Gehirnerwe
ichung
(Encephalomalacia), alle diejenigen pathol. Vorgänge im
Gehirn,
[* 2] bei welchen infolge unterbrochener
Blutzufuhr ein größerer oder kleinerer Hirnabschnitt brandig abstirbt und zu einer breiigen, hellgrauen
oder rötlichen
Masse erweicht. Von den Laien wird gewöhnlich die allgemeine fortschreitende
Paralyse der Irren (s. Progressive
Paralyse der Irren) mit dem
Namen der Gehirnerwe
ichung belegt, obschon die fragliche
Krankheit nicht auf einer
Erweichung, sondern auf einer
chronischen
Entzündung und Schrumpfung der Hirnsubstanz beruht.
Man unterscheidet drei verschiedene Formen der Gehirnerwe
ichung: die sog.
weiße oder graue, die gelbe und die rote
Erweichung. Bei der sog. weißen oder grauen Gehirnerwe
ichung findet man
Haselnuß- bis hühnereigroße
Stellen in der Marksubstanz des
Gehirns zu einem dünnflüssigen, molken- oder kalkmilchähnlichen Brei umgewandelt, der aus
der brandig zerfallenen und erweichten Hirnmasse besteht; sie entsteht überall, wo durch Verstopfung
und Verödung der zuführenden
Blutgefäße die Blutzufuhr zu der Hirnsubstanz plötzlich aufgehoben und so die
Ernährung der
letztern mit gutem, sauerstoffhaltigem
Blut unmöglich gemacht wird. Am häufigsten findet sich diese Form der Gehirnerwe
ichung bei ältern
Leuten, weil im spätern
Mannes- und im Greisenalter chronische Gefäßkrankheiten und dadurch bedingte
Gefäßverstopfungen (s.
Thrombose und
Embolie) häufig vorkommen.
Eine
Abart der weißen Gehirnerwe
ichung ist die sog. hydrocephalische Gehirnerwe
ichung, die
sich besonders bei der tuberkulösen
Gehirnhautentzündung (s. d.) vorfindet und bei welcher die Hirnsubstanz
durch einen reichlichen Erguß seröser Flüssigkeit erweicht wird. Die gelbe Gehirnerwe
ichung entsteht durch
eine sog. eitrige Infiltration oder eitrige Einschmelzung der Gehirnsubstanz und bildet den
nicht eben seltenen Ausgang der akuten
Gehirnentzündung (s. d.). Bei der roten Gehirnerweichung
endlich
sind der breiig erweichten Hirnmasse zahlreiche rote
Blutkörperchen
[* 3] beigemengt, die aus bald größern, bald kleinern
Blutergüssen
herstammen und der zerfallenden Hirnsubstanz eine rötliche
Farbe verleihen. Am häufigsten entsteht diese
Form der Gehirnerweichung
im Anschluß an Schädelverletzungen und an spontane
Gehirnblutungen, wie beim
Schlagfluß (s. d.).
Die
Symptome der Gehirnerweichung
sind je nach dem Sitz, der
Größe und
Ausdehnung
[* 4] der erweichten Hirnpartie sehr verschieden; während kleinere
Erweichungsherde häufig gar keine oder nur unerhebliche Erscheinungen
(Kopfschmerzen, Schwindel,
Ohrensausen
u. dgl.) verursachen, pflegen größere, namentlich wenn sie ihren Sitz an
wichtigen Hirnabschnitten haben, schwere und dauernde Funktionsstörungen zur Folge zu haben. Insbesondere bemerkt man an
solchen
Kranken eine auffallende
Abnahme des Gedächtnisses und des Denkvermögens, eine große Gleichgültigkeit und
Apathie,
wohl auch
Schlafsucht und
Sprachstörungen verschiedener Art; auch sind häufig
Lähmungen und Kontrakturen
einzelner Extremitäten oder wenigstens einzelner
Teile derselben vorhanden. Wenn die Gehirnerweichung
plötzlich durch das Steckenbleiben
eines Blutpfropfes in einer Gehirnarterie (s.
Embolie) entsteht, so können die
Symptome ganz denen eines jähen
Schlaganfalles
oder
Schlagflusses gleichen. Die Behandlung ist in den weitaus meisten
¶
mehr
Fällen von Gehirnerweichung
erfolglos, da natürlich die zerstörte Hirnpartie nicht wieder ersetzt werden kann,
und wenn auch öfters selbst bei größern Erweichungsherden durch Resorption der erweichten Massen und Bildung eines wasserdurchtränkten
narbigen Zellgewebes eine Art Naturheilung eintritt, so bleiben doch infolge des Untergangs der erweichten nervösen Elemente
gewisse Symptome, wie Lähmungen einzelner Glieder,
[* 6] Gedächtnisschwäche, Sprachstörungen u. dgl. für immer
zurück. Gegen die zurückgebliebenen Lähmungserscheinungen leistet die Anwendung des elektrischen Stroms oft gute Dienste.
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