit die Gewitter ausbleiben, scheinen
durch die Stagnation der erhitzten Atmosphäre begünstigend einzuwirken.
Ist die Krankheit einmal epidemisch geworden, so pflegt sie erst mit Eintritt kühler Witterung zu erlöschen. Auch Feuchtigkeit scheint die Entstehung des gelben Fiebers zu begünstigen. Ohne Zweifel wirken ungünstige Bodenausdünstungen oder Miasmen zur Erzeugung der Krankheit wesentlich mit. In den Städten, welche eigentliche Herde der Krankheit sind, beginnt sie meist in den schmutzigen und engsten Quartieren oder an den Kais. Auf dem Land scheint sie fast nie zu entstehen, obgleich sie dahin verschleppt werden kann, ebenso wie sie sich auch nur selten in höhern Regionen verbreitet.
Selbst auf niedern Höhenzügen in der Nähe der Meeresküste ist man schon ziemlich sicher vor dem gelben Fieber; absolute
Immunität gewähren freilich nur sehr starke, etwa 1500 m hohe Bodenerhebungen. Ist das gelbe Fieber
einmal ausgebrochen,
so scheint es sich nach Art einer ansteckenden Krankheit, also auf kontagiösem Weg, verbreiten zu können. Man hat wenigstens
häufig beobachtet, daß namentlich im Anfang einer Epidemie ein paar Wohnungen, eine Häuserreihe oder einzelne Straßen allein
Erkrankungen zeigten, und daß diejenigen, welche solchen Ausbruchsherden fern blieben, vor der Krankheit sicher
waren, daß aber ein vorübergehender Besuch dieser Orte dieselbe hervorzurufen im stande war.
Namentlich durch Schiffe
[* 13] soll das gelbe Fieber
weiter verschleppt werden, indem, wenn sie nicht exemplarisch rein gehalten
werden, das faulende Wasser in den untern Kielräumen, zumal unter dem Einfluß einer tropischen Hitze, ein sehr geeignetes
Medium für die Entwickelung des der Krankheit zu Grunde liegenden spezifischen Giftstoffs abgeben soll.
Aber auch durch Menschen, welche vor der Krankheit fliehen, wird dieselbe nur zu häufig weiter verbreitet und dann auf die
Umgebung, selbst in ganz fieber
freien Gegenden, übertragen.
Die Bösartigkeit des gelben Fiebers ist im Beginn einer Epidemie am heftigsten. Zuweilen aber zeigen die
Epidemien einen mildern Charakter, und während ihrer Herrschaft treten wohl alle andern, namentlich entzündliche, Krankheiten
zurück; ein andermal kommen Typhen und Cholera gleichzeitig mit dem gelben Fieber vor. Auch Tiere sollen von der Krankheit während
ihrer epidemischen Verbreitung befallen werden. Während der Herrschaft einer Gelbfieber
epidemie leiden
überhaupt alle Menschen mehr oder weniger unter dem Einfluß der Krankheit, namentlich an Verdauungsstörungen, schlechtem
Schlaf, gelber Färbung der Haut
[* 14] etc., wenn sie auch im übrigen gesund bleiben. Am empfänglichsten sollen die Fremden, besonders
die neu angekommenen Europäer, für das gelbe Fieber
sein, und um so mehr, aus einem je kühlern Land
sie kommen, eine je kürzere Zeit sie zur Überfahrt gebraucht oder sich in der Region des gelben Fiebers befunden haben.
Ist ein Fremder schon ein oder zwei Jahre im Land, ohne von der Krankheit befallen zu sein, so zeigt dieselbe, wenn sie ihn noch befällt, einen mildern Charakter, wie bei den Eingebornen überhaupt und bei denen, welche sich durch eine Reihe von Jahren akklimatisiert haben. Auch die verschiedenen Rassen zeigen eine verschiedene Disposition zur Erkrankung. Je dunkler die Haut, desto geringer soll die Empfänglichkeit sein. Die Neger sind vollkommen frei davon. Je kräftiger und blühender aber die Körperbeschaffenheit, desto größer die Empfänglichkeit.
Die Frauen sind dem gelben Fieber im allgemeinen weniger unterworfen als die Männer. Mißbrauch geistiger Getränke steigert die Disposition. Am allermeisten sind diejenigen geschützt gegen die Krankheit, welche sie schon durchgemacht haben. Als Gelegenheitsursachen gelten deprimierende Gemütsaffekte, Diätfehler, Erkältung und Durchfall. Die Krankheit ist in der Regel eine sehr rasch verlaufende, indem sie meist nur 3-10 Tage währt. Gewöhnlich beginnt sie ziemlich plötzlich, ohne besondere Vorboten, welche allenfalls in Mattigkeit, Appetitlosigkeit, schwerem Kopf, Schwindel und Schnupfen bestehen.
Den Anfang der Krankheit bezeichnet ein leichter Frostanfall, dem bald lebhafte Hitze folgt mit Trockenheit der Haut, heftigem Kopfschmerz, schnellem, vollem, gespanntem Puls; das Gesicht [* 15] rötet sich, die Augen schwimmen in Thränen, es entstehen lebhafte Schmerzen in den Weichen und den Gliedern, welche den Schlaf rauben. Der Appetit ist jetzt ganz verschwunden, der Durst dagegen groß. Zugleich leidet der Kranke an Magendrücken, Erbrechen, Stuhlverstopfung, skorbutähnlicher Entzündung des Zahnfleisches, Nasenbluten und sehr niedergedrückter Gemütsstimmung; der Urin ist sparsam, dunkelrot.
