Galle
(Bilis,
Fel), eigentümliche tierische
Flüssigkeit, das Absonderungsprodukt der
Leber, aus welcher sie teils direkt
in den
Zwölffingerdarm abfließt, teils in die
Gallenblase (s. d.) übergeht, um von hier aus in den
Darm
[* 2] zu gelangen.
Normale
Galle
ist vollkommen flüssig und
frei von geformten Beimengungen.
Frische Galle
reagiert neutral oder schwach
alkalisch; letztere
Reaktion scheint von dem ihr reichlich beigemengten
Schleim herzurühren, welcher von den in der
Wand der
größern
Gallengänge gelegenen
Schleimdrüsen abgesondert wird.
Stetig abfließende Galle
ist dünnflüssig; ist ihr Abfluß gehindert, so wird sie durch Wasserresorption dickflüssiger
und zugleich reicher an
Schleim. Ihr
spezifisches Gewicht schwankt zwischen 1,026 und 1,032. Die
Farbe der in der
Gallenblase
ist gelb, grün, braun bis schwarzbraun. An der
Luft färbt sich die Galle
grün, welche
Farbe der Galle
der
Vögel
[* 3] und Pflanzenfresser
schon während des
Lebens eigentümlich ist. Die charakteristischen
Bestandteile der Galle
sind die
Gallensäuren
und die Galle
nfarbstoffe.
Die Gallensäuren, nämlich die Glykocholsäure und die Taurocholsäure, sind sogen. gepaarte Säuren; beide sind stickstoffhaltig und die Taurocholsäure (Choleinsäure) wegen ihres Gehalts an Taurin außerdem reich an Schwefel (3,21 Proz.). Diese Säuren sind in der an Natron gebunden. Die Glykocholsäure kommt besonders in der Galle der Pflanzenfresser vor. Sie geht aus einer Paarung des Glykokolls mit der Cholalsäure hervor und steht in ihrer Konstitution, wie übrigens auch die Taurocholsäure, der Hippursäure nahe.
Wird sie mit Salzsäure gekocht, so zerfällt sie in Glykokoll und Cholalsäure. Die Taurocholsäure wird sehr leicht in Taurin und Cholalsäure zerlegt. Die Gallensäuren sind die Ursache des bittern Geschmacks der Galle Hyocholsäure stellt einen der Cholalsäure sehr nahestehenden Körper dar, der in Paarung mit Glykokoll sowohl als mit Taurin in der Galle des Schweins angetroffen wird. Die Galle der meisten Wirbeltiere enthält zwei Farbstoffe, von denen der eine, das Biliverdin, durch Einwirkung des Sauerstoffs aus dem andern, dem Bilirubin, dargestellt werden kann.
Von sonstigen Bestandteilen der Galle sind neben dem Wasser (ca. 90 Proz.) zu nennen: Mucin, Fette, Cholesterin, Lecithin, Cholin, Glycerinphosphorsäure, außerdem eine nicht unerhebliche Menge von Salzen, unter denen das Eisen [* 4] eine besondere Wichtigkeit hat. Die Absonderung der in der Leber erfolgt stetig, unter sehr geringem Druck und wird durch anhaltendes Hungern wohl verringert, nicht aber unterdrückt. Die Galle wird gebildet durch die Thätigkeit der Leberzellen, und das Material, aus welchem sie bereitet wird, ist hauptsächlich das Blut, welches durch die Pfortader in die Leber einströmt, also das aus dem Magen, [* 5] dem Darmkanal und der Milz stammende Venenblut.
Die spezifischen Bestandteile der Galle sind nicht als solche im Blut enthalten, sondern sie werden durch die Thätigkeit der Leberzellen in diesen letztern erst gebildet, indem die Leberzellen aus dem Pfortaderblut gewisse Bestandteile in sich aufnehmen, chemisch umwandeln und schließlich an die Gallenwege abgeben. Leber sowohl als Lebervenenblut besitzen eine sehr hohe Temperatur, ein Beweis, daß in der Leber lebhafte Oxydationsprozesse verlaufen. Der Gallenfarbstoff bildet sich höchst wahrscheinlich durch die vermittelnde Thätigkeit der Leberzellen aus dem Farbstoff der roten Blutkörperchen [* 6] heraus.
Die Gallenbildung in der Leber ist zwar stetig, aber in Bezug auf ihre festen Bestandteile am reichlichsten, wenn die Verdauung der Eiweißkörper auf ihrer Höhe angekommen ist, also etwa 3-8 Stunden nach einer Mahlzeit. Versuche haben ergeben, daß die Menge der abgesonderten Galle wächst mit der Menge von Eiweißstoffen, welche in der Nahrung gegeben wird, während reine Fettkost die Gallenmenge herabsetzt. Die Größe des in einer gewissen Zeit abgesonderten Gallenvolumens ist abhängig von der Flüssigkeits- oder Blutmenge, welche in dieser Zeit durch die Blutgefäße der Leber strömt.
