Gauß
,
Johann Karl Friedrich, Mathematiker, geb. zu Braunschweig, [* 2] besuchte bis 1795 das Collegium Carolinum in seiner Vaterstadt, studierte bis 1798 in Göttingen [* 3] und hielt sich dann in Helmstedt auf, um den Unterricht des durch seine Untersuchungen über die Differentialgleichungen bekannten Analytikers J. F. ^[Johann Friedrich] Pfaff zu benutzen. Schon 1801 erschienen seine »Disquisitiones arithmeticae«, worin er die erste zusammenfassende und mit vielen neuen Entdeckungen bereicherte Darstellung der sogen. Zahlentheorie lieferte; besonders mag auf die darin vorkommende erste Formulierung des Begriffs kongruenter Zahlen und auf den vielfachen Gebrauch der Determinanten hingewiesen werden.
Kurz vorher hatte er als
Inauguraldissertation bereits eine kritische Übersicht über die vermeintlichen
Beweise
des
Satzes gegeben, daß jede algebraische
Gleichung eine
Wurzel
[* 4] von der Form a + bi habe (s.
Gleichung), und selbst einen wirklichen
Beweis erbracht. Auf demselben Gebiet wie die
»Disquisitiones« bewegen sich seine Untersuchungen über die biquadratischen
Reste
(»Göttinger Kommentarien«, Bd. 6). 1807 wurde Gauß
Professor der
Mathematik und
Direktor der
Sternwarte
[* 5] zu
Göttingen. Als zu Beginn dieses
Jahrhunderts die Planetenentdeckungen neue
Methoden zur Berechnung dieser Himmelskörper,
die man nur kurze Zeit zu beobachten vermochte, nötig machten, unterzog sich Gauß
der
Erfindung solcher Verfahrungsweisen;
als die
Frucht dieser Bemühungen ist sein fundamentales Werk »Theoria motus corporum
coelestium, in sectionibus conicis solem ambientium« (Hamb. 1809; deutsch
v.
Haase, Hannov. 1865) zu betrachten.
Hierdurch auf die
Astronomie
[* 6] hingewiesen, lieferte er in v.
Zachs »Monatlicher
Korrespondenz« und
Bodes »Jahrbuch« eine große
Anzahl von astronomischen
Arbeiten. Diesem
Zweck dienten auch die von ihm entworfenen
Summen- und Differenzlogarithmen, von
denen er 1812
Kunde gab.
Ferner führte ihn die
Sternkunde auch auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung; in der
Abhandlung »Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae«
entwickelte er seine berühmte
»Methode der kleinsten
Quadrate«. Seine chronologischen Forschungen fanden ihren
Abschluß in
seiner für den
Praktiker höchst bequemen
Formel zur Schnellberechnung des christlichen und jüdischen
Osterfestes, für welche
Professor L. Feldt in
Braunsberg
[* 7] den
Beweis nachgeliefert hat. Gauß'
Teilnahme an der hannöverschen
Landesvermessung
veranlaßte ihn auch zu geodätischen
Arbeiten.
In den »Untersuchungen über Gegenstände der höhern
Geodäsie«
(»Göttinger
¶
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Abhandlungen« 1847 u. 1848) behandelte er besonders die kürzesten Linien auf Oberflächen und schuf den Begriff des Krümmungsmaßes (s. d.) für Flächen. In Schumachers »Astronomischen Nachrichten« (1825) gab er eine für die Theorie der Kartenprojektion höchst wichtige Lösung der Aufgabe: eine Fläche auf eine andre so zu projizieren, daß Abbildung und Original einander in den kleinsten Teilen ähnlich sind. Die praktische Geometrie ward von ihm durch Einführung eines neuen Instruments, des Heliotrops (s. d.), bereichert.
Besonders bewunderungswert sind aber Gauß'
Leistungen in der Physik, hauptsächlich in deren mathematischem Teil. In den »Dioptrischen
Untersuchungen« (»Götting. Abhandlgn.« 1843) wußte er dem schwierigen Kapitel vom Durchgang der Lichtstrahlen
durch ein Linsensystem mittels Einführung neuer Begriffe (Hauptpunkte etc.) eine neue, anschauliche Seite abzugewinnen. Den
mechanischen Prinzipien fügte er das neue vom kleinsten Zwang hinzu (Crelles »Journal«, Bd. 4), und für die gesamte mathematische
Physik schuf er den jetzt so überaus wichtig gewordenen Begriff der Potenzialfunktion (s. d.). Besonders
hierauf gestützt, gab er eine neue Grundlage für die Lehre
[* 9] vom Erdmagnetismus, dessen Studium er durch sinnreiche neue Instrumente
unterstützte; auch war er der erste, welcher (in Gemeinschaft mit seinem Freund und Mitarbeiter Wilhelm Weber [s. d.]) einen
elektromagnetischen (Nadel-) Telegraphen
[* 10] konstruierte. Gauß
starb in Göttingen.
Seine Werke wurden von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen gesammelt herausgegeben (Götting. 1863-71, 7 Bde.). 1880 wurde ihm eine Bronzestatue von Schaper in Braunschweig errichtet.
Vgl. Sartorius v. Waltershausen, Gauß
zum Gedächtnis (2. Aufl., Leipz. 1877);
Winnecke, ein Umriß seines Lebens und Wirkens (Braunschw. 1877);
Hänselmann, K. F. Gauß.
Zwölf Kapitel aus seinem Leben
(Leipz. 1878).
Eine gute Einsicht in seine wissenschaftliche Denkweise gibt sein Briefwechsel mit dem Altonaer Astronomen Schumacher (hrsg. von Peters, Altona [* 11] 1860-62, 4 Bde.), derjenige mit A. v. Humboldt (hrsg. von Bruhns, Leipz. 1877) und mit Bessel (das. 1880).