Diese das erste Stadium der Krankheit charakterisierenden Erscheinungen währen gewöhnlich 2-4 Tage, und es beginnt dann das zweite Stadium, in welchem die Kranken eine subjektive Besserung fühlen. Das Fieber hört auf, die Schmerzen verschwinden aus Kopf, Magen, [* 16] Gliedern etc., die Haut wird kühl, die Augen verlieren den Glanz, die Stühle werden stark gallig gefärbt, ein Schweiß tritt ein, zuweilen leichte gelbliche Färbung der Haut, worauf völlige Genesung eintreten kann, jedoch selten eintritt.
In der Regel kehrt der Magenschmerz heftiger zurück, der Körper nimmt eine intensiv gelbe Färbung an, der Urin
wird gallig, der Puls sinkt unter die Norm, die Kranken werden matt und stupid, sie erbrechen dann alles Genossene, das Erbrochene
ist blutig, die Zunge ist trocken, braun, der Durst groß, die Harnabsonderung fehlt fast ganz. Die Kranken klagen über Angst,
Beklemmung, die Gesichtszüge sind verfallen. Manchmal sind Delirien vorhanden. So steigern sich
die Symptome fort und fort, bis der Tod unter Konvulsionen eintritt. Letztere Erscheinungen können als drittes Stadium bezeichnet
werden. Genesung erfolgt in der Regel nur in den zwei ersten Stadien; ist einmal Blutbrechen vorhanden, so ist meist keine Besserung
zu erwarten, sie ist wenigstens sehr selten, und die Kranken erholen sich nur sehr langsam. Das gelbe Fieber
ist eine der tödlichsten Krankheiten. Durchschnittlich nimmt man an, daß ein Drittel der Erkrankungen tödlich endet.
Über die Ursachen des gelben Fiebers ist nichts bekannt, nur läßt sich aus dem Mitgeteilten vermuten, daß auch hier ein vermehrungsfähiger Ansteckungsstoff vorliegt, und es ist daher möglichst alles Faulende, alle Ansammlungen von Unrat, stagnierendes Wasser etc. zu entfernen oder zu zerstören, die Schiffe recht rein zu halten; bricht die Epidemie in einer Stadt aus, so ist ein massenhaftes Verlassen derselben geboten, wie dies auch in New Orleans systematisch durchgeführt wird. Die Wiederkehr ¶
mehr
findet dann erst bei Beginn des Frostes statt. Am meisten gilt dies für Fremde, denen auch möglichst strenge Diät, namentlich in Bezug auf geistige Getränke, anzuempfehlen ist, neben Freihaltung des Stuhlganges und möglichster Lüftung der Wohnung. Was die Sorge gegen die Einschleppung der Krankheit durch Schiffe in die Seehäfen betrifft, so sollten die Quarantänemaßregeln nur für die Zeit gehandhabt werden, wo überhaupt das gelbe Fieber herrschend ist; außerdem sind sie zwecklos. Im Winter z. B. sind sie ganz unnötig, ebenso in nördlichen Gegenden, wo eine Gelbefieberepidemie niemals beobachtet wurde, weil sie da keinen Boden findet.
Kommt aber ein Schiff [* 18] aus einem Hafen, wo das gelbe Fieber herrscht, ist seine Überfahrt eine kurze, sind mehrere Gelbefieberfälle auf dem Schiffe vorgekommen, und ist der Ort, wo das Schiff anlegt, von der Art, daß die Krankheit daselbst einen günstigen Boden zu ihrer Ausbreitung findet, so ist eine strenge Quarantäne angemessen. Unnötig mag dieselbe aber erscheinen, wenn bei etwas länger dauernder Überfahrt kein Krankheitsfall unter dem Schiffspersonal vorgekommen ist.
Gegen die oben berührten begünstigenden Ursachen, welche auf Schiffen sich finden, sind hafenpolizeiliche Verordnungen nötig, welche für Reinlichkeit und gute Ventilation der Schiffe Sorge tragen. Als Behandlung der Krankheit selbst dient strenge Diät, kühles Verhalten, kalte Umschläge auf den Kopf, kalte Waschungen, innerlich säuerliche Getränke, Limonaden, kohlensäurehaltige Wässer, leichte Abführmittel und Klystiere. Das heftige Erbrechen stillt man mit Eisstückchen, Brausepulver, Selterwasser, Opiaten, Kreosot, Senfteigen auf den Magen. Außerdem werden im Lähmungsstadium erregende Mittel gegeben; gegen die Magenblutung Alaun, [* 19] Chloreisen, Mineralsäuren, Mutterkorn; in der Rekonvaleszenz kräftige, leichtverdauliche Nahrung, Chinin und kräftiger Wein.
Vgl. Hänisch, Das gelbe Fieber (in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie«, 2. Aufl., Leipz. 1876);
Wagner, Das gelbe Fieber (Stuttg. 1879).