eine in
England zuerst angewendete Art der Verwendung von meist heimatslosen ländlichen Arbeitergruppen.
Der Gangmeister (gangmaster) übernimmt im
Akkord die Ausführung von
Arbeiten, für welche es den Grundbesitzern an den nötigen
Kräften fehlt. Hierfür wirbt er auf eigne Rechnung Arbeitergruppen
(Gänge) an, die, von
Ort zu
Ort umherziehend,
bei ungenügendem
Lohn und unzureichender Unterkunft nach
Marx ein echtes »wanderndes Ackerbauproletariat« bilden. Da auch
Weiber und
Kinder solchen
Gruppen angehörten, was zu sittlicher Verwilderung führte, so sah man sich genötigt, auf dem Weg
der
Gesetzgebung einzuschreiten; weibliche
Horden sollen nur weiblichen
Führern unterstellt werden. Gelegenheit,
wandernde Arbeitergruppen zu beschäftigen, bietet unter anderm auch der
Eisenbahnbau,
[* 2] welcher schon viele italienische und
polnische
Arbeiter nach
Deutschland
[* 3] gezogen hat. Doch waren letztere meist genossenschaftlich vereinigt, sie hatten infolgedessen
nicht durch den Übelstand des echten englischen Gangsystems, die Ausbeutung durch den Gangmeister, zu
leiden.
Bezeichnung für eine jetzt wohl völlig beseitigte landwirtschaftliche Arbeitsverfassung
in verschiedenen Gegenden der südöstl. Grafschaften Englands. Während auf dem Gutshofe ansässige, auf längere Zeit kontraktlich
gebundene Arbeiter oder die Eigentümer selbst die schweren oder dauernden Arbeiten verrichteten, wurden die leichtern, oder
auf eine bestimmte Zeit des Jahres beschränkten von Haufen (gangs, spr. gängs) von nicht auf dem
Gutshofe ansässigen Arbeitern geleistet, welche während eines großen Teils des Jahres von ihrem Wohnorte
aus von einer Farm zur andern zogen.
Die gangs standen entweder im Dienste
[* 4] und Verdienste eines Unternehmers (gang-master), welcher die Arbeiter dang und dem Eigentümer
oder Pächter gegen ein Bestimmtes zu bestimmten Arbeiten der bezeichneten Art (Jäten, Kartoffelsetzen,
Steinesammeln, Mistbreiten, Rübenbeschneiden u. s. w.), die unter seiner Leitung oder derjenigen
seines Aufsehers von statten gingen, zur Verfügung stellte, oder sie wurden von dem Pächter oder Eigentümer selbst gedungen
und arbeiteten unter seiner Leitung oder derjenigen eines seiner Arbeiter. Jenes sind die public gangs, dieses die private
gangs.
Das Gangsystem entstand im Anfang des 19. Jahrh. Zuerst scheinen
sich die public gangs, dann die private gangs gebildet zu haben; die gangs umfaßten zuerst auch erwachsene männliche Arbeiter,
während siespäter ^[korrekt: sie später] ausschließlich aus Weibern, jungen Burschen und Mädchen (13‒18 Jahre) sowie
Kindern (6‒13 Jahre) beiderlei Geschlechts bestanden;
in den Anfängen kam es wohl häufiger vor, daß
die Mitglieder in Scheunen und Ställen übernachteten, während sie später in der Regel abends zu ihrer Wohnung zurückkehrten.
Hierin liegt der Unterschied von der Hollandgängerei (s. d.) und der Sachsengängerei (s. d.).
Die Ursache dieser im Gebiete des Großgrundbesitzes entstandenen Arbeitsverfassung war der Mangel an Arbeiterwohnungen
in der Nähe der Gutshöfe. Die Arbeiter wohnten in zuweilen weit entlegenen Dörfern (bis zu 7 engl. Meilen) zusammengedrängt,
deren Boden mehrern kleinen Eigentümern gehörte (open parishes).
Die großen Entfernungen, welche die Kinder zu und von der ermüdenden Arbeit zurückzulegen hatten, die sittlichen Gefahren,
denen sie im Verkehr mit moralisch verwilderten Geschöpfen ausgesetzt waren, die Schwierigkeiten, die
geistiger Bildung entgegenstanden, führten 1867 zu einem Gesetze, welches wenigstens die public gangs an der Wurzel
[* 5] traf und
die private gangs von schweren Mißständen befreite. Andere Gesetze haben zur Beseitigung des Gangsystem mitgewirkt: der Union Chargeability
Act (1865), welcher die Armenlasten auf einen größern Verband
[* 6] verteilte, die Einführung des
obligatorischen
Schulunterrichts 1870 und das Gesetz über die Verwendung von Kindern in der Landwirtschaft von 1873.
Die Wandertruppen ital. Arbeiter, die in der neuern Zeit vielfach, namentlich bei Eisenbahn- und Kanalbauten, verwendet werden,
sind mehr genossenschaftlich organisiert, und in noch höherm Maße gilt dies von den russ. Artelen (s.
Artel).
Litteratur. On the employment of womens and children in agriculture (1843), Children’s employment Comission (1862), Sixth
report (1867), Seventh report of the medical officer of the Privy Council (1865) und die Berichte der Commission on the employment
of children, young persons and women in agriculture (1867);