Eine blutarme Leber sondert wenig, eine blutreiche Leber viel ab. Die Menge Galle, welche ein erwachsener Mensch durchschnittlich in 24 Stunden absondert, scheint nach neuern Beobachtungen etwa 550-650 g zu betragen, welchen etwa 20 g feste Bestandteile (darunter 54 Proz. Gallensäuren) entsprechen. Die physiologische Bedeutung der Galle bezieht sich vorzugsweise auf die Resorption der Fette im Darm. Eine chemische Einwirkung übt die Galle auf neutrale Fette nicht aus; dagegen vermag sie die im Darm vorhandene Fettsäure, indem sie dieselbe an ihre Alkalien bindet, zu verseifen.
Freilich wird auf diese Weise kein großer Effekt erzielt, weil nur verhältnismäßig wenig Fettsäuren, welche aus der Fettzerlegung durch den Bauchspeichel hervorgehen, im Darm vorhanden sind. Die Wirkung der Galle bei der Fettresorption ist vielmehr eine vorwiegend mechanische. Die hat die höchst wichtige Eigenschaft, daß sie sich mit Fett sowohl als mit Wasser zu mischen vermag. Indem nun die in den Darm ergossene in die Schleimhaut des Darms eingesaugt wird und die feinen Öffnungen und Poren der Darmzotten erfüllt, macht sie den im Chymus suspendierten Fetten den Übergang in die Darmzotten möglich. Das Fett kann eben nicht durch die Poren der Zellenwände hindurchgehen, welche mit Wasser durchtränkt sind, weil sich Fett und Wasser nicht mischen können. Wenn aber die Poren der Zellenwände an Stelle des Wassers mit Galle erfüllt sind, so kann das Fett, indem es sich mit der Galle mischt, durch die Zellenwände hindurchdringen. Man kann diesen Vorgang erläutern durch zwei Papierfilter, von denen ¶
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man das eine mit Wasser, das andre mit Galle tränkt; das erstere ist für Öl ganz undurchgängig, während das zweite dem Öl den Durchtritt gestattet. Ebenso erleichtert die Galle den Durchgang von Fetten durch kapillare Röhren. [* 8] Die Galle macht also die Fettresorption mechanisch überhaupt erst möglich. Die Kotmassen erhalten von dem Gallenfarbstoff ihre braune Farbe, auch verhindert die Galle die faulige Zersetzung der Kotmassen im Darm. Tiere, welchen man eine Gallenfistel anlegt, durch welche die Galle nach außen abfließt, so daß in den Darm wenig oder gar keine Galle gelangt, zeigen sich außerordentlich gefräßig und magern trotz massenhafter Nahrungsaufnahme sehr stark ab. Dies rührt davon her, daß, wenn keine Galle im Darm vorhanden ist, auch kein Fett aus der Nahrung resorbiert werden kann.
Solche Tiere sind daher ausschließlich auf die Eiweißstoffe und Kohlehydrate ihrer Nahrung angewiesen, das Fett derselben ist dagegen für sie verloren. Ist der Abfluß der Galle aus der Leber in den Darm durch mechanische Momente gehindert, so geht die in das Blut über, und es entsteht Gelbsucht (s. d.). Beim Erbrechen tritt durch die antiperistaltische Bewegung des Darmkanals häufig in den Magen über und wird als grünliche, bitter schmeckende Masse mit ausgebrochen.
Für die technische Benutzung muß die um sie vor Fäulnis zu schützen, so schnell wie möglich von Schleim befreit werden. Man vermischt ganz frische Galle mit dem doppelten Gewicht Alkohol, filtriert von dem abgeschiedenen Schleim und dampft auf dem Wasserbad ein. Um die Galle zu entfärben, löst man den Rückstand wieder in konzentriertem Alkohol, schüttelt mit Tierkohle, filtriert nach einigen Stunden und dampft ein. Der Rückstand ist weiß, läßt sich ohne Zersetzung aufbewahren und wie frische Galle benutzen.
Billiger reinigt man Galle, wenn man sie (Ochsengalle) 12-14 Stunden in einem mehr hohen als weiten Gefäß [* 9] ruhig stehen läßt, die klare Flüssigkeit vom Bodensatz abgießt und auf dem Wasserbad bei mittlerer Temperatur abdampft. Mischt man die mit Alkohol gereinigte Galle mit Äther, bis der entstehende Niederschlag sich nicht mehr löst, so scheidet sich in einer verschlossenen Flasche [* 10] reichlich glykocholsaures Natron aus, welches als kristallisierte in den Handel kommt.
Die frische Galle dient zum Reinigen von Geweben und zum Fleckenausmachen, gereinigte Galle zum Überziehen von Zeichnungen, um das Verwischen zu verhindern, sowie zur Darstellung der Tusche aus Lampenschwarz und zum Anreiben feiner Wasserfarben. Die damit bereiteten Farben haften gut auf dem Papier, breiten sich schön und gleichmäßig aus, trocknen schnell und zeigen keinen störenden Glanz. Reibt man Elfenbein mit ab, so haften nachher die Farben ebensogut darauf wie auf Papier, und von dieser Eigenschaft macht man in der Miniaturmalerei vielfach Anwendung; ebenso benutzt man die um auf geöltes oder gefirnißtes Papier, welches zu Transparentbildern benutzt werden soll, malen zu können. Gallenseife erhält man durch Zusammenschmelzen von 8 Teilen eingetrockneter Ochsengalle, 60 Teilen Seife, 12 Teilen Zucker, [* 11] 4 Teilen Honig, 4 Teilen venezianischem Terpentin, 2 Teilen Ammoniakflüssigkeit.