Gallier
,
s. Gallien.
Gallier
3 Wörter, 21 Zeichen
Gallier,
s. Gallien.
(Gallia), das Land der Gallier, des keltischen Hauptvolkes im Altertum, umfaßte ungefähr das heutige Frankreich, Belgien, [* 3] Stücke von Holland und Deutschland [* 4] (westlich vom Rhein), den größern Teil der Schweiz [* 5] und nach römischem Sprachgebrauch seit dem 4. Jahrh. v. Chr. auch das jetzige Oberitalien [* 6] bis zum Rubico, wohin gallische Völkerschaften eingewandert waren. Letzteres wurde als Gallia cisalpina bezeichnet, zum Unterschied von dem jenseit der Alpen [* 7] gelegenen Gallia transalpina. Eine genauere Kenntnis des eigentlichen Gallien wurde zuerst durch Julius Cäsar, besonders aber seit derzeit gewonnen, als es, mit dem Römerreich eng verkettet, den Durchgang für die zahlreichen Heere bildete, welche ihren Weg nach Britannien oder dem Lande der Germanen nahmen. S. die Geschichtskarten »Germanien [* 8] etc.« und »Italien [* 9] zur Zeit des Kaisers Augustus«.
Gallia transalpina (auch Gallien ulterior, Gallien propria oder Gallien braccata wegen der weiten Hosen [* 10] und Gallien comata wegen des langen Haupthaars seiner Bewohner genannt) hatte (in dem oben bezeichneten Umfang) im W. das Mare Cantabricum (Viscayischer Meerbusen) und den Oceanus Gallicus (Atlantischer Ozean), [* 11] im S. die Pyrenäen und den Sinus Gallicus (Golfe du Lion), im O. den Fluß Varus (Var), die Alpen und den Rhein, im N. die Mündungen des letztern und das Fretum Gallicum (Kanal) [* 12] zu Grenzen. [* 13]
Die Hauptgebirge führten die Namen: Pyrenaei montes, Alpes (welche nach der noch heute gültigen Einteilung in die Alpes Maritimae, Cottiae, Grajae, Penninae zerfielen), Mons [* 14] Cebenna, Mons Jura, Mons Vosagus und Silva Arduenna. Besonders begünstigt war Gallien durch die Menge seiner schiffbaren Flüsse, [* 15] die im Altertum infolge des größern Waldreichtums weit wasserreicher waren als heutigestags. Die bemerkenswertesten sind: Aturius (Adour), Garumna (Garonne), Liger (Loire), Sequana (Seine) mit Matrona (Marne) und Isara (Oise);
ferner die Samara (Somme) und Scaldis (Schelde), der Rhenus (Rhein) mit der Mosa (Maas) und Mosella (Mosel), der Rhodanus (Rhône) mit den Nebenflüssen Arar (Saône), Dubis (Doubs) und Isara (Isère).
Der Boden des Landes war nach der Schilderung der Alten im allgemeinen sehr fruchtbar; nur der Nordosten, die Gegenden um die Schelde und Rheinmündungen, war sumpfig, der Südwesten, die Küste von Aquitanien, auch damals schon sandig und unfruchtbar. Ausgezeichnet durch seinen Fruchtreichtum war besonders der allein durch angenehmes Klima [* 16] bevorzugte Süden, wo schon früh durch Ansiedler, wie die Phokäer in Massilia, größere Kultur verbreitet worden war. Unter den Produkten des Pflanzenreichs wird außer Getreide [* 17] vorzüglich Hirse [* 18] genannt.
Weinbau ward erst seit Kaiser Probus eifriger betrieben, der Ölbaum wurde im Süden gezogen. Aus dem Tierreich waren besonders Pferde [* 19] und Hunde [* 20] berühmt. Viel Gold [* 21] und Silber wurde durch Bergbau, [* 22] vorzüglich in den Cevennen, gewonnen, ersteres auch aus dem Sande der Flüsse gewaschen; Eisen [* 23] und Blei [* 24] fanden sich in Menge, ersteres besonders im Lande der Bituriger, die sich gut auf dessen Gewinnung verstanden. Auch gab es Salinen und Gesundbrunnen, unter denen die von Aquä Sextiä (Aix) und Aquä Tarbellicä (Dax im Departement Landes) die berühmtesten waren.
