Frucht
(lat. Fructus), bei den Pflanzen jedes Organ, welches unmittelbar oder mittelbar der Fortpflanzung dient, indem es selbst der Keim für ein neues Individuum ist oder einen solchen in sich schließt, oder aber einen besondern Behälter oder Träger [* 3] darstellt, in oder auf welchem die Ausbildung der Keime stattfindet. Im engern Sinn gebraucht die Botanik diesen Ausdruck nur bei den Phanerogamen und bedient sich für jenen weitern Begriff lieber der allgemeinen Bezeichnung Fruktifikationsorgane.
Bei den
Phanerogamen bedeutet Frucht
denjenigen nach stattgefundener
Befruchtung
[* 4] weiter ausgebildeten Teil
der
Blüte,
[* 5] in welchem die
Samen
[* 6] unmittelbar eingeschlossen sind, also das vergrößerte und ausgebildete
Ovarium (s.
Blüte,
S. 68). Besitzt die
Blüte nur einen einzigen
Fruchtknoten, so geht aus ihr auch nur eine einzige Frucht
hervor. Sind aber ihre
Karpelle zu mehreren einblätterigen
Pistillen ausgebildet (s.
Blüte, S. 67), so wird aus jedem derselben
eine Frucht.
Hiervon zu unterscheiden ist das
Verhältnis, wo der einzige
Fruchtknoten einer
Blüte bei der
Reife in mehrere samenbergende
Teile zerfällt, deren jeder für sich geschlossen bleibt und gleichsam eine besondere Frucht
darstellt.
Solche
Früchte heißen
Spaltfrüchte (schizocarpia) und die Teile, in die sie zerfallen,
Teilfrüchtchen
(mericarpia). Bei den
Umbelliferen
[* 7] bleibt ein mittlerer Teil der Frucht
zwischen den beiden
Teilfrüchtchen stehen in Form eines
nach
oben gabelig gespaltenen, stielförmigen
Körpers, des sogen.
Fruchtträgers (carpophorum), an dessen beiden Gabelenden
die
Teilfrüchtchen aufgehängt sind. Diese
Früchte der
Umbelliferen werden Doppelachenien (diachenia)
genannt.
Bei andern
Spaltfrüchten stehen die Merikarpien in keiner Beziehung zu den
Fächern des
Fruchtknotens; letzterer, dann gewöhnlich
von vorwiegender Längenausdehnung, zerfällt durch quer gehende
Spaltung in eine
Reihe übereinander stehender
Glieder
[* 8] und
wird dann als Gliederfrucht
,
Gliederhülse oder Gliedernuß (lomentum) bezeichnet. Allgemein sind die
Teilfrüchtchen einsamig
und als
Nüsse (s. unten) ausgebildet; sie fallen gesondert ab. Wird der
Fruchtknoten zu einer einfachen Frucht, so finden wir
in der letztern im allgemeinen ebensoviel
Fächer,
[* 9] als jener besaß, so daß ein und mehrfächerige
Früchte zu unterscheiden
sind.
Bisweilen bildet aber bei mehrfächerigen Fruchtknoten fast regelmäßig nur ein Fach seine Samen aus; diejenigen der andern Fächer schlagen fehl, und indem das fruchtbare Fach sich allein beträchtlich ausdehnt, drückt es die übrigen bis zum Verschwinden zusammen. Solche Früchte sind sodann durch Fehlschlagen einfächerig (Eichel, Ulme, Linde). Anderseits kann aber auch infolge der Bildung falscher Scheidewände während der Ausbildung der Frucht die Zahl der Fächer vermehrt werden (Cassia fistula).
Die Zahl der Samen, welche eine Frucht enthält, ist gewöhnlich etwas geringer als die der Samenknospen im Fruchtknoten, indem einige der letztern nicht befruchtet oder doch wenigstens nicht ausgebildet werden. Bei der Ausbildung des Ovariums zur Frucht wandelt sich die Wand desselben zur Fruchtwand (Fruchtgehäuse, pericarpium) um. Bei der Reife bleibt das Fruchtgehäuse entweder ganz, so daß die die Samen enthaltende Fruchthöhle nicht geöffnet wird, und die Frucht trennt sich auch in dieser geschlossenen Form von der Pflanze ab (Schließfrucht), oder das Perikarpium springt oder reißt bei der Reife an bestimmten Stellen auf, so daß die Fächer geöffnet werden und die Samen frei heraus ¶
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fallen können; die Frucht selbst bleibt dann gewöhnlich an der Pflanze stehen (Kapsel, capsula). Die Schließfrüchte teilt man dann weiter ein nach der Beschaffenheit der Fruchtwand. Von einer Nuß (nux) spricht man, wenn das Perikarpium trocken und von ziemlich harter Beschaffenheit ist; davon unterscheidet man gewöhnlich das Achenium oder Nüßchen, bei welchem die Fruchtwand eine geringere Dicke und eine hautartige, zähe Beschaffenheit hat, und wenn die Fruchtwand mit dem Samen fest verwachsen ist, beide zusammen nach gewöhnlichem Sprachgebrauch ein Korn darstellen, so nennt man die Frucht eine Karyopse (vgl. Nuß, Achene).
