welcher Zeit es zwar noch nicht reif, aber doch lebensfähig ist und oft durch sorgfältige Pflege noch erhalten wird. Ob
es eine Spätgeburt (partus serotinus oder retardus) in dem
Sinne gebe, daß die Geburt nach einer länger als 40 Wochen dauernden
Schwangerschaft eintrete, ist sehr zweifelhaft, zumal da dieMutter, auf deren Angabe die Berechnung der
Schwangerschaftsdauer sich hauptsächlich gründen muß, über die Zeit der Empfängnis sich leicht täuschen kann. Der Schein
einer zu späten Geburt wird aber bisweilen dadurch hervorgebracht, daß die
Dauer des Geburtsvorgangs selbst sich bis zu zwei
Wochen und vielleicht noch länger ausdehnen kann.
DieAusdrückeKopf-, Steiß-, Knie- und Fußgeburt werden gebraucht, um anzugeben, welcher
Teil des
Kindes
bei der Geburt desselben vorausgeht und zuerst an die Außenwelt gelangt, wohingegen die
AusdrückeMißgeburt (s. d.), Zwillings-,
Drillingsgeburt u. s. w. sich nicht auf den Geburtsvorgang, sondern auf das Geborene beziehen.
Daß sich bei den vielen verschiedenartigen Vorgängen, welche die Geburt mit sich führt,
für den
Arzt, schon mit
Ausschluß der ganzen
Geburtshilfe in engerm
Sinne, in diätetischer und therapeutischer Hinsicht ein
weiter Wirkungskreis darbietet, liegt am
Tage. Allein auch dem gerichtlichen Zweige der
Medizin werden oft Untersuchungen über
Geburt, z. B. über dagewesene
Schwangerschaft, über
Alter eines
Kindes, über die Zeit, wann die Geburt stattgefunden
hat
u. dgl. vorgelegt, die in vielen Fällen mit den größten Schwierigkeiten
verknüpft sind. -
Vgl. Wigand, Die Geburt des
Menschen (2. Aufl., 2 Bde., Berl.
1839);
ferner die Lehrbücher von Zweifel,
Winckel u. a.; Ploß,
über die
Lage und
Stellung der Frau während der Geburt bei verschiedenen Völkern (Lpz. 1872);
Engelmann, Die Geburt bei den Urvölkern
(deutsch von Hennig,
Wien
[* 4] 1884);
Ploß, Das Weib in der Natur- und
Völkerkunde (3. Aufl., 2 Bde.,
hg. von
Bartels, Lpz. 1891).
Mit der vollendeten Geburt fängt nach bürgerlichem
Recht der lebende
Mensch an und tritt als
Kind in die Familie.
Nur in gewissen
Beziehungen datieren seine
Rechte schon aus der Zeit, als er noch
Embryo (s. d.) war. Strafrechtlich als Gegenstand
des
Verbrechens derTötung beginnt nach der bei den Juristen herrschenden Praxis der
Mensch mit dem Anfang der
Geburt. Solange noch kein
Teil des Kindeskörpers aus dem Mutterleib herausgetreten ist, würde ein
Attentat gegen das
KindAbtreibung der Leibesfrucht sein.
Daß nicht vollendete Geburt erforderlich ist, ergiebt sich aus §. 217 des
Deutschen Strafgesetzbuchs:
«Eine
Mutter, welche ihr uneheliches
Kind in oder gleich nach der Geburt tötet, wird mit Zuchthaus nicht
unter 3 Jahren bestraft.»
der
Tiere nennt man in der Regel nur das Hervorbringen lebendiger
Jungen, obwohl die Eiablage auch ein Geburtsakt
ist und es sogar
Tiere (Schlangen)
[* 5] giebt, die meistens
Eier
[* 6] legen, wenn sie für dieselben indessen keine geeignete Ablegestelle
finden, sie bis zum Ausschlüpfen der
Jungen bei sich behalten und diese dann erst gebären. Viele niedere
Tiere (Schwämme,
[* 7] Seeanemonen, manche
Stachelhäuter,
[* 8] Fliegen,
[* 9] einige Laub- und
Blattkäfer u. s. w.) gebären Larven (s. auch
Pädogenesis).