Durch die Beschaffenheit des Landes und namentlich der Flüsse begünstigt, blühte der Handel. Man befuhr den Rhodanus und dessen Nebenflüsse weit hinauf und schaffte dann die Waren vom Arar zu Lande nach der Sequana, um sie auf dieser weiter nach dem Norden [* 25] zu führen. Ebenso transportierte man Waren vom Rhodanus nach dem Liger und vom Atax (Aude) bei Narbo nach der Garonne. Noch mehr wurde der Verkehr durch die von den Römern angelegten Straßen erleichtert. Es waren hauptsächlich drei Straßen, welche über die Alpen nach Oberitalien führten und so die Verbindung mit Rom [* 26] vermittelten. Die erste führte an der Küste von Ligurien hin, über Nicäa (Nizza) [* 27] nach Aquä Sextiä; die zweite, bequemere, seit Augustus hergestellt, ging von Augusta Taurinorum (Turin) [* 28] über die Kottischen Alpen nach Brigantium (Briançon); die dritte, beschwerlichere leitete von Augusta Prätoria (Aosta) über die Grajischen Alpen (Kleiner St. Bernhard) nach Lugdunum (Lyon). [* 29]
Die Bevölkerung [* 30] Galliens zerfiel in zwei große Klassen, die Ureinwohner und die später eingewanderten Kelten. Zu den erstern gehören: die Aquitanier, die den südwestlichen Teil des Landes innehatten und iberischen Stammes waren, als deren Reste die heutigen Basken anzusehen sind;
dann die gleichfalls iberischen Sardonen im heutigen Departement Ostpyrenäen;
endlich die Ligurer, die, außer in den Cevennen, von der Mündung des Rhône ostwärts an ¶
der Küste hin bis an die Grenze von Etrurien wohnten. Keltischen Stammes sind die Aremoriker, welche die Küste der Bretagne und Normandie von Brest bis Dieppe [* 32] innehatten. Hinter denselben, nach dem Innern zu, zwischen Seine und Loire, wohnten die Aulerker, welche wieder in Diablinten, Cenomanen und Eburoviker zerfielen;
am nördlichen Ufer des Liger die Namneten, die Andekaven und weiter östlich nach der Sequana hin die Karnuten;
an der Sequana selbst abwärts die Senonen, die Parisier (wo jetzt Paris), [* 33] die Vellokassen und Kaleten;
zwischen Sequana und Matrona die Trikassen und an letzterm Fluß die Melder.
Zwischen dem Liger und der Garumna hatten ihre Wohnsitze die Küstenvölker der Piktonen und Santonen, von der Küste nach dem Innern die Turonen, die Bituriger (mit dem Beinamen Cubi), die Lemoviker, die Petrokorier, die Kadurken und an der Garumna die Nitiobrigen. Südlich von der Garumna, zwischen die Aquitanier hineingeschoben, wohnten auch noch Bituriger (mit dem Beinamen Vivisci). Unter den Gebirgsvölkern der Cevennen waren am mächtigsten die Arverner; an den Abhängen jenes Gebirges wohnten noch die Rutenen, Gabaler und Vellavier. An dem Rhône breiteten sich aus, und zwar am westlichen Ufer, die Völker, welche sich in Arekomiker und Tektosagen teilten, nördlich von ihnen die Helvier; am östlichen Ufer, nördlich von der Druentia, die Kavarier.
Sehr zahlreich waren die Alpenvölker, von denen nicht immer genau zu ermitteln ist, ob sie zu den Ligurern oder Kelten gehörten. Zwischen Isara und Rhodanus saßen die Vokontier, Segovellauner und Trikastiner, zwischen Isara und Arar die mächtigen Allobrogen, nördlich vom Arar bis zu den Vogesen die Sequaner, ihnen gegenüber, auf dem rechten Rhôneufer, die Segusiaver, Äduer und Lingonen; außerdem die Aulerci Brannovices, Bojer und Ambarer. Einen Hauptteil der keltischen Bevölkerung Galliens bildeten endlich die Belgen, welche alles Land zwischen Sequana, Matrona, Rhenus und dem Fretum Gallicum innehatten. Im Gebiet der Belgen, im heutigen Elsaß und in der Rheinpfalz setzten sich aber schon frühzeitig germanische Stämme fest, so die Ubier, welche unter Augustus überrheinische Sitze von Köln [* 34] bis Zülpich hin gewannen. Auch die Bataver drangen schon zu Cäsars Zeit südlich vor, und von den Sigambrern verpflanzte Tiberius gegen 40,000 an die Mündungen des Rheins und der Maas.
