(Tumores cerebri), Kollektivbezeichnung sowohl für die von der Gehirnsubstanz selbst auftretenden
als für die von den Hirnhäuten ausgehenden
Geschwülste, sofernsie den für das
Gehirn
[* 2] bestimmten
Raum
der Schädelhöhle beeinträchtigen. Auch die
Blasenwürmer des
Gehirns
(Echinococcus und
Cysticercus) sowie die blutführenden
Säcke an den Gehirnarterien (s.
Aneurysma) pflegt
man in Rücksicht auf ihre klinischen
Erscheinungen zu den Gehirngeschwülsten
zu rechnen.
Die von der harten Hirnhaut ausgehenden
Geschwülste gehören der
Mehrzahl nach in die
Kategorie der
Sarkome.
Sie sitzen wie eine
Halbkugel an der Innenfläche der harten Hirnhaut und bilden sich durch
Druck eine tiefe
Grube an der Oberfläche
des
Gehirns. Die in der Gehirnmasse selbst sich entwickelnden
Geschwülste beruhen meist auf einer Wucherung der bindegewebigen
Bestandteile des
Gehirns, bieten aber in Bezug auf
Farbe,
Konsistenz und feinern
Bau die größten Verschiedenheiten
dar
(Sarkome,
Gliome, Myxome etc.). Sie sind gewöhnlich als örtliches Übel zu betrachten, kommen vereinzelt
vor, wachsen langsam und durchwuchern bei ihrem Wachstum die Gehirnsubstanz, stören die
Zirkulation des
Bluts und rufen die
als
Gehirndruck (s. d.) bekannten
Erscheinungen hervor.
Gehirntuberkeln findet man fast nur bei
Kindern, welche gleichzeitig an
Tuberkulose derLungen und
Lymphdrüsen
leiden. Auch krebsartige
Geschwülste, wasserhaltige
Balggeschwülste oder
Cysten,
Perlgeschwülste, syphilitische
Gummigeschwülste
etc. entwickeln sich gelegentlich im
Gehirn und rufen je nach ihrem Sitz, ihrer
Größe und der
Schnelligkeit ihres Wachstums
sehr wechselnde
Symptome hervor. Die Behandlung ist nur in äußerst seltenen
Fällen, bei denen das Schädeldach
durchwachsen ist, durch
Entfernung der Geschwulst möglich; alle bösartigen Gehirngeschwülste sind sonst als hoffnungslos zu beurteilen.
(Tumores cerebri) nehmen teils von den Hirnhäuten, teils von der Hirnsubstanz selbst ihren Ausgang
und bieten hinsichtlich ihrer Ursachen, ihrer anatom. Eigentümlichkeiten, ihres Sitzes, der von
ihnen abhängigen Symptome und ihres klinischen Verlaufs die allergrößten Verschiedenheiten dar. Am häufigsten finden sich
in der Schädelhöhle folgende Geschwulstformen vor:
1) Isolierte größere Tuberkel, runde graue oder gelbe käsige Neubildungen von der Größe einer Erbse bis zum Umfange eines
Hühnereies, die vereinzelt oder in größerer Anzahl in der grauen Hirnsubstanz, in der Hirnrinde oder
im Seh- und Streifenhügel des Großhirns oder im Kleinhirn sitzen und sich fast ausschließlich bei Kindern, vom dritten Lebensjahre
bis in die Pubertätsjahre einwickeln. Sie kommen gewöhnlich gleichzeitig mit Tuberkeln in den Lungen und den Lymphdrüsen vor
und führen fast immer zum Tode.
3) Krebsgeschwülste sind namentlich im höhern Mannes- und Greisenalter nicht selten; sie gehen entweder von den äußern
Weichteilen, namentlich der Augenhöhle oder von den Schädelknochen, den Hirnhäuten oder der eigentlichen Hirnsubstanz aus
und führen nach ein bis zwei Jahren sicher den tödlichen Ausgang herbei.
4) Sarkome, schleimigweiche oder markartige runde, aus dicht aneinandergefügten Zellen bestehende
Geschwülste von Farbe und Konsistenz des Fleisches, die nicht selten infolge eines Falls auf den Kopf oder eines Schlags an
demselben entstehen, langsam, aber stetig wachsen und wie die Krebsgeschwülste unaufhaltsam zum Tode führen.
5) Syphilome, erbsen- bis faustgroße, rundliche, gelbgraue oder graurötliche Geschwülste, die ein Symptom
der tertiären Syphilis (s. d.) sind und durch eine rechtzeitige und energische antisyphilitische
Kur geheilt werden können.
6) Knorpel- und Knochengeschwülste, die von den Schädelknochen oder der harten Hirnhaut ihren Auegang nehmen und als umfängliche
knorrige Knochenhautgeschwülste in das Innere der Schädelhöhle hineinwachsen.
7) Blasenwürmer (Echinokokken und Finnen), die vereinzelt oder zu Hunderten als erbsen- bis walnußgroße
rundliche durchscheinende Blasen die Hirnsubstanz durchsetzen und mehr oder minder schwere Symptome hervorrufen.
8) Aneurysmen der Hirnarterien, erbsen- bis hühnereigroße sackartige Erweiterungen der Arterien, die gewöhnlich Kompression
und Schwund der Hirnsubstanz und meist tödliche Hirnblutungen zur Folge haben.
Die Symptome der Gehirngeschwülste sind im allgemeinen sehr wechselnd und mannigfach; keins derselben ist für sich
allein für Gehirngeschwülste charakteristisch, sondern wird auch bei andern Hirnleiden angetroffen, und häufig
genug ist der Arzt nicht im stande, aus den vorhandenen Symptomen die Diagnose von Gehirngeschwülste mit Sicherheit zu begründen. Zu den
häufigsten Krankheitserscheinungen gehören
außerordentlich heftiger und anhaltender Kopfschmerz, Schwindelanfälle
und Erbrechen, Neuralgien und Muskelzuckungen, selbst epileptische Krämpfe, Lähmungen einzelner Muskeln,
[* 5] Unempfindlichkeit einzelner
Hautstellen u. dgl. Da ein großer Teil der Gehirngeschwülste an der Hirnbasis sitzt und so auf die Ursprungsstellen der Gehirnnerven drückt,
so sind namentlich Neuralgien und Gesichtsschmerz, Lähmungen einzelner Antlitz- und Augenmuskeln, Flimmern
und Funkensehen, Abschwächung, selbst gänzlicher Verlust des Seh- und Gehörvermögens besonders häufige Vorkommnisse bei
Gehirngeschwülste. Gegen die weitaus meisten der hierher gehörenden Geschwülste ist die ärztliche Kunst völlig machtlos; nur bei syphilitischen
Gehirngeschwülste kann eine sofortige energische Schmierkur von großem Nutzen sein.
Man halte von dem Kranken alles fern, was Blutandrang nach dem Kopfe verursachen kann, verbiete namentlich
aufregende (alkoholische) Getränke, empfehle körperliche und geistige Ruhe, verordne eine leichtverdauliche milde Diät
und sorge für regelmäßige Stuhlentleerung. Gegen die quälenden Kopfschmerzen sind kalte Umschläge, örtliche Blutentziehungen
und salinische Abführmittel nützlich. In neuerer Zeit hat man in seltenen Fällen mit Erfolg durch
Operation entfernt. -