Geiserich
(auch Genserich), König der Vandalen, unechter Sohn des Königs Godegisel aus dem Haus der Asdingen, der 406 fiel, ward, obgleich nur von mittlerer Statur und hinkend, wegen seiner kriegerischen Tüchtigkeit 427 vom Heer als Nachfolger seines Bruders Guntherich auf den Thron [* 2] erhoben. Der Einladung des afrikanischen Statthalters Bonifacius, der sich gegen seinen am römischen Hof [* 3] ¶
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mächtigen Feind Aetius dadurch zu verstärken suchte, Folge leistend, führte Geiserich
(429) 50,000 Mann nach Afrika
[* 5] über, wo er
sogleich Mauretanien in Besitz nahm und die Gründung einer eignen Herrschaft begann. Vergeblich suchte jetzt Bonifacius seiner
Festsetzung und seinem weitern Umsichgreifen Einhalt zu thun; nach wiederholten Niederlagen, und nachdem er
die Stadt Hippo Regius 14 Monate verteidigt hatte, mußte er Afrika Geiserich
überlassen, der das Land auf das furchtbarste verwüstete
und gegen die römischen Einwohner grausam wütete.
Der römische Hof schloß 435 mit Geiserich
einen Vertrag, durch welchen dieser Westnumidien und Mauretanien erhielt; nur Karthago
[* 6] blieb
den Römern, bis Geiserich
18. Okt. 439 auch diese Stadt mitten im Frieden wegnahm und zum Mittelpunkt seiner Herrschaft
machte. Binnen kurzer Zeit schuf er sich nun eine furchtbare Seemacht, mit der er Raub- und Plünderungszüge nach allen Seiten
unternahm, und erschien, von der Kaiserin Eudoxia, welche Maximus, den Mörder ihres Gemahls Valentinian III.,
zu heiraten gezwungen worden war, nach Italien
[* 7] gerufen, 12. Juni 455 vor Rom.
[* 8]
Papst Leo I., der dem Sieger bittend entgegenging, erhielt zwar das Versprechen der Schonung für die Kirchen und das Leben der
Einwohner, konnte aber die Stadt nicht vor 14tägiger Plünderung schützen, welche Geiserich
eine ungeheure Beute einbrachte.
Eudoxia selbst ward mit ihren Töchtern gefangen nach Afrika geführt und in einem Kerker zu Karthago bis 462 gefangen gehalten;
ihre Tochter Eudocia vermählte Geiserich
mit seinem Sohn Hunerich. In den folgenden Jahren unterwarf er seiner Herrschaft auch die
Inseln des Mittelmeers,
[* 9] Sizilien,
[* 10] Sardinien,
[* 11] Corsica
[* 12] und die Balearen, von denen er nur Sizilien gegen einen
Tribut 476 Odoaker wieder abtrat.
Selbst die Küsten Thrakiens, Ägyptens und Kleinasiens verheerte er, schlug die Armee des Kaisers Leo und verbrannte 468 seine
Flotte, worauf Leos Nachfolger Zeno 475 mit Geiserich
Frieden schloß. Geiserich
starb im Januar 477, beladen mit dem Fluch seiner Zeitgenossen.
Er war zwar klug und energisch, ein großer Kriegsheld und ein bedeutender Politiker; aber er erhob sich nicht über das wilde
und barbarische, jeder feinern Kultur abholde Wesen seiner Volksgenossen, den »Vandalismus«. Nicht selten ein grausamer Wüterich,
wenn auch gewiß nicht aus Grundsatz, so doch aus Leidenschaft, ließ er die vor ihm reichen und blühenden
Distrikte Nordafrikas verfallen; in der rohen Wildheit seines Volkes sah er das beste Mittel gegen die verkommene Zivilisation
der römischen Welt, die er verachtete. Mad. Deshoulières wählte ihn zum Helden einer Tragödie.