Gäa
(Ge), in der griech. Mythologie die Göttin der Erde, wird schon bei Homer öfters erwähnt, wo sie die Beinamen: die »Frucht- und Lebenspenderin«, die »Herrliche« hat. Man opfert ihr weibliche schwarze Lämmer und ruft sie neben Zeus, [* 2] Helios, [* 3] Himmel [* 4] und Unterwelt bei Eidschwüren an. Die zeugungskräftige uralte Göttin spielt in den Theogonien eine bedeutende Rolle und ist Mutter einer zahlreichen Nachkommenschaft; besonders stammen von ihr finstere und furchtbare Wesen und gewaltige Riesen.
Nach Hesiod entstand sie nach dem
Chaos und erzeugte aus sich selbst den
Uranos, dann die
Gebirge und den
Pontos. Aus ihrer Vermählung
mit
Uranos gingen die
Titanen,
Kyklopen
[* 5] und
Hekatoncheiren hervor; aus dem
Blute des verstümmelten
Uranos (s. d.), welches
sie auffing, gebar sie die
Erinnyen,
[* 6] die
Giganten und die melischen
Nymphen; mit
Pontos zeugte
sie den
Nereus,
Thaumas und
Phorkys,
die
Keto und Eurybia.
Andre Schriftsteller bezeichnen noch als
Kinder der Gäa
die sogen.
Autochthonen, wie
Kekrops,
[* 7]
Erechtheus,
ferner den
Antäos, den
Drachen
Python zu
Delphi, den
Typhon etc. Wie aus Gäas
Schoß die
Dünste emporstiegen,
welche zu
Delphi die weissagende Priesterin begeisterten, so wurde auch ihr selbst die
Gabe der
Weissagung beigelegt. In ihrem
Besitz war zuerst das delphische
Orakel, und bei Hesiod weissagt sie dem
Kronos, daß er von einem seiner
Söhne werde bezwungen
werden.
Heiligtümer hatte Gäa
zu
Athen,
[* 8]
Sparta,
Delphi,
Olympia etc. Bei
Zauberei, Schatzgraben u. dgl. rief man die
in
Gemeinschaft mit den unterirdischen
Gottheiten an, denn naturgemäß ist auch eine
Göttin des
Todes und der
Unterwelt, welche
in ihrem
Schoß die
Gräber birgt und alle Geschöpfe wieder zurückfordert. Sie galt aber auch, da sie
die alles Erzeugende und Ernährende und das erste gebärende
Weib ist, für eine
Göttin der
Ehe und wurde als solche zugleich
mit der
Kybele,
[* 9]
Hestia
[* 10] und
Demeter
[* 11] angerufen.
Die der Gäa
entsprechende
Gottheit der
Römer
[* 12] ist
Tellus (s. d.). Dargestellt wurde in der griechischen
Kunst meist mit
matronalen
Formen, voll bekleidet, mit wallendem
Haar,
[* 13] bis zur Mitte des Leibes aus der
Erde hervorragend, so auch in dem großen
Altarfries von
Pergamon
[* 14] (in
Berlin,
[* 15] vgl. Tafel
»Bildhauerkunst
[* 16] III«,
[* 17] Fig. 9), wo sie überdies ein mit
Früchten gefülltes
Füllhorn
trägt. Die spätere
Kunst bildete sie auf der
Erde gelagert, mit
Füllhorn, wohl auch an die
Erdkugel gelehnt.
Statuarische Werke sind nicht erhalten.
Vgl. Stark, De Tellure dea (Jena [* 18] 1848);
Welcker, Griechische Götterlehre, Bd. 1, S. 320-328.