Titel
Gefäßbündel
[* 1] (lat. Fasciculi vasorum, Fibrovasalstränge, Leitbündel), in der Pflanzenanatomie die vorwiegend aus Gefäßen (s. d.) und aus langgestreckten, faserförmigen, sogen. Prosenchymzellen zusammengesetzten Gewebestränge, welche das Innere aller Teile der Pflanze durchziehen und von den Wurzelenden an durch Wurzeln, Stengel [* 2] bis in die Blätter, Blüten und Früchte einen zusammenhängenden Verlauf haben. Es sind diejenigen festern Stränge, welche wir vielfach beim Zerreißen, Zerquetschen etc. von Pflanzenteilen wahrnehmen.
Sie finden sich, wenngleich in verschiedener Vollkommenheit der
Ausbildung, bei den meisten stammbildenden
Gewächsen; nur
den
Moosen fehlen sie noch, aber von den
Farnkräutern an werden sie bei allen
Gefäßkryptogamen und
Phanerogamen ausnahmslos
angetroffen.
In den
Wurzeln findet sich ursprünglich nur ein einziges, zentrales Gefäßbündel
, nur in Ausnahmefällen
mehrere Gefäßstränge.
In den
Stämmen der
Farne
[* 3] erscheinen die Gefäßbündel
entweder als axiler
Strang, oder als geschlossene, innen
markführende
Röhre, oder auch in Form mehrerer konzentrischer Bündelringe und Ringabschnitte, oder als zerstreute Bündel
neben einem einfachen Bündelrohr. Das Bündelrohr der
Farne nimmt dadurch, daß es unterhalb der Anheftungsstelle
jedes
Wedels eine
Lücke hat, oft die Form eines Maschennetzes an, von dessen Rändern die in die
Wedel ausbiegenden Gefäßbündel
sich
abzweigen. Bei den meisten
Dikotyledonen stehen die in den
Stengeln
[* 1]
(Fig. 1) in einem
Kreis,
[* 4] in die
Blätter tritt allemal ein
ganzes Gefäßbündel
oder mehrere zugleich aus; die dadurch in dem
Kreis entstehenden
Lücken werden wieder ausgefüllt
durch neue Gefäßbündel
, welche über der Austrittsstelle als
Zweige von einem benachbarten Bündel sich ablösen
[* 1]
(Fig. 2). In vielen
Monokotyledonenstengeln, zumal in den
Stämmen der
Palmen,
[* 5] sind die Gefäßbündel
auf dem
Querschnitt scheinbar regellos
[* 1]
(Fig. 3) im innern
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Querschnitt eines Stengels der Erbse, unten in natürlicher Größe, oben eine Hälfte vergrößert. a Epidermis, [* 6] h Rinde, c Bast, [* 7] d Kambium, [* 8] e Holz, [* 9] f Mark.] ¶
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Parenchym zerstreut, doch wird ihr regelmäßiger Verlauf auf einem Längsschnitt des Stengels
[* 10]
(Fig. 4) erkennbar. Jedes Bündel
verläuft nämlich von der Blattbasis aus zunächst in einem schiefen, nach der Stammachse konvex gerichteten Bogen
[* 11] nach innen,
biegt dann nach außen um und nähert sich allmählich, indem es durch zahlreiche Stengelglieder hinabsteigt,
wieder der Stammoberfläche, um sich zuletzt mit tiefer austretenden Bündeln zu vereinigen; bei andern Monokotylen verlaufen
die Gefäßbündel
nach der Stammmitte und legen sich an tiefere Stränge an, ohne sich nach außen zu biegen. Manche wasser- und sumpfbewohnende
Pflanzen, sowohl Mono- als Dikotylen, zeichnen sich durch einen einzigen axilen Gefäßbündel
strang
aus. Aus den Stengeln treten die in die Blätter ein, verbreiten sich meist durch die ganze Fläche derselben und bilden die
Blattnerven.
Hinsichtlich der anatomischen Struktur unterscheidet man an den meisten Gefäßbündeln
[* 10]
(Fig. 5 A u. B) zwei Gewebeteile: den
Siebteil oder Phloem, aus zartwandigen, prismatischen Zellen y (Kambiform) und Siebröhren
[* 12] bestehend, und
den Gefäßteil oder Xylem, der aus Gefäßen (g, l u. s s'), Tracheiden und prosenchymatischen oder Holzzellen (h) sich aufbaut.
Außen
werden die Gefäßbündel
von einer deutlich abgegrenzten Schicht, der Strangscheide (g s), umschlossen oder von Bündeln stark
verdickter Faserzellen, den Bastfasern (b), der Länge nach begleitet, die man früher als Bestandteile
der Gefäßbündel
selbst betrachtete. Je nach der gegenseitigen Anordnung von Sieb- und Gefäß- oder Holzteil unterscheidet man verschiedene
Formen der Gefäßbündel.