Ist dagegen eine der Schichten des Perikarpiums von weicher, saftiger Beschaffenheit, so heißt die Frucht entweder Beere (bacca) oder Steinbeere (Steinfrucht, drupa). Letztere unterscheidet sich von der Beere durch den sogen. Steinkern (putamen), der aus der innersten Schicht der Fruchtwand hervorgeht und den eigentlichen Samen unmittelbar einschließt. Beim Apfel ist die Innenschicht der Fruchtwand verhältnismäßig dünn und pergamentartig; eine solche Beere heißt Apfelfrucht (pomum, s. Beere und Steinbeere).
Die Nüsse, desgleichen die Steinbeeren, wenn sie einen einzigen Steinkern enthalten, sind in der Regel einsamig; wenn von mehreren Fächern sich jedes zu einem Steinkern ausbildet, ist der letztere ebenfalls einsamig; Beeren dagegen und Steinbeeren mit leicht zerstörbarem Kern sind gewöhnlich mehrsamig. Das Perikarpium der Kapselfrüchte ist meist trocken, aber von mäßiger Härte, oft lederartig zäh oder brüchig spröde. Das Aufspringen (dehiscentia) geschieht in bestimmten Formen, für die man wieder besondere Bezeichnungen hat.
Die dabei sich bildenden Risse oder Löcher entstehen gewöhnlich durch Zerstörung gewisser Partien des Zellgewebes an den betreffenden Stellen. Das Öffnen wird häufig begünstigt durch ungleiche Zusammenziehung der Schichten der Fruchtwand beim Trockenwerden, wodurch ein Zug in dem Sinn ausgeübt wird, daß die Klappen, in welche sich die Fruchtwand spaltet, auseinander gehen. Bisweilen steigert sich die dadurch erzeugte Spannung in der Fruchtwand allmählich so lange, bis die letztere plötzlich nachgibt und mit einem Ruck elastisch aufspringt, wobei gewöhnlich die Samen weit fortgeschleudert werden.
Die Kapseln [* 11] enthalten in der Regel mehrere, oft außerordentlich viele Samen. Auch unter den Kapselfrüchten unterscheidet man mehrere Arten. Wenn ein einblätteriger Fruchtknoten zu einer Kapsel wird, welche nur an der mit den Samen besetzten Bauchnaht mittels eines Längsrisses sich öffnet, so spricht man von einer Balgfrucht [* 12] oder Balgkapsel (folliculus); bekommt eine solche Kapsel aber auch an der Rückennaht einen Längsriß, und teilt sie sich also in zwei Klappen, so hat man eine Hülse [* 13] (legumen der Papilionaceen).
Eine aus zwei Fruchtblättern bestehende zweifächerige Kapsel, welche sich derart in zwei Klappen löst, daß die beiden Samenträger mit der zwischen ihnen ausgespannten Scheidewand auf dem Blütenstiel stehen bleiben, heißt eine Schote (siliqua der Kruciferen). [* 14] Alle übrigen aus zwei oder mehr Fruchtblättern bestehenden Kapselfrüchte werden Kapseln im engern Sinn genannt. Bei diesen erfolgt das Aufspringen mit Klappen, mit Deckel oder mit Löchern (s. Balgfrucht, Hülse, Schote und Kapsel, Aussaat, natürliche).
Manche Früchte sind auch mit gewissen neuen Bildungen auf ihrer Oberfläche ausgestattet, welche an den Fruchtknoten noch nicht vorhanden oder nur angedeutet sind. Dieselbe entwickelt Stacheln (Stechapfel, Roßkastanie) oder mehr oder weniger starre, oft widerhakenförmige Haarbildungen (Caucalis, Gallum, Aparine), oder sie bildet einen ansehnlichen flügelartigen Fortsatz (Acer), in welchem Fall sie Flügelfrucht (samara) genannt wird, oder einen derartigen Rand (Ulmus).
