Frutigen.
Amtsbezirk des Kantons Bern.
Umfasst die Gemeinden
Adelboden,
Aeschi, Frutigen
,
Kandergrund,
Krattigen und
Reichenbach. Fläche 47812 ha.
Amtshauptort Frutigen.
Liegt im
Berner Oberland und bildet ein ziemlich regelmässiges Dreieck, dessen 34 km lange Grundlinie
dem
Kamm der Berneralpen vom
Tschingelhorn (3581 m) bis zum
Wildstrubel (3253 m) folgt, während die ebenfalls
an Gebirgskämme
(Niesen und
Gspaltenhorn-Morgenhorn) gebundenen Schenkel sich nach N. zu am
Thunersee zur
Spitze vereinigen.
Die Grundlinie des Dreiecks bildet die Grenze gegen den Kanton Wallis,
die sich über das
Hockenhorn (3297 m),
Balmhorn (3711 m), die
Altels
(3636 m), das
Steghorn (3152 m) und den
Wildstrubel (3251 m) zieht und im Allgemeinen den Kammlinien folgt.
Einzig an der
Gemmi greift der Kanton Wallis
nach N. über. Die beiden Schenkel des Dreieckes grenzen den Amtsbezirk Frutigen
von den
Amtsbezirken Ober und Nieder
Simmenthal im W. und Interlaken
im O. ab. Den 38 km langen W.-Schenkel bildet die Kette
des
Niesen mit den Einzelgipfeln Albrist (2764 m),
Gsür (2711 m),
Wannenspitz (2438 m),
Winterhorn (2609 m),
Ladholzhorn (2497
m),
Hohniesen (2456 m),
Tschiparellenhorn (2399 m),
Drunengalm (2410 m) und
Niesen (2366 m). Der 25 km lange O.-Schenkel beginnt
am
Tschingelhorn, geht über die
Gamchilücke (2833 m),
Gspaltenhorn (3437 m),
Büttlassen (3197 m), Grosshundshorn
(2932 m),
Schwalmeren (2785 m) und
Morgenberghorn (2251 m), um dann zum
Thunersee abzusteigen und ihm längs der
Krattighalde
auf eine Strecke von 1,9 km zu folgen.
Der höchste Punkt des Amtsbezirkes ist das
Balmhorn (3711 m), der tiefste die Uferlinie bei
Krattigen
(560 m). Der Amtsbezirk umfasst beinahe das ganze Einzugsgebiet der
Kander, mit Ausnahme von deren Unterlauf (in den auch
die
Simme, ihr grösster Zufluss, einmündet). Es deckt sich somit der Amtsbezirk Frutigen
mit dem Thal der
Kander und seinen
Verästelungen. Der oberste, zwischen der Gruppe des
Doldenhorns und dem
Lötschenthal tief eingesenkte
Abschnitt des
Thales heisst
Gasterenthal, der Teil von der
Kluse oberhalb
Kandersteg bis zur
Tellenburg bei Frutigen
Kanderthal
im engeren Sinne, der Abschnitt Frutigen
-Mühlenen
Frutigthal und endlich das Stück am N.-Fuss des
Niesen
Emdthal.
Die nennenswertesten Seitenarme sind das der Gemmisenke parallel ziehende Ueschinenthal; das von Osten beim Dorfe Kandersteg einmündende Thal des Oeschinensees; das durch die Kette des Lohner vom eigentlichen Kanderthal getrennte Engstligenthal (die direkte s. Fortsetzung des Frutigthales), das bis zum Thalzirkus von Adelboden hinaufzieht, wo sich die Thalfurchen der Engstligenalp, des Geilsbaches, Allenbaches, Bonderlenbaches und Tschentenbaches mit ihm vereinigen; das bei Reichenbach ausmündende Kienthal mit dem Seitenarm des Spiggengrundes und endlich das 2,5 km tiefer unten bei Mühlenen sich mit dem Frutigthal vereinigende Suldthal. Die 47812 ha des Amtsbezirkes verteilen sich wie folgt:
ha | |
---|---|
Aecker, Wiesen und Gärten | 9994 |
Alpweiden | 17200 |
Waldungen | 3935 |
Produktiver Boden: | 31129 |
Gletscher und Firn | 4520 |
Seen | 292 |
Fels, Bäche, Strassen etc. | 11871 |
Unproduktiver Boden: | 16683 |
Es umfasst somit der produktive Boden 65,1% der Gesamtfläche.
