Gaumenspalte
(Palatoschisis), ein angeborner, ziemlich häufig vorkommender Bildungsfehler des Gaumens, stellt sich im allgemeinen als eine in der Mittellinie des Gaumens hinziehende, etwa 3-10 mm breite Spalte dar, welche bald nur den weichen Gaumen, bald diesen zusammen mit dem harten Gaumen in zwei seitliche Hälften trennt. Ist der harte Gaumen gespalten, so wird dieser Zustand als Wolfsrachen (Rictus lupinus) bezeichnet. Der Wolfsrachen ist regelmäßig kombiniert mit Spaltung des die Zähne [* 2] tragenden Knochenwalles des Oberkiefers; allein diese sogen. Kieferspalte liegt nicht in der Mittellinie, sondern etwas seitlich von derselben und meist so, daß sie zwischen dem äußern Schneidezahn und dem Augenzahn durchgeht.
Manchmal ist die Kieferspalte eine doppelte, so daß das die Schneidezähne tragende Mittelstück des Oberkiefers beiderseits
außer
Verbindung mit den seitlichen
Abschnitten des Oberkiefers steht. Die einfache mittlere
Spalte am harten
Gaumen
verlängert
sich dann nach vorn in zwei kurze
Schenkel, die beiden Kieferspalten. Neben den letztern kommt regelmäßig
noch eine einfache oder doppelte
Hasenscharte (s. d.) vor. Durch die Gaumenspalte
wird eine abnorme
Kommunikation zwischen
Mund- und Nasenhöhle hergestellt, welche, weil
sie den
Abschluß der einen von der andern
Höhle unmöglich
macht, schon dem neugebornen
Kinde das Saugen außerordentlich erschwert, durch direkte
Kommunikation der
äußern
Luft mit dem
Kehlkopf
[* 3] zu
Katarrhen der
Luftwege disponiert und später der
Stimme einen widerwärtigen, näselnden
Klang
gibt, die
Sprache
[* 4] aber erschwert und höchst undeutlich macht.
Selbst die niedern
Grade der Gaumenspalte
, wo nur der weiche
Gaumen mehr oder minder tief gespalten erscheint, beeinträchtigen
die
Sprache sehr erheblich und geben ihr einen näselnden
Charakter. Die Gaumenspalte
gehört in die
Kategorie der sogen.
Hemmungsbildungen
und beruht darauf, daß die Vereinigung der beiden den
Gaumen bildenden Oberkieferfortsätze, bez. die Verschmelzung dieser
mit den vom Stirnfortsatz ausgehenden
Zwischenkiefern überhaupt nicht oder doch nicht vollständig erfolgt
ist.
Man kann die Gaumenspalte
auf operativem Weg durch die
Gaumennaht oder
Staphylorrhaphie beseitigen, indem man die Ränder der Gaumenspalte
mit
dem
Messer
[* 5] abträgt und die blutenden Schnittflächen durch
Nähte miteinander verbindet. Bei dem
Wolfsrachen muß, um die
Naht
der Gaumenschleimhaut vornehmen zu können, diese Schleimhaut vorher von ihrer knöchernen Unterlage
abgetrennt und gegen die Mittellinie des
Gaumens hin verschoben werden.
Eventuell ist diese sehr schwierige und umständliche
Operation mit derjenigen der
Hasenscharte zu verbinden; wenn es gelingt, die Schleimhaut des
Gaumens über der
Spalte zu vereinigen,
pflegt später von selbst auch eine Verschmelzung der knöchernen Grundlage des harten
Gaumens stattzufinden.
Spalten und
Löcher im harten wie im weichen
Gaumen können auch erworben werden durch Verschwärungsprozesse, welche namentlich
bei konstitutioneller
Syphilis, seltener bei
Skrofulose etc. bald in der Schleimhaut des harten oder weichen
Gaumens, bald in
derjenigen der Nasenhöhle beginnen und den darunter gelegenen
Knochen
[* 6] mit zerstören oder durchbrechen
können. Nach der Ausheilung solcher
Geschwüre bleiben rundliche
Löcher oder
Spalten im
Gaumen zurück, durch welche die
Nasen-
und Mundhöhle miteinander in abnorme
Verbindung treten, so daß
Speisen und
Getränke leicht aus der
Mund- in die Nasenhöhle
gelangen und die
Sprache ähnlich wie bei der angebornen Gaumenspalte
erschwert und in ihrem
Charakter verändert
ist.