Die Haupteinteilung des ganzen Gallien, die uns Cäsar gibt, zerlegt das Land in drei Teile: Aquitania, bis an die Garonne;
Celtica, bis an die Seine und Marne;
Daneben blieben die von Cäsar vorgefundenen 64 alten Völkerstämme bestehen, bis Augustus ohne Rücksicht auf Völkergrenzen vier geographisch gleichmäßigere Provinzen herstellte: Aquitania, später Vasconia (davon Gascogne) genannt, das Gebiet zwischen Pyrenäen, Atlantischem Ozean, Liger (Loire) und Cevennen;
Gallia narbonensis, das den Südosten des Landes, den größten Teil der frühern Provincia der Römer [* 35] umfaßte;
Gallia Lugdunensis, der schmale, lange Streifen zwischen Loire und Seine, und Belgica, das den Rest des Landes vom Lacus Lemanus (Genfer See) bis zum Kanal und zum Rhein in sich begriff, und wovon später Kaiser Claudius die beiden Provinzen Germania [* 36] superior und inferior, d. h. die linksrheinischen Lande am untern Lauf der Mosel und Maas, abzweigte.
Die hauptsächlichsten Städte, deren antike Namen sich vielfach erhalten haben, waren in Narbonensis: Narbo (Narbonne), Tolosa (Toulouse), [* 37] Nemausus (Nîmes), Arelate (Arles), Massilia (Marseille), [* 38] Forum [* 39] Julii (Fréjus), Nicäa (Nizza), Aquä Sextiä (Aix), Avenio (Avignon), Arausio (Orange), Brigantium (Briançon), Vienna (Vienne), Genava (Genf), [* 40] Cularo oder Gratianopolis (Grenoble), [* 41] Telo Marcius (Toulon), [* 42] Antipolis (Antibes); in Aquitania: Lapurdum (Bayonne), Burdigala (Bordeaux), [* 43] Aquä Tarbellicä (Dax), Elimberris (Auch), Divona (Cahors), Segodunum, Hauptstadt der Rutenier (Rodez), Vesunna, Hauptstadt der Petrokorier (Périgueux), Mediolanum, Stadt der Santonen (Saintes), Augustoritum der Lemovices (Limoges), Avaricum der Bituriges (Bourges), Augustonemetum (Clermont-Ferrand), Limonum Pictavorum (Poitiers). In Belgica lagen Aventicum (Avenches), Augusta Rauracorum (Augst bei Basel), [* 44] Vesontio (Besançon), [* 45] Argentoratum (Straßburg), [* 46] Tullum (Toul), [* 47] Divodurum (Metz), [* 48] Durocortorum (Reims), [* 49] Noviodunum, später Augusta Suessionum (Soissons), Noviomagus (Speier), [* 50] Magontiacum (Mainz), [* 51] Augusta Trevirorum (Trier), [* 52] Confluentes (Koblenz), [* 53] Colonia Agrippina (Köln), Noviomagus (Nimwegen), [* 54] Lugdunum Batavorum (Leiden), [* 55] Aduatuca Tongrorum (Tongern), Samarobriva (Amiens). [* 56]
Cäsaromagus der Bellovaker (Beauvais), Catalauni (Châlons an der Marne), Virodunum (Verdun). [* 57] Lugdunensis umfaßte Lugdunum (Lyon), Matisco (Mâcon), Bibracte oder Augustodunum (Autun), Alesia (Alise Ste.-Reine), Cäsarodunum (Tours), [* 58] Autessiodorum (Auxerre), Brivodurum (Briare), Agedincum (Sens), Augustobona der Trikasser (Troyes), Melodunum (Melun), Jatinum (Meaux), Lutetia Parisiorum (Paris), Cenabum Aureliani (Orleans), Juliomagus (Angers), Rotomagus (Rouen), [* 59] Mediolanum der Aulerci-Eburovices (Evreux).
Das von Italien aus diesseit der Alpen liegende Gallien (Gallia cisalpina, auch Gallien citerior genannt oder Gallien togata, weil man hier die römische Toga [* 60] als Kleidung trug) erstreckte sich über den Teil von Oberitalien, welcher nördlich von Ancona [* 61] und den Apenninen bis an den Unterlauf des Po, die Etsch, den Fuß der Alpen und gegen W. wenig über den Ticinus hinüber bis Novaria reichte. Vom Padus (Po), dem Hauptfluß des Landes, führte es auch den Namen Gallia circumpadana, und ebendaher rührt die Einteilung in Gallia cispadana, das diesseit, d. h. südlich vom Po, und Gallia transpadana, das nördlich vom Po liegende Gallien. Als Nebenflüsse des Po sind zu nennen: der Ticinus (Tessino), welcher den Lacus Verbanus (Lago Maggiore) durchfließt, die Addua (Adda), die den Lacus Larius (Lago di Como), der Ollius (Oglio), aus dem Lacus Sebinus (Lago d'Iseo) kommend, und der Mincius (Mincio) aus dem Lacus Benacus (Lago di Garda);
ferner die Trebia (Trebbia) und der Renus (Reno).