Die Alpweiden können zusammen mit 11900 Kühen befahren werden. Die Viehstatistik ergibt folgende Zahlen:
1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|
Hornvieh | 9780 | 9584 | 9746 |
Pferde | 139 | 162 | 214 |
Schweine | 1853 | 2443 | 2273 |
Schafe | 4806 | 2955 | 1815 |
Ziegen | 6850 | 6614 | 4858 |
Bienenstöcke | 660 | 840 | 859 |
Hauptbeschäftigung der Bewohner ist Viehzucht und Landwirtschaft. Schieferbrüche im
Engstligenthal. Der Amtsbezirk hat 10 Zündholzfabriken
(6 in Frutigen
und je 2 in
Kandergrund und
Reichenbach). Die ehemals im
¶
mehr
Gebrauche stehenden Phosphorzündhölzchen werden nicht mehr hergestellt, die gegenwärtig fabrizierten bieten weniger Gefahr in sanitarischer Hinsicht. Herstellung von Zündholzschachteln. Seidenweberei. Seit einigen Jahren hat sich die Fremdenindustrie stark entwickelt, deren hauptsächlichsten Mittelpunkte heute Aeschi, Bad Heustrich, das Kienthal, Adelboden und Kandersteg sind. Häufigen Besuch von Touristen erhalten Niesen, Blauseeli, Oeschinensee, Engstligenalp und Gemmi. Der Amtsbezirk zählt 11166 Ew. mit 2452 Haushaltungen in 2082 Häusern; 10695 Reformierte und 188 Katholiken; 10714 Ew. deutscher und 22 französischer Zunge.
Klima und Vegetation bieten grosse Verschiedenheiten. Während z. B. bei Krattigen am Ufer des Thunersees Weizen, Obst- und Nussbäume und im Frutigthal alle auch sonst im Kanton Bern verbreiteten Kulturen gedeihen, trifft man um Adelboden und Kandersteg neben den Bergwiesen und Alpweiden nur noch die Kartoffel und einige Kohlarten. An den Thalgehängen stocken ausgedehnte Tannenwälder, auf die nach oben Alpweiden und Schutthalden folgen. Den Thalabschluss endlich bilden grosse Gletscher und Firnfelder: Strubelgletscher im Engstligenthal, Kandergletscher im Gasterenthal, Blümlisalpgletscher im Oeschinenthal und Gamchigletscher im Kienthal. Die Gipfel dieses grossartigen Hochalpengebietes, zählen zu den besuchtesten des Berner Oberlandes; auch die höchsten, wie Balmhorn, Altels, Wildstrubel, Doldenhorn und einige Spitzen des Blümlisalpstockes, können bei ordentlichem Wetter ohne besondere Schwierigkeiten bestiegen werden. Schutzhütten am Hohtürlipass über dem Oeschinensee, am Biberg über Kandersteg und am Wildelsigen im Gasterenthal.
Der Amtsbezirk Frutigen
wird an seiner schmalsten Stelle, der Krattighalde, von der Bahnlinie Thun-Interlaken durchzogen, deren
Bau hier wegen der geologischen Beschaffenheit des Bodens auf grosse Schwierigkeiten gestossen ist. Seit dem Sommer 1901 ist
auch der übrige Abschnitt des Bezirkes mit der Strecke Frutigen
-Spiez der Thunerseebahn an das Netz
der Berner Eisenbahnen angeschlossen. Dieser erste Teil der künftigen Lötschbergbahn ist 13,7 km lang, hat normale Spurweite
und im Maximum 1,55% Steigung; bemerkenswert sind der Hondrichtunnel und die Strecke von da bis nahe Mühlenen, wo der
Bahnkörper
dem einstigen Kanderbett folgt.
Zur Sicherung der Bahnanlage hat man die Kander an zwei Stellen korrigieren und 5 weitere Wildbäche verbauen
müssen. Von der linksufrigen Thunerseestrasse zweigt bei Spiezmoos eine gute Strasse ab, die längs der Kander über Emdthal,
Mühlenen, Reichenbach und Frutigen
führt und nach starker Steigung bei Kandersteg endigt. Hier schliesst sich an
sie der gute Saumweg über die Gemmi an. Die schöne Strasse Frutigen
-Adelboden geht zweimal über das Engstligenwasser und
ferner über die diesem zufliessenden 20 Wildbäche; die Stegmattbrücke spannt sich 51 m hoch über dem Flussbett.
Von Passübergängen sind ausser der stark begangenen Gemmi und einigen Gletscherpässen zu nennen Otterengrat (2282
m; Frutigen
-Diemtigenthal), Hahnenmoos (1954 m; Adelboden-Lenk), Bonderkrinde (2387 m; Adelboden-Kandersteg), Engstligengrat (2619
m; Engstligenalp-Gemmi), Lötschenpass (2695 m; Gasteren-Lötschenthal), Hohtürli (2707 m; Oeschinensee-Kienthal), Sefinenfurgge
(2614 m; Kienthal-Lauterbrunnen), Sausgrat (2457 m; Kienthal-Lauterbrunnen) und Tanzbödelipass (1880 m; Aeschi-Interlaken).