Bei den kollateralen Gefäßbündeln
, welche in den Stengeln und Blättern der meisten Dikotylen, Monokotylen
und Gymnospermen verbreitet sind, liegt der Gefäßteil einseitig nach innen, der Siebteil nach außen
[* 10]
(Fig. 5 A). Die konzentrischen Gefäßbündel
(Fig. 6), wie sie
für die meisten Farne charakteristisch sind, haben einen zentral liegenden Gefäßteil (bei s p), der ringsum vom Siebteil
(bei s) umschlossen wird; auch kann hier die umgekehrte Lagerung zwischen Sieb- und Gefäßteil stattfinden; auch die
Gefäßbündel
der Farne werden von einer Strangscheide
[* 10]
(Fig. 6 bei u) oder Endodermis umgeben. Endlich bei den radialen Gefäßbündeln
,
welche einigen Farnen und sämtlichen Wurzeln
[* 10]
(Fig. 7) eigentümlich sind, bildet der Gefäßteil
[* 10]
(Fig. 7 bei
g) mehrere radiäre, von der Mitte ausstrahlende Strei-
[* 10]
^[Abb.: Fig. 2. Skelett
[* 13] der Gefäßbündel
im Stengel von Sambucus Ebulus, in eine Fläche ausgebreitet.
Jedes Blatt
[* 14] empfängt einen mittlern Strang h und seitliche Stränge s' und s''. Letztere durch horizontale Zweige verbunden, welche
die Stränge n für die Nebenblätter abgeben.]
[* 10] ^[Abb.: Fig. 3. Querschnitt eines Monokotyledonenstengels.]
[* 10] ^[Abb.: Fig. 4. Idealer Längsschnitt eines Monokotyledonenstengels.]
Fig. 5 B. Ein Fibrovasalstrang von Ricinus. A im Quer-, B im Längsschnitt. r Rinde, m Markparenchym b dickwandige Bastfasern, y Kambiform, c Kambium, g große, t t' kleinere getüpfelte Gefäße, cb die in den Markstrahlen entstehenden Kambiumzellen, g s Strangscheide, p Phloemparenchym, s s' Spiralgefäße l Treppengefäß, h h' Holzzellen.] ¶
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fen, mit denen nach außen ebenso viele Siebteile [* 15] (Fig. 7 bei s) abwechseln. Die das Gefäßbündel der Wurzeln zunächst umgebende Schicht (das sogen. Perikambium [* 15] Fig. 7 bei p l) erzeugt die Anlagen der Seitenwurzeln und wird ihrerseits wieder von einer Strangscheide [* 15] (Fig. 7 bei u) umgeben. Während nun bei den Farnen und Monokotylen sowie auch in den Blättern und manchen Stengeln der Dikotylen die Gefäßbündel nach völliger Ausbildung ihrer aus dem Prokambium hervorgehenden Elemente keine weitere Zunahme erfahren und deshalb geschlossene Gefäßbündel genannt werden, tritt bei den dikotylen Stämmen mit Gefäßbündelkreis und fortgesetztem Dickenzuwachs im innern Siebteil des Gefäßbündels eine neue zellenbildende Schicht, das Kambium (s. d.), auf, durch dessen Teilungen das sogen. sekundäre Gewebe, [* 16] u. zwar nach außen sekundärer Bast, nach innen sekundäres Holz, erzeugt wird.
Das quer durch den ganzen Gefäßbündelkreis hindurchgehende Kambium stellt schließlich einen zusammenhängenden Ring, den Kambiumring [* 15] (Fig. 5 A bei C), her, durch dessen zellenbildende Thätigkeit fortgesetzt neue Holz- und Bastschichten erzeugt werden. Durch einen ähnlichen Kambiumring wachsen auch die Wurzeln vieler Dikotylen fortgesetzt in die Dicke. Mit einem dauernd thätigen Kambinmstreifen versehene Gefäßbündel werden offene genannt. Sie fehlen allen Blattgefäßbündeln und den Gefäßbündeln der meisten Monokotylen und Farne.
Die Gefäßbündel dienen in der Pflanze wenigstens zwei wichtigen Lebenszwecken. Die Zellen des Holzteils stellen nämlich den hauptsächlichsten Weg dar, auf welchem die von den Wurzeln aufgenommene tropfbarflüssige Nahrung, der sogen. aufsteigende Saftstrom, nach den einzelnen Teilen der Pflanze hingeleitet wird. Der Bastteil aber ist bestimmt, die in den Blättern aus den rohen Nährstoffen assimilierten organischen Verbindungen rückwärts nach allen Orten der Pflanze zu leiten, wo Bedarf nach denselben ist; er ist das leitende Gewebe für den absteigenden Nahrungssaft (vgl. Ernährung der Pflanzen).
[* 15] ^[Abb.: Fig. 6. Querschnitt eines konzentrischen Gefäßbündels von Polypodium. s p Gefäßteil, s Siebteil, n Strangscheide.]
[* 15] ^[Abb.: Fig. 7. Querschnitt eines radialen Gefäßbündels (aus einer Wurzel [* 17] von Primula). g Gefäßteil, s Siebteil, p Perikambium, n Strangscheide.]