Nicht zum Gebiet des Po gehört der Athesis (Etsch), der zum Teil die Grenze gegen das Gebiet der Veneter bildete. Der Boden war schon frühzeitig, wie noch jetzt, wegen seiner Fruchtbarkeit berühmt. Wein gab es schon damals in großer Menge; die Viehweiden und Wälder nährten große Herden von Schafen und Schweinen. Die Moräste südlich vom untern Lauf des Padus suchte man unter der Herrschaft der Römer (seit 187 v. Chr.) durch schiffbare Kanäle zu entwässern. Die Trefflichkeit des Landes war die Ursache, daß es mehrfache Eroberungen und Veränderungen in der Bevölkerung erfahren mußte, die ¶
natürlich jedesmal ihre eigentümlichen Spuren zurückließen. Über die Besitznahme durch die aus den Alpen kommenden Rätier s. Etrurien. Die keltische Ansiedelung ging so vor sich, daß die ersten Ankömmlinge das Land am Fuß der Alpen besetzten und die spätern das schon eroberte Land durchzogen und sich weiterhin ansiedelten. So wohnten gleich östlich vom Ticinus die ältesten Einwanderer, die Insubrer, mit der Hauptstadt Mediolanum (Mailand). [* 63] Von den zusammenhängenden Sitzen der Kelten in Gallien, welche nur im obern Thal [* 64] der Duria (Dora Riparia) den Hauptkamm der Alpen gegen O. überschritten, waren sie durch die wahrscheinlich ligurischen Salassier (um das heutige Aosta) und die rätischen Leponter getrennt.
Östlich von den Insubrern bis zur Etsch hin saßen die ebenfalls mächtigen und zahlreichen Cenomanen, welche sich aus Haß gegen die Insubrer früh den Römern unterwarfen und Verona [* 65] zu ihrer Hauptstadt hatten. In Gallia cispadana war die wichtigste Völkerschaft die der Bojer, die einen großen Teil des Landes zwischen Padus und den Apenninen ausfüllten und den übrigen Kelten an Kultur vorangeschritten waren. Ebenfalls bedeutend war das Volk der Senonen, welches zuletzt in diese Gegenden eingewandert war und daher seine Wohnsitze am weitesten südlich nach Umbrien hinein bis an den Fluß Äsis (Esino) hatte nehmen müssen.
Nördlich von letztern nach den Pomündungen zu waren die Sitze der Lingonen. Die bedeutendsten Städte in Transpadana sind: Augusta Taurinorum (Turin), Eporedia (Ivrea), Augusta Prätoria (Aosta), Vercellä (Vercelli), Comum (Como), Mediolanum (Mailand), Brixia (Brescia), Cremona, Mantua, [* 66] Verona;
in Cispadana: Placentia (Piacenza), Parma, [* 67] Mutina (Modena), Bononia (Bologna), Forum Popilii (Forlimpopoli), Ferraria (Ferrara), [* 68] Clastidium (Casteggio), Faventia (Faenza).
Mehrere von den Römern angelegte Straßen beförderten die Verbindung sowohl der bedeutenden Städte untereinander als mit der Hauptstadt. Die Via Ämilia führte von Ariminum, wo sie sich an die nach Rom führende Via Flaminia anschloß, in gerader Linie den Fuß der Apenninen entlang nach Placentia am Po, welcher von da an schiffbar wurde; eine andre Straße führte nach Placentia südwestlich über Dertona und die Apenninen nach Ligurien und Gallia transalpina. Die politische Existenz von Gallia cisalpina reicht, genau genommen, nur bis in die Zeit des Augustus, indem damals dieses Land aufhörte, als römische Provinz angesehen zu werden, und von nun an zu Italien selbst gerechnet wurde. Als Augustus das ganze Italien der bessern Verwaltung halber in elf Regionen teilte, kamen auf Gallia cisalpina drei, die achte, zehnte, welche außerdem Venetien umfaßte, und die elfte Region.
Die alte Verfassung Galliens war eine aristokratische. Das ganze Volk zerfiel in eine große Menge kleinerer und größerer Völkerschaften, Gaue oder Clane. An der Spitze standen Häuptlinge, die durch Wahl aus dem Adel hervorgingen und daher auch von diesem sehr abhängig waren. Durch Zeitverhältnisse und hervorragende Eigenschaften gelangten zuweilen einzelne Häuptlinge zu größerm Ansehen und ausgedehnterer Macht; aber es fehlte ihnen die Erblichkeit ihrer Würde, und außerdem wurden sie durch den Einfluß der im ganzen auch in politischer Beziehung äußerst mächtigen Priesterkaste der Druiden (s. d.) außerordentlich beschränkt.