Meistens erweisen sich solche Bildungen als vorteilhafte Hilfsmittel zur Verbreitung dieser Früchte. Nicht selten beteiligen sich auch noch gewisse andre Teile der Blüte oder selbst des Blütenstandes an der Bildung der Frucht, insofern als sie an derselben nicht nur stehen bleiben, sondern gewöhnlich sogar vergrößert und eigentümlich ausgebildet erscheinen. Die Staubgefäße [* 15] und die Blumenkrone verlieren sich in der Regel gleich nach dem Verblühen. Auch der Griffel fällt gewöhnlich zeitig ab oder schrumpft zusammen; doch beteiligt er sich an der Fruchtbildung bei den Geraniaceen, wo er an dem Aufspringen der Kapsel teilnimmt, ebenso bei Geum, wo er sich verlängert, in seiner Mitte ein Knie bildet und das über demselben liegende Stück derart abwirft, daß der stehen bleibende Teil an seinem Ende einen Widerhaken erhält, mit welchem das Achenium fremden Gegenständen leicht anhaftet; ferner bei Clematis, wo er ebenfalls sehr lang wird und sich mit vielen langen Haaren federartig bekleidet, die der Frucht als Flugapparat dienen.
Sehr häufig vergrößert sich der Kelch und umgibt die Frucht mehr oder weniger als schützende Hülle, wobei dann gewöhnlich die Frucht mit dieser Umhüllung abfällt (Chenopodiaceen, Polygoneen). Zu einem Flugapparat wird der Kelch bei vielen Kompositen [* 16] und Valerianeen in Gestalt der Haarkrone (pappus), welche sich erst während der Ausbildung der Frucht auf der Spitze des hier unterständigen Fruchtknotens entwickelt; bei manchen Kompositen bildet sich die Haarkrone nicht haarförmig, sondern in Gestalt einiger widerhakenartiger, dorniger Spitzen aus, welche, wie bei Bidens der Frucht als Haftorgane dienen.
Bisweilen sind auch Deckblätter oder Hüllblätter des Blütenstandes als Umhüllung der Frucht ausgebildet; dies gilt z. B. von den Spelzen der Gräser, [* 17] in denen meist die Frucht eingeschlossen bleibt, von dem Schlauch der weiblichen Blüten von Carex, welcher, die reife Frucht umhüllend, mit derselben abfällt, von der Becherhülle der Kupuliferen, desgleichen von dem Involukrum mancher Kompositen, welches das ganze Köpfchen mit dessen Früchten umgibt, und dessen Blätter dann manchmal den Dienst von Haftorganen versehen, indem sie eine dornige, widerhakenförmig umgekrümmte Spitze bekommen, wie bei der Klette (Lappa) und der Spitzklette (Xanthium).
Solche zu mehreren von einer gemeinsamen Hülle umgebene Früchte nähern sich schon denjenigen Bildungen, welche man als Schein- oder Sammelfrüchte (syncarpia) bezeichnet. Man versteht darunter die Vereinigung mehrerer Früchte im botanischen Sinn zu einem Ganzen, welches seiner Ausbildung nach, und weil es als Ganzes von der Pflanze sich trennt, die Vorstellung einer einzigen Frucht erzeugt und nach gewöhnlichem Sprachgebrauch auch als solche betrachtet wird.
Dahin gehört die Erdbeere, deren Fleisch nichts andres ist als der vergrößerte und beerenartig weich und saftig gewordene Blütenboden, in welchem erst die wahren Früchte als zahlreiche kleine Nüßchen eingesenkt sind. Bei der Hagebutte der Rose ist die fleischige Masse die vergrößerte Kelchröhre, in welcher wir erst die Achenien zu mehreren eingeschlossen finden;
die Ananas ist eine Vereinigung miteinander verwachsener Beeren des ganzen ährenförmigen Blütenstandes;
bei der Maulbeere nehmen die Perigonblätter aller Blüten eines runden Köpfchens eine saftig beerenartige Beschaffenheit an, ¶
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und die wahren Früchte sind Nüßchen, welche von den so veränderten Perigonblättern umgeben werden; bei der Feige ist es der verdickte, becherförmig eingesenkte Stiel des Blütenstandes, welcher die süße, fleischige Masse bildet, die Nüßchen stehen in großer Anzahl auf der Innenwand des Bechers. - Bei den Gymnospermen erleiden die die Samenknospen unmittelbar tragenden Teile ebenfalls gewisse Veränderungen: die reifen Zapfen [* 19] sind bedeutend vergrößert, ihre Achse und ihre Fruchtschuppen sind verholzt, bisweilen beerenartig saftig;
bei Taxus wird der einzeln auf einer Achse sitzende Same von einer zuletzt weich und saftig werdenden Wucherung der Achse umwachsen und ähnelt so einer echten Beere. - Die Frucht ist bei jeder Pflanzengattung eins der konstantesten Merkmale;
ja, innerhalb einer Pflanzenfamilie gehört ihre Beschaffenheit nächst dem Blütenbau und dem Samen zu den wichtigsten Charakteren.
Unter Reife der Frucht versteht man denjenigen Entwickelungszustand derselben, in welchem die Samen den für ihre Keimung erforderlichen Ausbildungsgrad erlangt haben und die Frucht sich unbeschadet dieser Fähigkeit von der Pflanze trennen läßt; sie ist also identisch mit der Reife der Samen (s. d.).