Bei den Lausfliegen (s. d.) sind diese Larven vollkommen zur Verpuppung reif.
Eine Anzahl Schnecken,
[* 10] z. B. unsere
Sumpfschnecken (s. d.), die
Blattläuse, manche Fische,
[* 11] z. B. die
Aalmutter
(s. d.), einige Haie und andere, der schwarze oder
Alpensalamander (s. Landsalamander), verschiedene Eidechsen,
[* 12] z. B.
unsere
Bergeidechse (s. Eidechsen) und die meisten
Giftschlangen gebären
Junge, die, abgesehen von der
Größe, der Geschlechtsreise
und einigen unwesentlichen Charakteren, den Alten gleichen. Hingegen legen die niedrigsten Säugetiere (s.
Kloakentiere) in gewissem
SinneEier, d. h. sie bringen höchst unvollkommen entwickelte, noch von den
Eihäuten umgebene, lebendige
Junge zur Welt.
Bei Haustieren kündigt die Geburt sich vorher an durch Einlaufen des Euters (es läßt sich
Milch ausdrücken), durch Einsinken
des Kreuzes, Anschwellung und Rötung der Scham. Sie wird eingeleitet durch die vorbereitendenWehen und
bewerkstelligt durch die treibenden
Wehen. Die
Wehen sind Zusammenziehungen der
Gebärmutter,
[* 13] durch sie wird die
Frucht in der
Richtung des geringsten
Widerstandes,
d. i. nach dem bereits geöffneten
Muttermunde, hingetrieben. Während der Ausstoßung
der
Frucht platzen die
Eihäute, wodurch die Fruchtwässer zum Abflusse kommen und gleichzeitig die äußern Geburtswege
(Scheide und Scham) schlüpfrig machen.
Eine normale Geburt ist in kurzer Zeit beendet, und zwar beim
Pferd
[* 14] in 5-30, bei der Kuh in 15-60 und beim Schaf
[* 15] und Schwein
[* 16] in
15-30 Minuten, von der Eröffnung des Gebärmuttermundes an gerechnet. Letztere tritt erst mehrere
Stunden nach Beginn der
ersten
Wehen ein; beim Rind
[* 17] und
Pferd können noch 3-6, beim Schaf 2-6 und beim
Hund gar 4-10
Stunden vergehen.
Die
Nachgeburt wird durch die
Nachwehen nach 15-30 Minuten ausgestoßen.
Tritt dieses nicht ein, so ist es möglich daß sie
noch innerhalb der nächsten 3
Tage von selbst abgeht.
Während dieser Zeit kann man den natürlichen Abgangsprozeß dadurch beschleunigen, daß man in die
Gebärmutter vermittelst eines
Klystierschlauches (nicht Klystierspritze) lauwarmes Wasser einfüllt, welchem man
übermangansaures Kalium
oder Kreolin (je 1 Proz.) zugesetzt hat. Außerdem ist es nicht unangebracht, die aus den
Geschlechtsteilen heraushängenden
Partien der
Nachgeburt von rechts nach links oder umgekehrt aufzudrehen und an dem aufgedrehten
Strang
allenfalls durch ein angebrachtes Gewicht einen gelinden Zug
auszuüben.
Löst sich die
Nachgeburt am dritten
Tage nach der Geburt noch nicht, dann säume man nicht, die kunstgerechte
Ablösung derselben
durch einen Tierarzt herbeiführen zu lassen. Der
Muttermund ist nämlich zu dieser Zeit noch bequem für
die
Hand
[* 18] des
Operateurs zugänglich, was später nicht mehr der Fall ist. Die
Nachgeburt geht ungemein rasch in Fäulnis über.
Deshalb ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, welche dadurch entsteht, daß die
Nachgeburt länger als 3
Tage in dem Muttertiere
verbleibt. Gewöhnlich entstehen infolge nicht abgegangener
Nachgeburt langwierige
Eiterungen aus den
Geschlechtsteilen,
wenn nicht bedrohlichere Erscheinungen
(Bauchfellentzündung,
Blutvergiftung) hinzutreten.