Zuweilen, bei wichtigen Veranlassungen, wurden allgemeine Versammlungen vieler Völkerschaften abgehalten, wobei Stimmenmehrheit entschied. Wichtig war ferner, daß immer einzelne Völkerschaften, wie die Bituriger, Allobroger, Arverner, Äduer, überwiegende Macht und Ansehen unter den übrigen behaupteten, und daß sich dann kleinere Staaten oft in ein Schutzverhältnis, eine Art Klientel, zu den größern begaben. Bedenkt man jedoch den Stolz des Adels, welcher mit großer Eifersucht über seine Unabhängigkeit wachte, und die Unterdrückung des Volkes selbst, welches ohne alle politische Bedeutung war, so ergibt sich leicht, warum es zu einem einigen und energischen Handeln aller Staaten und des gesamten Volkes den Römern gegenüber nicht kommen konnte und trotz des kriegerischen Grundcharakters des Volkes die Unterjochung verhältnismäßig leicht war.
Die Gallier kämpften sowohl zu Fuß als zu Pferd, [* 69] auch von Streitwagen. [* 70] Auf Prunk und Waffen [* 71] hielten sie sehr viel. Die Panzer waren von Bronze [* 72] und oft vergoldet. Die ältesten Schwerter [* 73] waren von Kupfer, [* 74] sehr lang und ließen sich bloß zum Hieb [* 75] gebrauchen; später hatte man auch das stählerne Schwert. Die älteste Nationalwaffe war der Celt, [* 76] eine eherne lanzenförmige Spitze von 7-14 cm Länge, der an einem etwa 1 m langen Schaft befestigt war. Andre Waffen waren der Wurfspieß (gaesa), der Bogen [* 77] und die Schleuder. [* 78]
Die Schilde waren klein und deckten nicht den ganzen Mann. Oft rückten die Tapfersten ohne Panzer, bis auf den Nabel entblößt, in das Treffen, um dadurch ihren Mut zu zeigen. Am gefährlichsten war gewöhnlich der erste Anprall der Gallier, dagegen ließen sie nachhaltige Ausdauer vermissen. Im Rücken der Schlachtreihe befand sich, wenn ein ganzer Stamm auf dem Zug begriffen war, die Wagenburg, auf welcher Weiber und Kinder den Ausgang des Kampfes erwarteten. In Bezug auf die Kriegskunst zeigten sich die Gallier als gelehrige Schüler der Römer.
Eigentliche Festungen hatten sie nicht, sondern nur Verschanzungen, die meist an schwer zugänglichen Orten angelegt waren. Solche nur für den Krieg bestimmte Befestigungen mit Mauern aus Balken, nicht eigentliche Städte, waren z. B. die durch ihre Belagerung berühmten Gergovia und Alesia. Gegen die Besiegten war der Gallier grausam, und oft wurden die Gefangenen den Göttern geopfert. Die bedeutende Zahl der Bevölkerung läßt sich daraus schließen, daß zur Zeit Cäsars mindestens 300,000 waffenfähige Männer unter ihnen waren.
Die Gallier waren von Gestalt groß, von weißer Farbe und blondem oder rötlichem Haar, [* 79] welches sie lang nach dem Hinterkopf zurückgestrichen trugen. Die Weiber waren besonders schön und standen in großer Achtung, obwohl der Mann die Frau ungestraft töten konnte. Die Kinder suchte man abzuhärten. Der Sohn durfte, bevor er wehrfähig war, nicht öffentlich an der Seite des Vaters erscheinen. Das eigentümliche Kleidungsstück der Gallier waren die schon erwähnten Hosen (braccae); außerdem trugen sie langärmelige Jacken und kurze Flausmäntel, alles aus Schafwolle. Im allgemeinen liebten sie Schmuck und Putz von goldenen Ketten, Ringen und Bändern (s. Tafel »Ornamente [* 80] II«, [* 81] Fig. 16, 17). Die Wohnungen, runde Häuser aus Fachwerk [* 82] und mit spitzen Dächern, und das Hausgerät waren einfach; meist schlief man auf der Erde. Die Nahrung bestand hauptsächlich aus Fleisch und Milch, weniger aus Brot. [* 83] Ihrem Charakter nach waren die Gallier stolz, reizbar, veränderlich und unzuverlässig, nach Neuigkeiten und Neuerungen begierig, aber ritterlich, kampfesmutig und kriegstüchtig, wie selbst ihr Feind Cato zugeben muß. Dagegen waren sie uneinig, ohne Gemeinsinn und ¶