Galvanokaustik
,
die Anwendung der durch den galvanischen Strom erzeugten Glühhitze zu chirurgischen Zwecken, eine Operationsmethode, welche Middeldorpf in Breslau [* 2] besonders ausgebildet und in die Praxis eingeführt hat. Sie beruht darauf, daß, wenn man einen dünnen Platindraht zwischen die Pole einer genügend kräftigen galvanischen Kette einschaltet, dieser beim Schließen derselben glühend wird und so lange glühend bleibt, als die Kette geschlossen ist.
Man hat verschiedene Vorrichtungen in Anwendung gebracht und mit den
Enden des Platindrahts in
Verbindung
gesetzt: kugel- oder messerförmige
Instrumente, mittels deren man die chirurgischen
Zwecke, welche man gerade im
Auge
[* 3] hatte,
erreichen wollte, je nachdem man die Glühhitze als solche statt des Glüheisens benutzen oder gleichzeitig oder vorzugsweise
trennen und schneiden wollte. Zum
Schneiden hat man ein breit geschlagenes
Stück Platindraht angewendet,
den Galvanokauter;
zum
Brennen wickelte man den Platindraht um einen kleinen Porzellankegel, sodaß dieser glühend heiß
wurde. Am meisten aber ist jetzt die von
Viktor
Bruns angegebene galvanokau
stische Schneideklinge im
Gebrauch (s. Abbildung),
welche außerordentlich schnell zum
Ziel führt und in allen
Fällen anwendbar ist, wo früher eine langsame
Abschnürung durch straff umgelegte
Fäden vorgenommen wurde.
Der Platindraht von ⅓-1
mm
Dicke wird in Form einer
Schlinge um den zu trennenden Körperteil herumgeführt und die
Schlinge
zusammengezogen, sobald die
Kette geschlossen ist, worauf der betreffende Teil mit großer Leichtigkeit
abgetrennt wird. Die
Blutung ist hierbei sehr gering, was bei Abtragungen von sehr blut- und gefäßreichen Teilen, namentlich
von krankhaften
Gewächsen etc., von besonderm Wert ist.
Ferner aber ist man vermittelst der galvanokau
stischen
Schneideschlinge
im stande, an sonst sehr schwer zugänglichen
Stellen zu operieren und die Glühhitze einwirken zu lassen,
nachdem man ganz ungehindert den noch kalten
Draht
[* 4] appliziert hat. Für die Galvanokaustik
eignen sich besonders
Operationen im
Mund, namentlich
an der
Zunge, am
Mastdarm, am männlichen
Glied
[* 5] etc.
Vgl. Middeldorpf, Die Galvanokaustik
(Bresl. 1854);
Bruns, Galvanochirurgie (Tübing. 1870);
Hedinger, Die Galvanokaustik
seit Middeldorpf (Stuttg. 1878).
In der
Technik bezeichnet man mit Galvanokaustik
oder galvanischem
Gravieren ein Ätzverfahren auf galvanischem Weg,
welches gegenüber dem gewöhnlichen
Ätzen
(s. d.) den Vorteil bietet, daß eine nur ganz schwache Ätzflüssigkeit
angewandt werden kann, wodurch ein Unterfressen der
Linien der
Zeichnung vermieden wird. Eine Metallplatte
(Kupfer,
[* 6]
Stahl) wird
mit Deckgrund überzogen, in den man die
Zeichnung radiert; man bringt sie hierauf in eine
Auflösung von
Kupfervitriol oder in stark verdünnte
Schwefelsäure
[* 7] und verbindet sie mit dem positiven
Pol einer galvanischen
Kette, was zur
raschen
Auflösung des Metalls an allen nicht bedeckten
Stellen der
Platte führt.
Durch Herausnehmen aus der Flüssigkeit überzeugt man sich von deren Wirkung und überdeckt nach und nach alle diejenigen Partien, welche nicht tiefer geätzt werden sollen, so daß man die Verteilung von Licht [* 8] und Schatten [* 9] ganz in seiner Hand [* 10] hat. Diese galvanische Ätzung wirkt fast nur nach der Tiefe, nicht seitlich; selbst ganz nahe zusammenliegende Linien fließen hierbei nicht zusammen, und da sie in beliebiger Tiefe ausgeführt zu werden vermag, so eignet sie sich namentlich zur Herstellung von Walzen, die für den Druck von Kaliko und andern Geweben, Tapetenrollen etc. bestimmt sind.
[* 1] ^[Abb.: Galvanokaustische Schneideschlinge (nach Bruns).]