Gebärdensp
rache,
die Kundgebung der
Gedanken,
Empfindungen und des
Willens durch Gebärden, d. h. durch eine gewisse
Haltung und
Bewegung der einzelnen Teile des
Körpers, z. B. Erheben einer
Hand,
[* 3] Falten der
Hände etc. Die Gebärdensp
rache unterscheidet sich
von der
Gestikulation des Redners, die das gesprochene
Wort durch begleitende Gebärden unterstützt, und
von der
Mimik
[* 4] (s. d.), die, meist auch mit lebendiger
Rede verbunden, das Gebaren einer bestimmten
Person, sei diese wirklich
vorhanden (empirische
Mimik) oder dichterisch vorgestellt (idealisierende
Mimik), nachahmend darstellt.
Wenn die Gebärdensp
rache sich auf die Anwendung solcher Gebärden
(Gesten) beschränkt, die sich unmittelbar und ungesucht aus
dem
Verkehr eines bestimmten
Kreises ergeben, so heißt sie natürliche Gebärdensp
rache. Eine solche wird sich immer nur in ziemlich engen
Grenzen
[* 5] bewegen. Wenn dagegen gewisse Gebärden durch Übereinkommen als Zeichen für
Vorstellungen festgestellt werden, mit
denen sie nur in entferntem
oder an sich in gar keinem
Verhältnis stehen, so nennt man das künstliche
Gebärdensp
rache. So wurden z. B. in der früher verbreiteten Gebärdensp
rache für
Taubstumme die
Vokale des
Alphabets durch die
Finger der linken
Hand, vom
Daumen angefangen, bezeichnet, die
Konsonanten teils
durch Fingerstellungen und
Verbindungen, teils durch Berührung von Körperteilen, deren
Namen mit dem anzudeutenden
Laut beginnen.
Man nennt diese künstliche Gebärdensp
rache daher auch
Fingersprache,
Handalphabet oder
Daktylologie. Diese Gebärdensp
rache, schon
von dem
Spanier
Juan Pablo Bonet (um 1620) als Vorstufe für die Lautsprache angewandt, wurde später in
England und
Frankreich
systematisch ausgebildet und verdrängte eine Zeitlang die Lautsprache, die neben der
Schrift allein den Taubstummen zum
Verkehr
mit seiner Umgebung befähigt, fast ganz. Der
Abbé de l'Epée (s. d.) bevorzugte sie; nach einer sehr
verwickelten
Methode vervollkommte sie
Epées Nachfolger Rochambroise Cucurron
Sicard (1742-1822). Nach der deutschen
Methode
des Taubstummenunterrichts ist die künstliche Gebärdensp
rache, als der
Ausbildung in der Artikulation hinderlich, überhaupt ausgeschlossen,
und selbst die für den Beginn des
Unterrichts unentbehrliche natürliche Gebärdensprache
soll, um die
Kinder zum Absehen
der Lautsprache und zum eignen Sprechen zu gewöhnen, in möglichst engen
Grenzen gehalten werden.
Während
Epée in der künstlichen Gebärdensprache
den Beginn einer
Universalsprache für alle gebildeten
Völker gefunden zu haben glaubte,
hat sie daher heute nur noch geschichtliches
Interesse.
Vgl. Epée, Institution des sourds et muets par la voie des signes méthodiques (Par. 1776, 2. Aufl. 1784 u. öfter);
Sicard, Théorie des signes pour l'instruction des sourds-muets (das. 1808-14, 2 Bde.; 2. Aufl. 1828);
Neumann, Die Taubstummenanstalt zu Paris [* 6] im Jahr 1822 (Königsb. 1827);
Walther, Geschichte des Taubstummenbildungswesens (Bielef. 1882).